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Balearen: Typisch Ibiza?

Balearen

Typisch Ibiza?

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    Ibiza, die Partyinsel: So wird im Hotel Ushuaia gefeiert.
    Ibiza, die Partyinsel: So wird im Hotel Ushuaia gefeiert. Foto: Palladium Hotel Group

    Der Bass begrüßt die Besucher. An der Playa d’en Bossa läuft schon mittags laute Musik. Schöne Menschen in knappen Shorts und noch knapperen Bikinis lachen, trinken, feiern sich und das Leben. Zum Meer sind es nur wenige Schritte, man könnte bei knapp 40 Grad auch schwimmen gehen. Aber keiner will weg. Spielt hier doch die Musik. Einer, der auf seiner Sonnenliege unermüdlich im Takt mitwippt, ist Daniel Neumann, 25. Der Student aus Köln unterbricht nur kurz, als ihn seine vier Freunde zum Anstoßen animieren. Ein Schluck vom kühlen Bier, schon ist er wieder voll drin im Beat. Tanzen? Nein, daran sei nach dieser Nacht nicht zu denken. Schlafen? Er lacht. „Das ist Zeitverschwendung.“

    Ibiza, die Partyinsel

    Ibiza, die Partyinsel also. Bis hierhin alles Klischee. Wer damit im Gepäck anreist, kann nicht anders: Er fühlt sich sofort bestätigt. An der Playa d’en Bossa, Ibizas längstem Strand, nur wenige Minuten vom Flughafen entfernt, ist es laut. Es ist schrill. Es ist hemmungslos. Und je später es wird, desto lauter, schriller und hemmungsloser wird es. Auf den großen Bühnen der Hotels und Klubs drehen dann die Schönsten der Schönen ihre eingeölten Körper in absurde Posen, Akrobatinnen turnen in Ringen über der Partymenge, die – „Put Your Hands Up For Ibizaaa“ – auf Kommando immer wieder euphorisch ihre Arme in die Luft wirft. Wenn sie nicht gerade mit Küssen oder Selfies oder beidem gleichzeitig beschäftigt ist.

    Ibiza von oben: So präsentiert sich die Insel beim Anflug.
    Ibiza von oben: So präsentiert sich die Insel beim Anflug. Foto: Daniela Fischer

    Und apropos Klischees: Ja, teuer ist das auch. 150 Euro für Eintritt und Getränke sollte man schon rechnen, wenn man zur Musik von Star-DJs wie David Guetta oder Avicii feiern will. Aber dafür: Feiern, als ob es kein Morgen, nie wieder eine andere Party gäbe. Zehntausende wollen das jeden Tag. Für ein Zimmer mit Bühnenblick in Hotels wie dem berühmten Ushuaia oder dem benachbarten Hard Rock zahlen sie mehr als für ein Zimmer mit Meerblick. Die Teilnahme an der Mega-Party ist dann inklusive – noch dazu der Balkon, von dem aus die Gäste den besten Blick auf die vibrierende Menge genießen. Und was mindestens genauso wichtig ist: die Menge auf sie. Sehen und gesehen werden. Feiern und gefeiert werden. Wer sich hier einbucht, weiß genau, was er auf Ibiza sucht – Ruhe sicher nicht. Dabei kann man die leicht finden.

    Dem Bumm, Bumm, Bumm entfliehen geht auf Ibiza schnell. Egal, an welchem Punkt der Baleareninsel man gerade ist, das Meer ist maximal eine Autostunde entfernt. Schon vom Flieger aus fallen die vielen kleinen Boote auf, die vor der Küste liegen. Wer mit ihnen aufs Meer hinausfährt, findet nicht nur schlagartig Ruhe, sondern auch den schönsten Blick auf Ibiza-Stadt. Hoch oben über Eivissa – so der katalanische Name – thront die Kathedrale. 3000 Jahre alt ist dieser Teil der Altstadt, die Dalt Vila, die die Unesco 1999 zum Weltkulturerbe erklärt hat. Die Festungsmauer, die sie umgibt, ist eine der besterhaltenen Anlagen in Europa. In der Vergangenheit verschanzte sich die Stadt dahinter vor ihren osmanischen Feinden, heute stehen die Tore weit offen. Fremde sind willkommen, jeder Winkel ist ausgebaut, um sie zu bewirtschaften. Vor allem Spanier, Deutsche und Briten urlauben gerne hier, jedes Jahr sind es mehrere Millionen.

