
Kein Sport, keine Beiträge? Warum das nicht so einfach funktioniert

Plus Die Vorsitzenden von VfL Günzburg, TSV Krumbach und TSV Burgau erläutern, warum sie auf das Geld angewiesen sind. Es gibt aber Möglichkeiten, der Basis entgegenzukommen.
Kein Fußball, keine Gymnastik, kein Taekwondo – die Amateur- und Freizeitsportler sind im zweiten Corona-Lockdown zur Untätigkeit verurteilt, die Vereine können ihnen keine Angebote machen. Trotzdem ziehen die allermeisten auch zu Beginn des Jahres 2021 die Mitgliedsbeiträge ein. Muss das sein?
In den meisten Fällen ja, vermutet Fritz Birkner. Der Vorsitzende des Sportkreises Günzburg im Bayerischen Landessportverband (BLSV) erläutert, dass die Vereine mit den eingesammelten Beiträgen diverse Kosten decken müssen, die unabhängig vom Pandemie-Geschehen auch heuer anfallen. Abgaben an übergeordnete Verbände und an Versicherungen, dazu Ratenzahlungen und Abschläge, Gebühren für Müllabfuhr, Strom, Wasser und Abwasser, Investitionen in das Vereinsheim und in die Sportanlagen – da kommt einiges zusammen.
Zahl der Neumitglieder schrumpft massiv
Keineswegs zu vernachlässigen sei im Zusammenhang mit der finanziellen Fitness die Mitglieder-Entwicklung, betont Birkner. Wobei die reine Zahl der im Zusammenhang mit der Pandemie erfolgten Austritte seiner Überzeugung nach gar nicht das Kardinalproblem darstellt. „Da gibt es mit Sicherheit einige, aber ich glaube, dass es im ländlichen Raum nicht so dramatisch ist wie im städtischen Bereich“, argumentiert der Funktionär, der seine Vermutung so früh im Jahr allerdings noch nicht mit konkreten Zahlen untermauern kann. Was er allerdings weiß und was ihn alarmiert, ist „dass die Zahl der Neumitglieder bei Kindern und Jugendlichen gegenüber 2019 massiv zurückgegangen ist.“
Diese Entwicklung habe sich schon früh im Verlauf des vergangenen Jahres angedeutet, führt Birkner weiter aus. „Das ist auch nachvollziehbar. Wenn ich keinen Sport treiben kann, warte ich mit einer Vereinsmitgliedschaft ab, bis die sportliche Aktivität wieder beginnt.“
Exakt aus diesem Grund ist die Zahl der Mitglieder im VfL Günzburg übers vergangene Jahr um etwa 120 auf 1600 zurückgegangen, bestätigt Klubchef Walter Hirsch. Konkret führt er aus: „Kündigungen hatten wir in etwa so viele wie sonst auch. Aber wir konnten das in den Jahren davor immer durch annähernd so viele Neuzugänge wettmachen – nur diesmal gab es einfach keine Neumitglieder.“
Walter Hirsch: "Da blutet mir das Herz"
Ob und in welchem Ausmaß sich die junge Generation in Zukunft wieder dem Kulturgut Sportverein zuwendet, darüber mag Hirsch nicht spekulieren. Die Analyse der während der Pandemie erfolgten Kündigungen aber lässt ihn für die nächste Zukunft auf eine Art Übergangsphase hoffen, in der nicht mehr allzu viel Negatives kommen wird. 80 bis 90 der erfolgten Austritte entfallen nach seinen Worten auf die Gymnastik-Abteilung und hier in allererster Linie auf Teilnehmer am Mutter-Kind-Turnen, das wegen der staatlichen Auflagen gar nicht angeboten werden konnte. Leicht nimmt das der VfL-Chef nicht, im Gegenteil: „Da blutet mir das Herz, zumal wir derzeit in diesem Bereich so viele Übungsleiter wie noch nie zur Verfügung haben.“ In den anderen Abteilungen dagegen blieb praktisch alles beim Alten. Hirsch: „Ich möchte mich bei den Mitgliedern ausdrücklich bedanken, dass sie uns die Treue halten – insbesondere jetzt in dieser schweren Zeit.“
An den Beitragssätzen ändert das alles nichts. Über eine Reduzierung sei innerhalb des Führungsteams kurz diskutiert worden. Eine Stornierung aber sieht Hirsch auf keinen Fall kommen – zumal „wir ja vermutlich im Lauf des Jahres noch Sport anbieten können.“
Sportfamilie TSV Krumbach hält zusammen
Auch die Sportfamilie TSV Krumbach hält bislang zusammen. Erleichtert sagt Vereinschef Gerhard Richter nach Monaten der staatlich veranlassten Bewegungslosigkeit: „Als Verein sind wir bis jetzt glimpflich, das heißt ohne großartige Austrittszahlen, durch die Situation gekommen.“ Der Funktionär verhehlt freilich nicht, dass sich die Sachlage je nach Pandemieverlauf durchaus noch ändern könnte. 1124 Mitglieder zählt er aktuell, in sechs Abteilungen nehmen TSV-Sportler am Spielbetrieb teil. Wie leidensfähig sie wirklich sind? Da ist Ringler überfragt. Ohne es konkret zu formulieren, argwöhnt er offenbar, dass er im Zusammenhang mit den in diesen Tagen fälligen Beiträgen die eine oder andere kritische Bemerkung hören wird.
