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Wahl in Günzburg: 200-prozentiges Ja: SPD und CSU nominieren OB Jauerning

Wahl in Günzburg

200-prozentiges Ja: SPD und CSU nominieren OB Jauerning

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    Ein historischer Moment für Günzburg, mit vielen Kameras verewigt: Nach der SPD hat nun auch die CSU Amtsinhaber Gerhard Jauernig als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters nominiert.
    Ein historischer Moment für Günzburg, mit vielen Kameras verewigt: Nach der SPD hat nun auch die CSU Amtsinhaber Gerhard Jauernig als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters nominiert.

    Montagabend, 21.06 Uhr im Gasthof „Linde“ im Günzburger Stadtteil Deffingen: Thomas Ermer tritt ans Rednerpult der Günzburger CSU und verkündet der Mitgliederversammlung seiner Partei ein historisches Ergebnis. „Von 30 abgegebenen Stimmen waren zwei ungültig. 28 entfielen auf Gerhard Jauernig.“

    Erst vor wenigen Tagen hat die SPD ihren seit 17 Jahren unerschütterlich im Sattel sitzenden Oberbürgermeister ein weiteres Mal mit 100 Prozent der gültigen Stimmen als Kandidaten nominiert. Jetzt zieht die CSU mit dem gleichen Ergebnis nach – und macht den OB damit zu „Mister 200 Prozent“. In ganz Bayern gebe es wohl keinen vergleichbaren Fall, sagt Stephanie Denzler, Fraktionsvorsitzende der CSU im Günzburger Stadtrat.

    CSU und SPD nominieren erstmals gemeinsamen Kandidaten

    Fast 18 Jahre ist es her, als sie selbst die bislang letzte Kandidatin der CSU für diese Position war, vor 17 Jahren unterlag sie Jauernig im Kampf um die Nachfolge von SPD-OB Rudolf Köppler um nur 459 Stimmen. „Hätte mir vor 17 Jahren jemand erzählt, dass ich Ihnen einmal Gerhard Jauernig als OB-Kandidat der CSU vorschlagen werde, hätte ich ihn wohl für völlig verrückt erklärt.“ Hat man diese 17 Jahre in Günzburg und im Rat der Stadt jedoch miterlebt, merkt man: So ganz überraschend ist diese ungewöhnliche Kooperation zwischen CSU und SPD eigentlich gar nicht.

    Spulen wir zurück. Ende 2001 ist der Kommunalwahlkampf in Günzburg in vollem Gange. Die Eröffnung von Legoland steht bevor, die im Ausbau befindliche B16 ändert praktisch täglich ihr Gesicht. Und durch die Günzburger Kommunalpolitik ziehen sich tiefe Gräben. Die 33-jährige Amtszeit von SPD-Mann Rudolf Köppler neigt sich dem Ende zu, die SPD hat schon früh den amtierenden dritten Bürgermeister der Stadt, den jungen Sparkassenmitarbeiter Gerhard Jauernig, als Nachfolger auf den Schild gehoben. Die CSU setzt auf die 27-jährige Juristin Stephanie Denzler, Tochter des Bamberger Landrats.

    Seit 2002 hatte Jauernig keinen Gegenkandidaten mehr

    Da waren sie noch Konkurrenten um das Amt des Oberbürgermeisters: Stephanie Denzler und Gerhard Jauernig im Januar 2002 bei einer Podiumsdiskussion unserer Zeitung zur Kommunalwahl.
    Da waren sie noch Konkurrenten um das Amt des Oberbürgermeisters: Stephanie Denzler und Gerhard Jauernig im Januar 2002 bei einer Podiumsdiskussion unserer Zeitung zur Kommunalwahl.

