
Kammeltaler Bürgermeister: „Möglich ist nur, was finanziell stemmbar ist“

Plus Thorsten Wick ist seit Mai neuer Bürgermeister der Gemeinde Kammeltal. Wie sein Start in Corona-Zeiten war und wie es um die Finanzen der Kommune bestellt ist.

Die ersten 100 Tage sind fast geschafft: So lange sind die im Mai vereidigten, neu gewählten Bürgermeister in der Region im Amt. Die Günzburger Zeitung trifft alle Neulinge zum Gespräch. Ihre Bilanz dieser Zeit stellen wir ab heute in loser Folge vor.
Herr Wick, wie waren Ihre ersten 100 Tage im Amt?
Thorsten Wick: Neu, lehrreich, aber vor allem sehr interessant. Viele Dinge sind in Corona-Zeiten noch viel schwieriger. Das Rathaus war geschlossen, aber wir wollten ja weiter für die Bürger da sein, und die Termine waren auch nicht weniger. Es ist eine Herausforderung, allem gerecht zu werden. Ich bin immer noch in der Lernphase.
Nicht nur Corona-bedingt war Ihr Einstieg besonders hart. Sie haben bis zuletzt bei der Bundeswehr in München gearbeitet im Kompetenzzentrum Baumanagement in der Bundeswehrverwaltung. Und dann von heute auf morgen Bürgermeister, wie muss man sich das vorstellen?
Thorsten Wick: Seit 1. Mai ruht mein Dienstverhältnis bei der Bundeswehr. Dann ging es von null auf 100, ich bin ins eiskalte Wasser geworfen worden. Aber ich freue mich jeden Tag auf die neue Herausforderung. Seit feststand, dass ich die Wahl gewonnen habe, habe ich mich in meiner Freizeit in Verwaltungs- und Baurecht eingelesen. Im Vorfeld habe ich auch die Gemeindeordnung durchgearbeitet, da habe ich großes Augenmerk darauf gelegt.

Der Umgang mit Menschen liegt mir, mich für die Gemeinde einzubringen, ist mir immer schon wichtig. Ich wurde gut im Rathaus aufgenommen, das Team begleitet mich positiv. Und ich habe zum Glück einen großen Rückhalt zu Hause. Meine Frau fängt viel ab, sie hat in der Lockdownphase die Hauptlast getragen und sich um unsere vier Kinder gekümmert, damit ich hier im Rathaus die Aufgaben stemmen kann.
Und wie war dann der Start?
Thorsten Wick: Es hat gleich mal mit einem Wasserrohrbruch begonnen. Keime haben sich im Wasser gebildet und seit 27. Mai muss das Wasser in der Gemeinde gechlort werden. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, diesen Zustand zu ändern. Aber ein Problem, das sich über 30 Jahre aufgebaut hat, lässt sich leider nicht in zwei Monaten lösen. Der nächste Tiefschlag war dann, dass der Haushalt der Gemeinde, unabhängig von der Corona-Pandemie, in Schieflage lag.

Was ist denn besonders stressig als Bürgermeister?
Thorsten Wick: Es sind viele Kleinigkeiten, über die man entscheiden und bei denen man auf Befindlichkeiten achten muss. Mir ist aufgefallen, dass viele unglaublichen Redebedarf haben. Da ist es eine Kunst, abzuwägen und Lösungen zu finden, ohne jemandem weh zu tun. Man kann nicht allen gerecht werden. Das geht mir oft abends noch durch den Kopf, ob ich es richtig gemacht habe. Ich verstehe die Menschen und ihre Nöte und muss aber gleichzeitig auf die Gesetze achten. Am schlimmsten ist natürlich, dass mir finanziell die Hände gebunden sind.
Wie schlimm ist denn die finanzielle Lage und wie wirkt sich die Corona-Krise zusäztlich aus?
Thorsten Wick: Die Situation ist so prekär, dass wir einen Nachtragshaushalt aufstellen mussten. Wir haben in der Gemeinde keinen Spielraum mehr, es sei denn wir finanzieren alles über Schulden. Eine solche Entscheidung werde ich aber ganz sicher nicht alleine treffen. Wie sich Corona auswirkt, kann ich jetzt noch nicht abschätzen. Wir haben leider nicht so viel Gewerbe, aber da haben wir schon einen Rückgang bei den Steuern zu verzeichnen. Das Gros wird uns vor allem bei der Einkommenssteuer erwischen, die Kurzarbeit wird zu Buche schlagen, aber das werden wir erst in ein oder zwei Jahren richtig spüren. Erst dann werden wir wissen, wohin die Reise geht. Wir werden auf jeden Fall die Ausgaben reduzieren und schauen müssen, wo wir einsparen können, welche Projekte geschoben oder gestreckt werden können.

Sie haben im Wahlkampf gesagt, dass Sie sich für den Umbau des Kindergartens in Wettenhausen, den Anbau des Feuerwehrhauses in Ettenbeuren und für den Bau eines Bürgerhauses in Behlingen einsetzen wollen. Was wird in diesen Zeiten aus den Projekten?
Thorsten Wick: Der Umbau des Kindergartens ist in vollen Zügen, die Planungen für das Feuerwehrhaus laufen, der Bauantrag ist genehmigt. Und die Pläne für das Bürgerhaus werden in einer der nächsten Sitzungen im Gemeinderat vorgestellt. Eines ist klar: Möglich ist nur das, was finanziell stemmbar ist. Aber mir ist klar geworden, dass man auch mit weniger Geld Kleinigkeiten lösen kann. Indem man sich Zeit nimmt und den Leuten zuhört, wo ihnen der Schuh drückt.
Apropos Schuhdrücken: Die Bewohner im Ortsteil Egenhofen belastet es sehr, dass sie nicht wissen, was nach dem Straßenausbau finanziell auf sie zukommt. Die Bescheide sind immer noch nicht verschickt. Wissen Sie, wie es dort weitergeht?

Thorsten Wick: Ich verstehe die Bürger und ihre finanziellen Sorgen. Wir standen in Hartberg, wo ich wohne, vor einem ähnlichen Problem. Mir wurde nahegelegt, die Bescheide für Egenhofen zu verschicken. Damit wir keine Fehler machen, lassen wir alles noch einmal von der kommunalen Rechtsaufsicht im Landratsamt Günzburg und dem Bayerischen Gemeindetag überprüfen. Von dieser Stelle möchte ich Rückendeckung haben. Die Prüfung läuft noch, sobald Klarheit herrscht, werden wir es im Rat diskutieren. Das Thema ist allerdings weit fortgeschritten, im schlimmsten Fall bleibt für alle nur der Gang vors Gericht.

Sie müssen dann für die Fehler, die in der vergangenen Legislaturperiode begangen wurden, gerade stehen. Welche Lehren ziehen Sie daraus?
Thorsten Wick: In Zukunft soll niemand mehr einfach vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Ich will auf die Leute zugehen, mit ihnen reden und, wo möglich, gemeinsame Lösungen eingehen.
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