
Jettinger Bürgermeister: „Von ganz großem Einbruch gehe ich nicht aus“

Plus Christoph Böhm ist nach 50 Jahren der erste Bürgermeister in Jettingen-Scheppach, der nicht der CSU angehört. Wie sich das anfühlt und wie er die erste Zeit erlebt hat.

Die ersten 100 Tage sind fast geschafft: So lange sind die im Mai vereidigten, neu gewählten Bürgermeister in der Region im Amt. Die Günzburger Zeitung trifft alle Neulinge zum Gespräch. Ihre Bilanz dieser Zeit stellen wir in loser Folge vor.
Herr Böhm, wie war Ihr Start als neuer Bürgermeister von Jettingen-Scheppach?
Christoph Böhm: Ich hätte nicht gedacht, dass meine Amtszeit so beginnt. Als ich im März gewählt worden bin, bin ich davon ausgegangen, dass ich bei meinem Start am 1. Mai etliche Grußworte auf Maifeiern sprechen darf. Doch wegen Corona gab es kein einziges Fest, keinen einzigen Maibaum. Stattdessen ist in jedem Ortsteil eine Birke, ein Maiale, aufgestellt worden. Da habe ich dann eine Ortsteilrunde gedreht und alle Birken fotografiert, um den 1. Mai 2020 zu dokumentieren.
Vor Ihnen war 18 Jahre lang Hans Reichhart (CSU) Bürgermeister der Gemeinde. Insgesamt hat die CSU 50 Jahre lang die Geschicke Jettingen-Scheppachs bestimmt. Sie sind als Freier Wähler der Erste, der aus dieser Reihe ausschert.

Böhm: Ich habe mir die Kandidatur im Vorfeld lange und gut überlegt. Ich hatte mir schon Chancen auf das Amt ausgerechnet. Dass das Wahlergebnis mit fast 65 Prozent dann so deutlich ausfiel, hat mich sehr gefreut. Die Mitarbeiter im Rathaus haben mich sehr positiv aufgenommen, sie stehen hinter mir, das ist toll. Der erste Schlag kam aber dann gleich an meinem ersten Arbeitstag. Der Wasserwart hat mich beglückwünscht und mir im nächsten Atemzug erklärt, dass es über das Wochenende einen Schwelbrand im Betriebsgebäude der Wasserversorgung gegeben hat. Das komplette Büro ist zerstört worden, es musste alles saniert werden. Mein Amt hat also heftig begonnen.
Sie waren zuvor zwölf Jahre lang als Gemeinderat am Ratstisch sozusagen in der Opposition und mussten um Themen kämpfen. Jetzt haben Sie die Seite gewechselt. Ist es jetzt einfacher für Sie oder noch schwieriger, Themen umzusetzen?
Böhm: Ich würde es nicht als Opposition bezeichnen. Alle, die im Rat sitzen, wollen das Beste für die Gemeinde erreichen. Bei manchen Themen hat man einfach unterschiedliche Meinungen, aber Vielfalt macht Demokratie aus. Als Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler hatte ich es nicht immer einfach, die Mannschaft auf Linie zu bringen.

Jetzt bin ich in einer anderen Rolle, nicht mehr nur Teil einer Fraktion. Als Leiter des Gremiums muss ich mir alle Meinungen anhören und Kompromisse finden. Und der Marktgemeinderat ist seit dieser Wahlperiode mit den Grünen noch bunter geworden. Irgendwie ist jeder ein bisschen grüner geworden, das Bewusstsein für die Natur ist gestiegen. Themen wie Blühflächen und Streuobstwiesen sind stärker in den Fokus gerückt.
Wie sieht es denn mit anderen Themen aus? Sie haben im Wahlkampf betont, dass Sie als Bürgermeister als erstes Projekt den Neubau der Sporthalle angehen wollen und vielleicht heuer noch der Spatenstich erfolgen könnte.
Böhm: Die Pläne für die Sporthalle hat Hans Reichhart an seinem letzten Arbeitstag im Landratsamt abgegeben. Die übrigen Unterlagen, die Außenanlagen betreffend, habe ich unterschrieben und im Landratsamt abgegeben. Die Betriebsbeschreibung haben wir mittlerweile ebenfalls nachgereicht. Alles liegt jetzt dort zur Genehmigung. Ich glaube nicht, dass es heuer noch etwas wird mit dem Spatenstich, das wird wohl zu knapp. Wenn die Pläne genehmigt sind, müssen wir zuerst noch ausschreiben und die Aufträge dann vergeben.