    Es ist der bislang letzte Kampf um den OB-Posten in Günzburg, seither hatte der Amtsinhaber keinen Gegenkandidaten mehr. Gekämpft wird auf allen Seiten mit allen, manchmal auch nicht ganz fairen Mitteln. Dem SPD-Kandidaten Jauernig wird aus CSU-Kreisen vorgehalten, er habe nicht einmal Abitur. Die CSU-Kandidatin Denzler muss mehr als einmal die ernsthaft gestellte Frage beantworten, ob sie das Amt nicht vernachlässigen würde, sollte sie einmal Kinder bekommen. Es sind harte Wahlkampfzeiten, in denen die Grabenkämpfe der vergangenen Jahrzehnte kräftig mit einwirken. Und in denen der dritte Kandidat dieser OB-Wahl, Klemens Lurz, kaum eine Rolle spielt angesichts der zwei starken Kandidaten der beiden größten Stadtratsfraktionen. Am Ende geht es am 17. März 2002 in die Stichwahl. Jauernig gewinnt – und die Regensburgerin Stephanie Denzler bleibt in Günzburg.

    Mit Anhängern und Kandidaten der Günzburger Gruppierungen warteten Denzler und Jauernig im März 2014 im Forum am Hofgarten auf die Auszählung der Stimmen der Kommunalwahl. Der OB fuhr mit 95,7 Prozent der Stimmen ein Traumergebnis ein.
    Mit Anhängern und Kandidaten der Günzburger Gruppierungen warteten Denzler und Jauernig im März 2014 im Forum am Hofgarten auf die Auszählung der Stimmen der Kommunalwahl. Der OB fuhr mit 95,7 Prozent der Stimmen ein Traumergebnis ein.

    „Es hat sich eine Menge verändert in den vergangenen 17 Jahren“, sagt Stephanie Denzler heute, als sie ihre CSU um Zustimmung zum OB-Kandidaten Jauernig bittet. Aus den beiden ehemaligen Rivalen um das Amt sind Freunde geworden, die sich auch gemeinsam über regelmäßige Traumergebnisse für OB Jauernig freuen können – bei den jüngsten Kommunalwahlen 2014 waren es satte 95,7 Prozent. Aus dem kämpferischen Stadtrat ist ein äußerst harmonisches Gremium geworden, das seine Beschlüsse in der Regel einstimmig oder zumindest mit großer Mehrheit fasst. Zusammenarbeit ist das Zauberwort. (Lesen Sie dazu auch: SPD und CSU setzen auf OB-Kandidaten Jauernig)

    Fernhalt, bezahlbares Wohnen, gute Betreuung: Die Ziele sind die gleichen

    Das spiegelt sich auch in den Worten derjenigen wider, die bei der zweiten Mitgliederversammlung der Günzburger CSU in diesem Jahr das Wort ergreifen. Die Erfolge der CSU-Kommunalpolitik der vergangenen Jahre, die Ortsvorsitzende Ruth Niemetz und ihre beiden Stellvertreter Stefan Baisch und Philipp Rauner auflisten, finden sich auch in Gerhard Jauernigs Kandidatenrede wieder. Da geht es um bezahlbaren Wohnraum, um Bildungsmöglichkeiten, um den gemeinsamen Kampf für den Erhalt des Fernhalts am Günzburger Bahnhof. Ziele und Wünsche für die Stadt liegen nicht nur nahe beieinander, meist sind sie gleich. Eine Parteibrille braucht es dafür eigentlich nicht, so viel wird an diesem Abend deutlich.

    Vor der Europawahl gab es schon einmal einen Zusammenschluss der Parteien

    Es ist der Oberbürgermeister selbst, der am Ende seiner Rede anklingen lässt, was außer der offenkundigen Gemeinsamkeit noch hinter der gemeinsamen Nominierung steckt. „Was wir hier in dieser Stadt nicht brauchen können, sind Menschen, die sich gegen die freiheitliche Grundordnung stellen. Parteien, deren Vertreter den Holocaust leugnen und menschenverachtend agieren, werden wir nicht akzeptieren.“ Die Aufstellung eines gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters schließt sich eng an den gemeinsamen Wahlaufruf zur Europawahl an, Europawahl: Ein bislang einmaliger gemeinsamer Aufruf, den Vertreter von CSU, SPD, Freien Wählern, Grünen und FDP aus dem Landkreis Günzburg vor wenigen Wochen veröffentlicht haben – gegen rechte Parteien wie die AfD.

