
Interview: „In dem Kandidatenfeld wird er nicht obsiegen“


Gerd Olbrich, SPD-Fraktionschef im Günzburger Kreistag, zu den Chancen Karl-Heinz Brunners, SPD-Bundesvorsitzender zu werden.
„Mit 66 Jahren da fängt das Leben an“, heißt es in einem Lied von Udo Jürgens. Was sagen Sie zu dem Vorhaben Ihres 66 Jahre alten Genossen Karl-Heinz Brunner aus Illertissen, Bundesvorsitzender der SPD werden zu wollen?
Gerd Olbrich: Das hat mich überrascht, muss ich sagen. Wahrscheinlich andere auch. Ich habe seine Begründung für die Kandidatur gelesen – und ich kann nachvollziehen, dass er seinen Hut in den Ring geworfen hat, um das ganze Spektrum einer Partei widerzuspiegeln.
Sind auch Ihnen wie Brunner die Kandidaten bislang zu linkslastig?
Olbrich: Das würde ich so nicht sagen. Ich halte es aber für gut, sich nicht darin zu überbieten, wer die SPD am schnellsten aus der GroKo herausführt. Wie stellen wir uns inhaltlich auf? Was ist mit der Außendarstellung und mit der inneren Kommunikation und Konfliktlösung? Antworten auf diese Fragen zu geben – das scheint mir eine Beschäftigung mit den tatsächlich wichtigen Themen zu sein.
Trauen Sie dem Bundestagsabgeordneten Brunner zu, die SPD in die Zukunft zu führen?
Olbrich: Ich denke, er sieht es selbst so realistisch, dass er in dem Kandidatenfeld, das bislang bekannt ist, nicht obsiegen wird. Erfahrungen im Führen von SPD-Gliederungen hat Karl-Heinz Brunner durchaus. Er ist beispielsweise stellvertretender SPD-Bezirksvorsitzender in Schwaben und Mitglied des Landesvorstands. Wenn er wider Erwarten Bundesvorsitzender werden würde, müsste einem nicht bange werden.
Nach der Bundestagswahl 2017 hat Brunner verkündet, dass nach dieser Legislaturperiode – und die ist jetzt dann auch schon wieder zur Hälfte vorbei – für ihn als Abgeordneter Schluss sein wird. Wie passt das zusammen?
Olbrich: Das passt jetzt nicht so gut zusammen. Deswegen sind solche Ankündigungen zwar durchaus ehrenwert. Aber man sollte sich in der Politik nicht zu früh festlegen – weder im positiven noch im negativen Sinne. Das sieht man jetzt auch an Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der eine Kandidatur ausgeschlossen hatte und nun von einer Neubewertung der Situation spricht. Das ist, sagen wir mal, nicht besonders konsequent.

Wie beurteilen Sie überhaupt diesen gesamten Findungsprozess?
Olbrich: Dass er breit angelegt ist, halte ich für richtig. Richtig ist auch, dass die Mitglieder einbezogen werden. Zeitlich hätte man das straffen können.
Immerhin sitzt mit Brunner ein SPD-Mann in Berlin, der für den Bundeswahlkreis Neu-Ulm über die Liste ins Parlament gekommen ist. Zu diesem Bundeswahlkreis zählt auch der Landkreis Günzburg. Wie gut vertritt Brunner nach Ihrer Auffassung die Belange auch des Kreises Günzburg?
Olbrich: Aus meiner Sicht bin ich sehr zufrieden. Anliegen, die wir ihm vortrugen, hat er zuverlässig behandelt. Er hat entweder versucht, selbst eine Lösung zu finden, oder hat sie weitergegeben an andere Abgeordnete oder hat sie in Ministerien eingespeist. Er kümmert sich auch von sich aus und gibt Feedback. In Eigeninitiative hat er sich zum Beispiel um Bundesmittel für die Sanierung des Klosters Wettenhausen gekümmert.
Und wie gut ist die Region bei SPD-Abgeordneten im Landtag aufgehoben?
Olbrich: Nachdem wir nach dieser verheerenden Landtagswahl 2018 nur noch zwei Abgeordnete in Schwaben haben, ist es schwierig geworden für die beiden ganz Schwaben zu betreuen. Unser Glück ist, dass Simone Strohmayr, die im Stimmkreis Aichach-Friedberg angetreten ist, bisher schon unsere Betreuungsabgeordnete war. Das ist auch so geblieben. Sie kennt sich in unseren Sachen im Kreis Günzburg schon etwas besser aus und muss sich nicht erst einarbeiten. Im Bundestag ist es auch nichts anderes. Mit Ulrike Bahr aus Augsburg und Karl-Heinz Brunner haben wir ebenfalls zwei Abgeordnete aus Schwaben. Nur Brunner ist auch durch den gemeinsamen Bundeswahlkreis näher an uns dran.
Noch eine Stufe tiefer: Ist die Günzburger Kreis-SPD, in deren Vorstand Sie sitzen, in einer guten Verfassung?
Olbrich: Unter den Umständen, mit denen wir gerade als SPD zu kämpfen haben, ja.
Welche Umstände meinen Sie?
Olbrich: Was die Bundes-SPD, aber auch das Landtagswahlergebnis anbetrifft, spürt man seit mehreren Monaten keinen Rückenwind, der die Basis beflügelt, sondern eher das Gegenteil. Von daher ist es an der Basis, ob auf Kreis- oder Ortsvereinsebene, doch noch sehr lebendig.
Verwandelt sich in absehbarer Zeit der Gegenwind noch in Rückenwind?
Olbrich: Das kann man frühestens sagen, wenn die Vorsitzfrage geklärt ist. Und auch die Frage, wie es mit der GroKo weitergeht, wird eine Rolle spielen. Damit meine ich nicht ein „Ja“ oder „Nein“, sondern wie wir als SPD damit umgehen. Ich halte eine Debatte für verkürzt, in der es heißt, dass alles Übel für die SPD von der GroKo ausgeht und die SPD aus dieser Koalition schnellstens raus muss. Auf dem Parteitag Anfang Dezember wird man Zwischenbilanz ziehen, ob es noch passt oder nicht mehr. Das muss man inhaltlich festmachen – ob wir uns als SPD zutrauen, im Klimaschutz und bei der Grundrente genügend zu erreichen. Diese zwei Themen gehören zu den Bausteinen der Prüfung.
Die Kommunalwahlen im Frühjahr 2020 tauchen am Horizont auf. Kandidaten müssen gesucht und nominiert werden. Wie schwer tut sich die SPD?
Olbrich: Es gab schon Kommunalwahlen, da haben wir uns im Vorfeld leichter getan. Mit möglichen Bewerbern für den Stadtrat, Gemeinderat und den Kreistag muss man in der Situation öfters Gespräche führen als zu früheren Zeiten. Dort, wo wir Ortsvereine haben, werden wir mit eigenen Listen antreten. Das wird auch für den Kreistag so sein. In allen Gemeinden im Kreis waren wir als SPD nie überall mit eigenen Listen vertreten – das war selbst zu den Hochzeiten unter Kanzler Willy Brandt so.
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