    Inés Barroso, 53, sieht viele von ihnen kommen und wieder gehen. „Es ist die Energie“, antwortet sie nur knapp auf die Frage, was Ibizas Anziehungskraft ausmache. Das Leuchten in ihren Augen aber verrät alles. Viele Jahre hat die Spanierin in einer großen Diskothek gearbeitet, heute bringt sie Touristen mit ihrem Jeep zu den schönsten Plätzen Ibizas. Und davon gibt es viele. Wer ruhige Buchten sucht, fährt am besten in den Norden oder Osten, rät Inés Barroso. Sie kann das Schwärmen für die „schönste Insel der Welt“ dann doch nicht lassen. Die Cala de Benirrás zeigt sie besonders gerne. Warum, wird beim Aussteigen aus dem Jeep klar. Der weiße Sand unter den Füßen ist warm und der Wind duftet nach den Pinienwäldern, die die Bucht umschließen. Das Meer präsentiert sich hier von seiner besten kristallklaren Seite. Und dann diese Ruhe. „Das ist Ibiza“, sagt Inés Barroso und lächelt.

    Ibiza, die Ruheoase

    Ibiza hat traumhafte Buchten für Segler zu bieten - wie zum Beispiel die Cala Salada.
    Ibiza hat traumhafte Buchten für Segler zu bieten - wie zum Beispiel die Cala Salada. Foto: Manuel Meyer, dpa

    Ibiza, die Ruheoase? Von 100 auf null? Schon in den 30er Jahren kamen viele Intellektuelle hierher, die im unruhigen Europa einen friedlichen Platz suchten. Gewiss, die Insel hat sich verändert – und das wird sie weiter tun –, doch das „andere“, das unaufgeregte Ibiza, gibt es noch immer. Weit weg von wummernden Bässen führen Wander- und Radwege durch sattgrüne Pinienwälder, Berge und Buchten laden zu Entdeckungen ein und abgelegene Fincas zum Entspannen. Die Sonnenuntergänge sind so schön, dass sie gemeinsam zelebriert werden. An der Cala de Benirrás treffen sich seit Jahrzehnten jeden Sonntag Hippies, um das Naturschauspiel mit Trommeln zu begleiten.

    In direkter Nachbarschaft findet man dann auch das, was jeder Reiseführer verspricht: einen Hippiemarkt. Denn vor den Partypeople und Pauschalurlaubern waren in den Sechzigern sie, die Freigeister, die bis heute nach ihrer eigenen Philosophie leben, auf die Insel gekommen. Weil aber auch Hippies nicht nur von Luft und Liebe leben können, begannen viele Schmuck zu fertigen und zu verkaufen. Damit legten sie den Grundstein für jene Märkte, die bis heute zu Ibizas Aushängeschildern gehören.

    Ibiza, die Hippie-Insel

    Als Teil dieser Tradition versteht sich Monica Abhay, 42. Doch viel, sagt die Frau mit den wilden roten Haaren, habe sich verändert. Zu viel. Vor allem auf den großen Märkten der Insel werde immer mehr Massenware und immer weniger Handarbeit verkauft. Die Spanierin flüstert plötzlich, während sie einer jungen Britin, die sie ohnehin nicht versteht, gerade einen dunkelbraunen Rastazopf aus Filz ins Haar flicht: „Mal ehrlich, die meisten Hippies sind längst nach Indien.“ Doch weg, weg von Ibiza, das kommt für die Frau, die ihr Geld mit Basteln und Yoga verdient, nicht infrage. „Niemals“, sagt Monica Abhay bestimmt. „Nirgendwo sonst kann man so frei sein.“