    Das mag auch einer der Beweggründe für diesen außergewöhnlichen Schulterschluss sein – der alleinige ist er sicher nicht. Alfred Sauter macht das deutlich, der CSU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete, im Jahr 2001 treibende Kraft hinter der Nominierung Stephanie Denzlers. Für die Günzburger CSU haben er und Minister Hans Reichhart sich ein paar Minuten Zeit genommen, bevor sie weiter fahren zur zur zeitgleich stattfindenden Nominierung von Bürgermeister Robert Strobel in Ichenhausen. Wie gut der ehemalige Bayerische Justizminister und der Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt zusammenarbeiten – besonders, wenn es um die Beschaffung von Fördergeldern aus allen möglichen Töpfen geht – ist kein Geheimnis. Sauter und Jauernig betonen das bei jeder Gelegenheit aufs Neue.

    Ex-Justizminister Alfred Sauter bewegt die CSU-Mitglieder mit seiner Rede

    Es ist typisch Sauter’sches Understatement, wenn er sagt: „Ich kann mich über diesen Oberbürgermeister nicht beschweren.“ Sauters Rede ist es vermutlich auch, die noch den Letzten unter den anwesenden CSU-Mitgliedern zu einem Ja bewegt. Dass – abgesehen von zwei ungültigen Stimmen – alle für den Amtsinhaber stimmen, hatten vor Beginn des Treffens in der Linde nicht jeder für selbstverständlich erachtet. Sauer aber stellt sich voll und ganz hinter Jauernig. „Er ist offen, er ist zugänglich, er kann zuhören und er entscheidet. Und: Du kannst Dich darauf verlassen. Das ist für mich das wichtigste.“

    So mancher – das ist nicht nur in CSU-Kreisen immer wieder zu hören – glaubt ohnehin, dass Jauernig eigentlich in der falschen Partei sei, die CSU den erfolgreichen SPD-Kommunalpolitiker am liebsten in den eigenen Reihen hätte. Auch Sauter spielt darauf an, wenn er sagt: „Ich glaube, dass der OB schwärzer ist als ich rot.“ Dass sein Herz nach Jahrzehnten in der SPD nach wie vor links schlägt, hat Jauernig aber mehr als einmal betont. Daran wird auch diese gemeinsame Nominierung nichts ändern. Sie macht aber deutlich, dass es fast 20 Jahre nach dem Amtswechsel zumindest in Günzburg um mehr geht als Parteipolitik. SPD und CSU sehen das auch klar als Erfolgsgeheimnis der boomenden Großen Kreisstadt, die jährlich um hunderte Einwohner wächst.

    Oberbürgermeisterkandidat: Die einstige Rivalin ist die erste Gratulantin

    Rückblickend betrachtet, war der Weg zu diesem Schritt im Laufe der vergangenen 17 Jahre in gewisser Weise vorgezeichnet. Wohin er jetzt führen wird, ist für alle Beteiligten ein Abenteuer. „Ich empfinde diese Nominierung als Auszeichnung und als ehrlichen Auftrag“, sagt Gerhard Jauernig den CSU-Mitgliedern in seiner ausführlichen Kandidatenrede. Man merkt dem Politprofi an, dass ihn diese außergewöhnliche Situation einer Doppelnominierung beileibe nicht kalt lässt. Das 100 Prozent-Ergebnis, das Thomas Ermer wenig später verkünden wird, überrascht und freut ihn sichtlich. Als der Applaus der CSU-Mitglieder aufbraust, ist es Stephanie Denzler, die Jauernig als erste gratuliert. So, wie sie das vor 17 Jahren bereits an jenem Wahlabend im Günzburger Rathaus getan hat. Mit einem wichtigen Unterschied: Diesmal steht der CSU-Politikerin die pure Freude und Erleichterung ins Gesicht geschrieben.

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