Ist das Vorhaben in Corona-Zeiten überhaupt stemmbar?
Böhm: Wie sich die Corona-Krise auf unsere Finanzen auswirkt, ist jetzt noch nicht abzuschätzen, aber sie werden sicherlich rückläufig sein. Zum Glück sind wir von den örtlichen Unternehmen und Betrieben her sehr breit aufgestellt, von einem ganz großen Einbruch gehe ich nicht aus. Dass wir heuer trotz allem so hohe Gewerbesteuereinnahmen haben, verdanken wir einer beträchtlichen Nachzahlung. Das Geld, um die Sporthalle zu bauen, hat die Gemeinde. Und auch die Stadtsanierung muss und wird weitergehen. Der Rathausvorplatz kann nicht so bleiben, wie er jetzt ist. Wir arbeiten alles nacheinander ab. Ich möchte nicht, dass die Meinung aufkommt, dass aufgrund von Corona nichts mehr vorwärts geht.

Gibt es noch andere Projekte, die Ihnen am Herzen liegen, die sie in den nächsten Jahren gerne anstoßen würden?
Böhm: Durch das Feuerwerk an Themen, das mein Vorgänger zum Ende seiner Amtszeit abgebrannt hat – Pendlerparkplatz am Bahnhof, Neubau der Krippe am Johann-Breher-Kindergarten, Stadtsanierung –, liegen die meisten und wichtigsten Vorhaben bereits auf dem Tisch. Hans Reichhart hat mir zudem Themen überlassen, die er nicht mehr geschafft hat, beispielsweise, wie es mit der baulichen Sanierung der Mittelschule weitergehen soll.

Ich werde jetzt nach vorne schauen und möchte die Projekte, die der Rat beschlossen hat, zeitnah umsetzen. Im Wahlkampf habe ich außerdem gespürt, dass die ganz großen Projekte, wie zum Beispiel die Stadtsanierung, nicht unbedingt die Themen sind, die die Bürger bewegen. Da spielen oft kleinere Dinge wie Straßenbeleuchtung oder Friedhofsgestaltung eine wichtigere Rolle. Eines ist mir noch wichtig, aber schwierig umsetzbar: neues Wohnbauland schaffen und zur Verfügung zu stellen.
Das war ja auch zuletzt wieder Thema im Gemeinderat, wie es mit der Bebauung des Areals der Firma Untiedt weitergeht.
Böhm: Wir haben eine Riesenchance, diese Industriebrache am Ortseingang in ein Wohnquartier umzuwandeln. Aber es birgt auch ein gewisses Risiko und macht mir Bauchschmerzen. Ich bin nicht unbedingt glücklich über die große Zahl der Wohnungen, die dort geplant sind. Wir müssen jetzt den richtigen Weg finden und abwägen, das macht die Sache schwierig.

Darüber hinaus hat die Gemeinde im Moment keinen einzigen Bauplatz, den sie Bürgern anbieten kann. Wir sind zwar in Verhandlungen mit Privatpersonen, die Baugrund besitzen, aber das ist sehr zäh und schwierig. Das Thema Baugrund ist auch kürzlich auf einem Seminar angesprochen worden. Da waren 50 neu gewählte Bürgermeister, die alle dieses Problem haben.
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