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Ein Fotograf erzählt: Warum es sich lohnt, Sternen hinterher zu reisen

Ein Fotograf erzählt

Warum es sich lohnt, Sternen hinterher zu reisen

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    Einen besonders intensiven Sternenhimmel kann man in der Atacama-Wüste in Chile erleben. Hier finden Sternenfreunde auch das La-Silla-Observatorium, ein Teil der Europäischen Südsternwarte.
    Einen besonders intensiven Sternenhimmel kann man in der Atacama-Wüste in Chile erleben. Hier finden Sternenfreunde auch das La-Silla-Observatorium, ein Teil der Europäischen Südsternwarte.

     „… Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.“

    Helle Wegweiser im großen Dunkel. Sterne waren schon immer Kompass für Reisende. Der Legende nach folgten die Heiligen Drei Könige einem Kometen bis an den Stall von Bethlehem. Die Wikinger etwa sollen ihre Position auf hoher See mithilfe von Sonnenschattenbrettern bestimmt haben, zählten die auf See zurückgelegten Tage, berechneten die ungefähre Geschwindigkeit ihres Schiffes und orientierten sich anhand der Sonne und der Sterne. Ungezählte Segler, Abenteurer, Handelsreisende orientierten sich an Sonne, Mond und Sternen, besonders am Polarstern, der strahlend hell am Nachthimmel leuchtet. Ein Fixstern für Orientierungssuchende in unendlichen Weiten.

    Später half der sogenannte Jakobsstab dabei, zu wissen, wo man steht. Und in welche Richtung die Reise führen sollte. Um mit ihm eine Position bestimmen zu können, wurde der Winkelabstand zwischen Horizont und Sonne oder eben einem bestimmten Stern berechnet. 400 Jahre half der schlichte Jakobsstab – er sieht aus wie ein längliches Kreuz –, Seefahrern ans Ziel zu kommen. Dann wurde der winkelförmige Sextant erfunden, der es erleichterte, auch Längengrade im Koordinatensystem zu berechnen. Dieses Wissen gehört übrigens noch immer zur Ausbildung von Kapitänen. Für den Fall, dass die technischen Geräte für die Standortbestimmung ausfallen.

    Seit Jahrzehnten reist Michael Martin den Sternen hinterher

    Sterne, Sternbilder, Himmelsereignisse haben Menschen schon immer besonders fasziniert. Da leuchtet etwas klein über uns, das viel größer ist als wir. Michael Martin, Wüstenfahrer und Geograf, ist dieser Faszination früh erlegen. Schon als Jugendlicher versuchte er, mit einem selbst gebauten Teleskop den Nachthimmel von der Terrasse seines Elternhauses zu beobachten. Später reiste er immer Himmelsereignissen hinterher. In der Wüste, zum Beispiel. Hierher zieht es den gebürtigen Gersthofer (Landkreis Augsburg) Michael Martin immer wieder. Er hat alle Wüsten der Erde bereist. In den letzten 35 Jahren hat er über 200 Reisen in die Extremzonen der Erde unternommen, seine Vorträge und Bücher sind weltweit gefragt. Seine erste Wüstenexpedition führte ihn mit 17 Jahren in die Sahara – dorthin gelang er mit einem Mofa. Immer ging und geht es dem 56-Jährigen um das perfekte Foto. Oft spielen Sterne dabei eine Rolle. Rund 200 Milliarden Sterne gehören zu unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße. „Sterne zeigen uns, was für ein winziges Staubkorn die Erde im Weltall ist – und gleichzeitig, wie besonders sie ist.“ Martin erklärt, bisher habe es nur hier die perfekten Bedingungen für die Entstehung von Leben gegeben, soweit man wisse. Und in der Wüste sei es eben besonders dunkel, dort ließen sich Sterne außerordentlich gut beobachten. Was ihn so genau am Sternenhimmel fasziniert?

