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Skifahren in Tirol: Der Mythos vom Arlberg lebt weiter

Skifahren in Tirol

Der Mythos vom Arlberg lebt weiter

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    Schneevergnügen am Arlberg: Wer sich nicht alleine in den Tiefschnee wagen will, kann begleitete Touren buchen.
    Schneevergnügen am Arlberg: Wer sich nicht alleine in den Tiefschnee wagen will, kann begleitete Touren buchen. Foto: TVB St. Anton am Arlberg/Josef Mallaun, dpa

    Drinnen hängen alte Fotos: Entlang der Dorfstraße in St. Anton türmen sich die Schneewände meterhoch zu beiden Seiten. Schneidig aussehende Skifahrer in Knickerbockern stehen vor einer strahlend weißen Berglandschaft und lachen in die Kamera. Wahnsinn, wie viel Schnee es gab am Arlberg. Damals. Draußen vor der Tür des Hotels „Schwarzer Adler“ sieht es nun aber genauso aus. Es schneit, was runtergeht, so viel wie seit Jahren nicht mehr. Na also, den legendären Winter am Arlberg gibt es noch. Wir fragen uns nur: Wird all dieser Neuschnee unsere Pläne durchkreuzen? Kein Freeriden im Gelände wegen Lawinengefahr? Und werden wir einfach nur Skifahren oder auch den Geist der einstigen Pioniere spüren?

    Der erste Skibegeisterte am Arlberg ist Pfarrer Johann Müller in Warth. 1894 liest er in der Zeitung, dass die Menschen in Skandinavien auch bei großen Schneemengen mit Skiern unterwegs sind. Er bestellt sich ein Paar dieser Holzlatten. Eine Sensation, denn kaum einer im Dorf hat bislang von dem praktischen Fortbewegungsmittel gehört, geschweige denn es gesehen. Heimlich beginnt der Pfarrer im Schutz der Dunkelheit zu üben. Nach einigen Stürzen ist er so sicher auf den Brettern, dass er sich als Erster mit Ski auf den Weg macht, hinüber in die Nachbarpfarrei Lech.

    Skifahren im Tiefschnee kann zum Rausch werden

    Spuren in unberührte Hänge ziehen, so wie Pfarrer Müller vor über 100 Jahren, das geht auch heute. Es schneit unaufhörlich. Im Morgengrauen ist aus den Bergen das tiefe Wummern der Lawinensprengungen zu hören. Dann bricht die Sonne durch. Innerhalb von Minuten beginnt es auf den freien Hängen in Richtung St. Christoph zu wimmeln. Hier kann man direkt neben den Pisten in den Tiefschnee abbiegen. Das Gelände verwandelt sich im Nu in einen Ameisenhaufen von Skifahrern und Snowboardern. Es dauert kaum länger als ein, zwei Stunden, dann ist es vorbei. Alle Hänge sind komplett verspurt.

    Tiefschnee kann wie ein Rausch sein. Das erlebten Pioniere, die den Arlberg zur Wiege des Skisports machten. Viele haben zum Mythos beigetragen. Wer es war, kann man in der nostalgischen Villa Trier erkunden. Ursprünglich war sie das Domizil einer Industriellenfamilie, heute ist sie ein liebevoll restauriertes Museum mit einem hübschen Restaurant in St. Anton. Eine interaktive Schau lässt dort Geschichte lebendig werden: Etwa den Bau des Arlberg-Eisenbahntunnels, durch den 1885 die ersten Touristen anreisten, oder den Bauernbuben Hannes Schneider, der im 20. Jahrhundert mit seiner legendären Arlberg-Technik das Skilaufen revolutionierte und weltweit von sich reden machte.

    Im Tiefschnee ist es aus mit der Freundschaft

    In der Villa Trier finden sich auch die Namen, Bilder und Fernsehaufzeichnungen der vielen erfolgreichen Rennläufer, von Gertrud Gabl und Karl Schranz bis hin zu Mario Matt. Und natürlich sind im Museum bekannte Filme vom Arlberg zu sehen, etwa der legendäre Streifen „Der Weiße Rausch“ mit Hauptdarstellerin Leni Riefenstahl aus den 1930er Jahren.

    Draußen auf der Piste ist der legendäre Tiefschnee am Arlberg Tagesgespräch – in der Sprache der Freerider. „No friends on powder days“, sagt ein Vater zu seinem Sohn, steigt mit ihm in die futurisch aussehende Gondelbahn am Galzig und lacht: Im Tiefschnee ist es aus mit der Freundschaft!

    Sashimi vom Thunfisch statt Germknödel

    Aber was, wenn die Lawinengefahr zu groß ist, um sich alleine ins Gelände zu wagen? Skilehrer Maris hat einen Tipp. Ein privat gebuchter Bergführer wäre kostspielig. Die Skischule Arlberg in St. Anton hat deshalb noch ein anderes Angebot: das Powder Club-Programm. Kleine Gruppen von bis zu sieben Skifahrern werden von einem Führer ins Gelände begleitet. Jeden Morgen um 9.15 Uhr ist Treffpunkt. Maris und seine Kollegen kennen auch bei viel Schnee sichere Waldschneisen, die Urlauber niemals alleine finden würden. Das Erstaunliche: Wir sind quer durchs Gelände unterwegs und kommen am Ende doch immer wieder an einem Lift heraus.

    Es schneit noch immer. Viele Lifte sind nicht in Betrieb. Doch die Gondel hoch zum Galzig läuft und der Magen knurrt. Also oben schnell hinein in die mollig warme Stube – genauer gesagt: in die Verwallstube. Auf 2085 Metern Höhe warten dort kulinarische Genüsse, für die man gerne mal ein paar Pisten auslässt. Conny, die Allgäuerin, entscheidet sich für „Schlutzkrapfen 2.0“ – eine moderne Variante des bodenständigen Schmankerls, angerichtet mit Babyspinat, geräucherten Schalotten und Frischkäseschaum. Hendrick aus Köln lässt sich Sashimi vom Thunfisch mit Frühlingsrolle und Sprossensalat schmecken.