Doch was kann er machen? Der TSV Krumbach besitzt eine eigene Halle und ein eigenes Sportgelände. Beide verursachen Fixkosten, ob die Mitglieder nun Sport treiben oder nicht. „Der Verband fordert ebenfalls sein Geld ein. Die lassen das auch nicht ein halbes Jahr sausen.“
Dank an die Übungsleiter
Immerhin spricht viel dafür, dass sich die Krumbacher ihrem TSV auch weiterhin zugehörig fühlen. Gewährsleute für ein funktionierendes Miteinander waren und sind laut Ringler immer wieder die fleißigen Übungsleiter. „Ihnen gilt mein größter Dank“, sagt der Vorsitzende und führt weiter aus: „Sie haben schon zu Beginn der Krise, als Sport unter Auflagen noch erlaubt war, weit über das normale Maß hinaus Leitungen angeboten.“
Natürlich regiert auch bei Ringler das Prinzip Hoffnung, wenn er an einen zügigen, konkreten und gleichzeitig positiven Ausblick seitens der Politik glaubt. „Wenn die Leute das Gefühl haben, es geht bald weiter, bleiben sie mit Sicherheit bei der Stange“, sagt er. An die Alternative mag er gar nicht denken.
Wie es die Fitness-Abteilung im TSV Burgau macht
Den Beitrag seiner 1850 Mitglieder (ein Minus von 150 gegenüber der Zeit unmittelbar vor der Pandemie) einziehen wird in diesen Tagen auch der TSV Burgau. Präsident Thomas Auinger bedauert das. Aus Kostengründen, und um die Gemeinnützigkeit nicht zu gefährden, bleibt ihm aber gar nichts anderes übrig, unterstreicht er. Anders verhalte es sich bei den je nach Sparte unterschiedlich hohen Zusatzgebühren. Hier lässt sich im Einzelfall durchaus die Linie „Kein Sportangebot – kein Beitrag“ herstellen, ist Auinger überzeugt. Den Beweis tritt derzeit die mit fast 800 Mitgliedern größte TSV-Abteilung an: Der Bereich Kraftsport und Fitness verzichtet für die Monate Januar und Februar, in denen der Trainingsbetrieb auf jeden Fall ruhen muss, auf die Zusatzpauschale und kündigt, abhängig vom Pandemieverlauf und den Vorgaben der Politik, dasselbe Vorgehen auch für die Monate danach an. „Das ist schon eine enorme Summe, auf die wir da verzichten“, betont Auinger.
Sorge ums Image: SV Nersingen verzichtet fürs Erste
Dass es auch aus Sicht eines Gesamtvereins einen anderen Weg in Sachen Beitragserhebung gibt, demonstriert wenige Kilometer außerhalb des Landkreises Günzburg der SV Nersingen. Dessen Vorsitzender Ralph Hamann sagt: „Wenn wir die Beiträge jetzt einziehen, wäre das schlecht für das Image.“ Die etwa 1000 Mitglieder werden demnach nicht wie üblich in der ersten Februarwoche zur Kasse gebeten, sondern das Geld wird erst dann abgebucht, wenn Training, Kurse und Spiele wieder möglich sind.
Der Verein kann das Aussetzen der Beiträge verkraften, obwohl selbstverständlich auch hier Fixkosten existieren. Dafür tritt der SV Nersingen jetzt in Vorleistung. Was wegen des gut gefüllten Festgeldkontos möglich ist.
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