    Sein Metier sind die Wüsten. Der Fotograf Michael Martin aus Gersthofen hat alle Wüsten der Erde bereist. Er ist aber auch von Himmelserscheinung fasziniert.
    Sein Metier sind die Wüsten. Der Fotograf Michael Martin aus Gersthofen hat alle Wüsten der Erde bereist. Er ist aber auch von Himmelserscheinung fasziniert. Foto: Elly Martin

    Jedenfalls nicht die Sternzeichen. „Die sind Blödsinn, gegen Astrologie bin ich allergisch.“ Aber Sternbilder, die haben für Martin bisweilen schon eine gewisse Anziehungskraft. Besonders das Sternbild Kassiopeia, erzählt der Fotograf: „Mein Großvater war Kriegsgefangener in Russland, meine Oma wartete zu Hause auf ihn. Wenn beide in der Nacht auf Kassiopeia blickten, dachten sie an den anderen.“ Allgemein interessieren den Fotografen aber andere Ereignisse am Firmament – Gasnebel, Galaxien oder Kugelsternhaufen. „Sternbilder unterscheiden sich sowieso von Kultur zu Kultur. Bei uns sind sie eben nach der griechischen Mythologie benannt.“

    Wo man 2020 eine Sonnenfinsternis sehen kann

    Schaut man mit bloßem Auge in den Sternenhimmel, lassen sich rund 6000 dieser Himmelskörper erspähen. Mit einem Teleskop werden es unzählige mehr. Millionen und Abermillionen. Es gibt aber Objekte, die bei uns auf der Nordhalbkugel überhaupt nicht zu sehen sind. Etwa das Zentrum der Milchstraße, dafür muss man auf die Südhalbkugel reisen – das ist alles südlich des Äquators, etwa Chile, Namibia oder Australien. „Bestimmte Phänomene“, erklärt Martin, „machen das Sternegucken aber immer schwierig: Wolkendecken oder Vollmond zum Beispiel.“

    Wirklichen Sternengucker-Tourismus kenne er nicht, aber lokal gebe es Bemühungen. „In Chile bieten Einheimische Touren zum größten Amateur-Teleskop der Welt an.“ Andere Himmelsphänomene werden von professionellen Tourismus-Unternehmen begleitet: vor allem totale Sonnenfinsternisse.

    Sogenannte Sonnenfinsternisjäger haben in ihrem Leben schon 20, gar 30 dieser Ereignisse gesehen. Auch Martin wurde bereits mehrmals Zeuge dieses raren Anblicks. 1987 flog er vier Kilometer hoch über Dschibuti hinweg, um eine ringförmige Sonnenfinsternis zu beobachten. 1999 wohnte er der auch in Deutschland sichtbaren Sonnenfinsternis in Frankreich bei, fast hätte er sie unter einer Wolkendecke verpasst. Und 2015 befand er sich auf einem der eisigen Gletscher Spitzbergens, die totale Sonnenfinsternis flach über dem Gletscher stehend. Martin erzählt, „für mich ist eine Sonnenfinsternis das schönste Naturschauspiel – diese schwarze Sonne, strahlend wie ein Feuerball und doch wird es plötzlich kalt.“ Er hoffe, noch einige Ereignisse dieser Art zu erleben.

    2020 gibt es nur eine Chance dafür: Am 14. Dezember können Menschen in Chile, Argentinien, dem Südatlantik und wohl noch an den Ausläufern der südwestafrikanischen Küste dem kosmischen Phänomen beiwohnen. Noch schlimmer sieht es bei der totalen Mondfinsternis aus – die wird es 2020 gar nicht geben. Immerhin: In Europa lässt sich am 10. Januar, am 5. Juni und am 5. Juli eine Halbschattenfinsternis erleben. Für die nächste totale muss man bis zum 26. Mai 2021 Geduld haben. Und reisen. Denn sie ist nur in Südostasien, Nord- und Südamerika, dem Pazifik, Atlantik, der Antarktis und dem Indischen Ozean zu sehen.

    Bis dahin lassen sich die Sterne immerhin ganz nah heranholen. Sei es mit einem Teleskop zu Hause oder bei einem Ausflug in die nächste Sternwarte.

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