    Caroline von Monaco gehört zu den Gästen der Verwallstube

    Die in Europa mit zwei Hauben im Gault&Millau. Gastro-Chef Manfred Fahrner sagt: „Ich wollte was Tolles machen.“ Ihm zufolge brummt der Laden. Die Reichen und Schönen, die sich am Arlberg treffen, schätzen die raffinierten Gerichte und edlen Weine, die hoch oben am Berg aufgetischt werden. Und nicht nur sie.

    Trotz großer Promidichte ist das Team in Küche und Service nett und freundlich geblieben. Wenn Caroline von Monaco auftaucht, werden gerne mal die Golfschläger geholt, um einen kleinen Putt-Wettbewerb im Lokal zu veranstalten. Auch der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen oder die niederländische Königin Juliana kann man dort beim Essen treffen. Menschen aus aller Welt fühlen sich vom Mythos des Arlbergs angezogen.

    Der "Run of Fame" führt von St. Anton bis nach Warth

    Marc ist von Whistler Mountain, Kanada, angereist. Er sagt, St. Anton sei für ihn ein Sehnsuchtsort. Auch wegen der Geschichte. Maris ist Amerikaner aus Seattle und seit Jahrzehnten Skilehrer am Arlberg. Er fühlt sich hier längst mehr daheim als in den USA, auch wegen des internationalen Publikums. Rund 50 Nationen zählt der Fremdenverkehrsverband pro Jahr.

    Ohne den Skilauf wäre St. Anton nicht das, was es heute ist. Der Arlberg hat sich zum größten zusammenhängenden Skigebiet Österreichs entwickelt und zu einem der fünf größten der Welt – mit mehr als 300 Skiabfahrtskilometern und 88 Aufstiegshilfen. Natürlich sind da die berühmt-berüchtigten Abfahrten wie das Schindlerkar oder das Mattunjoch. Nun gibt es aber noch eine weitere spektakuläre Herausforderung: den „Run of Fame“, eine Skirunde der Superlative durchs gesamte Skigebiet.

    Diesmal heißt es Wecker stellen und früh aufstehen: Mit der ersten Gondel geht es hinauf auf den 2816 Meter hohen Rendl. Dort ist ein Startpunkt des „Run of Fame“. Diese Tour hat es in sich. Die 85 Kilometer lange Rundfahrt mit 18.000 Höhenmetern führt von St. Anton über Zürs und Lech bis nach Warth und wieder zurück. Auch sie ist Skipionieren und Stars aus Sport und Film gewidmet, die einst selbst die verschneiten Hänge hinabglitten.

    Mit der ersten Gondel geht es auf den 2816 Meter hohen Rendl

    Die Ruhmes-Runde zwischen Tirol und Vorarlberg wurde im vergangenen Winter eingeweiht. Möglich wird sie durch einen Lückenschluss. Die neuen Trittkopfbahnen, die Albonabahn II und vor allem die neue Flexenbahn sorgen für eine durchgehende Verbindung zwischen den Arlberg-Dörfern. 45 Millionen Euro haben die Bergbahnbetreiber dafür investiert.

    Wir sind einen lang Tag beschäftigt, diese Runde zu bewältigen. Spektakulär ist beispielsweise die Tourenabfahrt am Madlochjoch (2438 Meter). Sie ist eine der größten Herausforderungen auf der Runde. Viele Pausen gibt es nicht. Wer es ruhiger angehen lassen will, sollte sich zwei Tage dafür freihalten. Dann bleibt auch mehr Zeit für Hüttenpausen und Après-Ski.

    Früher war Tanja Senn Rennläuferin, heute ist sie Hüttenwirtin

    Der wohl bekannteste Geheimtipp für Leute, die gern feiern, ist der „MooserWirt“ an der Talabfahrt von St. Anton. Dort läuft jedes Jahr die große RTL-II-Party mit Après-Ski-Hits. Wir kehren etwas weiter oben in der „SENNsationell“-Hütte ein. Wirtin Tanja Senn hält für ihre Gäste ausgefallene Schmankerl vom Arlberg parat. Die quirlige Dunkelhaarige trägt am Trachtengürtel zwei Taschen für Sensen-Wetzsteine. Darin verstaut sie Flaschen mit selbst gemachtem Schnaps aus Löwenzahn, Zirben oder Himmelsschlüsseln, den sie ihren Gästen ausschenkt. Früher war Tanja Rennläuferin, heute will sie Einheimische und Besucher für die Geheimnisse der Natur in den Bergen begeistern. Wenn es passt, steht sie in der Hütte auch mal mit auf der Bühne, um Stimmung zu machen.

    Erschöpft von vielen Abenteuern, ist am Abend im Traditionshotel „Schwarzer Adler“ Entspannung angesagt. Das Haus gibt es schon seit 1570. Die Familie Tschol betreibt es in der vierten Generation und hat es behutsam modernisiert. Unten sitzt man zwischen behaglichen alten Mauern, oben im Freien lockt der spektakuläre Sky-Pool. Tom lässt sich im warmen Wasser treiben, von oben fallen dicke Schneeflocken. So reift sein Plan: Am letzten Tag der Skisaison im April will er beim Kult-Rennen „Der Weiße Rausch“ mitmachen. Teilnehmer aus aller Welt stürzen sich in einem Massenstart am Vallugagrat ins Tal hinunter. So wie einst die Ski-Pioniere in alten Zeiten. Die Legende Arlberg, sie lebt.

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