    Monica Abhay, 42, fühlt sich nirgendwo so frei wie auf Ibiza.
    Monica Abhay, 42, fühlt sich nirgendwo so frei wie auf Ibiza. Foto: Daniela Fischer

    Um Ibiza, die Hippie-Insel, kennenzulernen, machen sich viele Urlauber auf nach San Carlos. Rund 20 000 besuchen jeden Samstag den Markt Las Dalias, der in den vergangenen 30 Jahren von drei auf über 200 Stände gewachsen ist. Und tatsächlich: So manches Sortiment erinnert doch sehr an das des letzten Asien-Urlaubs. Aber das ist nicht weiter schlimm. Man findet trotzdem alles , was man sich gewünscht hat – und noch mehr. Las Dalias ist zu Recht eine Attraktion.

    Das Kinderkarussell inmitten des Verkaufstrubels ist wie alles an diesem Ort nicht gewöhnlich: Die Kleinen düsen auf alten Autoreifen im Kreis. Für die Großen gibt es experimentelle Livemusik, Pizza, die irgendwie so gar nicht ins Bild passen will und damit dann wieder doch, und frisch zubereitete Zitronen-Minz-Limonade. Das Wichtigste: Vor den Augen der Besucher, die sich schon am Vormittag dicht an dicht durch die Gänge drängen, wird auch 2015 noch vieles selbst gemacht, etwa Tarotkarten gelegt, Ringe graviert und Armbänder geknüpft.

    Eine junge Verkäuferin, lange blonde Locken, in Flower-Power-Tunika und zerrissenen Jeansshorts, tauscht gerade ein pinkes Kettchen gegen einen Fünf-Euro-Schein, da sagt sie: „Hey, schau doch auch mal auf meiner Internetseite vorbei!“ Auf ihrer mitgereichten Visitenkarte sind auch ihr Facebook- und Instagram-Profil notiert. Der Hippie 2.0 hat offensichtlich Geschäftssinn. Und einen Onlineshop.

    Für die Althippies – sie sind wenige geworden, aber es gibt sie noch – ist diese moderne Interpretation kein Problem. „Leben und leben lassen“, sagt Mora, die eigentlich Sigrun heißt und aus dem Schwarzwald kommt. Die fast Siebzigjährige strickt schon seit Jahrzehnten bunte Oberteile und Kleider und verkauft sie. Viele besuchen Las Dalias nur, um sie, die Inselberühmtheit, die Hippiekönigin, zu sehen. Die Frau, die sich nach eigener Aussage täglich bis zu vier Joints gönnt und vielleicht auch deshalb auf alles mit ziemlicher Gelassenheit reagiert. Zu viel Party auf Ibiza? Zu wenige Hippies? Ach was. Love, Peace, Happiness. Am Ende macht’s doch die Mischung.

    Ibiza hat viele Gesichter.
    Ibiza hat viele Gesichter. Foto: Daniela Fischer

    Ibiza auf einen Blick

    Anreise Vom Münchner Flughafen fliegen Air Berlin, Lufthansa und Condor mehrmals täglich nach Ibiza.

    Übernachtungstipp An der Playa d’en Bossa hat Europas erstes Hard-Rock-Hotel eröffnet (1 Woche im DZ Deluxe inkl. Flug im August ab 1799 Euro p. P., über FTI Touristik).

    Essen und Trinken Das wohl beste Thunfisch-Sandwich der Insel gibt es seit 70 Jahren am Stand von Angela Benegas, direkt am Mercado Viejo vor den Toren von Ibiza-Stadt. Das „Ses Escoles“ in Santa Eulalia verbindet klassische Landküche und moderne Gerichte. Hier wurde eine Ölmühle zum Restaurant. Auch eine Führung lohnt sich.

    Einkaufen Ibizas ältester Hippiemarkt ist zwischen Ostern und Oktober jeden Mittwoch in Es Canar zu finden. Las Dalias in San Carlos ist mit 200 Ständen zwar nur etwa halb so groß, aber eine Attraktion.

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