
Romantik in Wort und Klang im Kaisersaal im Kloster Wettenhausen

Plus Zwei deutsche Romantiker verbinden sich im Rahmen der Reihe „KuturRaum Kloster“ zu einem Liederzyklus im Kaisersaal in Wettenhausen.
Im Kloster Wettenhausen haben die Gäste jetzt einen besonderen Liederzyklus präsentiert bekommen. Was war er doch für ein waldesrauschseliger, herzensgrundsehnsüchtiger und Blütenschimmer durchwogter Dichter, dieser Joseph Freiherr von Eichendorff. Und was für ein todtrauriger dazu. Eine Welt aus tränenromantischer Naturpoesie erschuf er. Sich selbst? Den liebestrunken Dahinleidenden? Wer weiß! Eine Welt jedenfalls, die uns längst abhanden gekommen ist.
Wie gut, dass es einen Robert Schumann gab, der sich dem Anspruch Eichendorffscher Dichterliebe gewachsen zeigte. Der den lyrischen Wehmuts-, Nachtstimmungs- und Glücksgefühlskomplex der Worte in eine eigenständige, interpretatorische Musiksprache setzte. In eine Sprache, die in den dunkelsten Kern der Seele leuchtet, in die feinsten Schattierungen, in die dämmrigen Nebenwelten, die sich hinter Worten, Klängen und Zwischentönen verborgen halten. Ohne aufgesetzte Tonmalerei, ohne schwülstiges Klanggewebe, alles zu schlichter Klangdisziplin verdichtet, zu pulsierender Innerlichkeit. Musik, die, so versicherte Eichendorff selbst, seinen „Worten erst Leben gegeben“ habe.
Tenor Jonas Salzer und Pianistin Kim Reinhard interpretieren die Gedichte
Zwölf Gedichte Eichendorffs bilden Schumanns „Liederkreis“ op. 39. Geschrieben 1840, seinem „schöpferischsten Liederjahr“, nach gerichtlicher Auseinandersetzung mit dem Vater seiner geliebten Clara, die er kurz danach heiratete. „Ich möchte mich totsingen wie eine Nachtigall“, schrieb er ihr inmitten seines Schaffensrausches an dem Liederzyklus, „und es steht auch viel von Dir darin!“
Tenor Jonas Salzer und Pianistin Kim Reinhard waren die Interpreten der beiden Lichtgestalten deutscher Hochromantik. Die studierte Musikwissenschaftlerin Britta Putzke als Moderatorin erfüllte sich mit der Einführung in das Werk eine „Herzensangelegenheit“, nämlich die einer fundierten, mit unbefangener Lust und intimstem Wissen ausgestattete Exkursion ins Innenleben musikhistorisch-literarischer Zusammenhänge. „In die Musik reinschauen.“ Am Beispiel der berühmten „Mondnacht“.
Liederzyklus wird im zweiten Teil des Abends melancholisch
Mit musikwissenschaftlichem Skalpell die poetische Seele freilegen, die Substanz von Sang und Klang analysieren. „Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst …“. Jonas Salzer, ein metallisch strahlender, traumschön phrasierender Tenor, und die ätherisch leicht über die Tasten huschende, in perfekt allürefreier Zurückhaltung begleitende Pianistin Kim Reinhard assistieren, bevor sie dann beide im zweiten Teil des Abends zum Gang durch den melancholischen Zyklus des gesamten Liederkreises antreten. Zum Sehnsuchtsaufklang „In der Fremde“, dem dramatischen „Waldesgespräch“ mit Loreley, in dem Fall einer Hexe. Widerspiegelt sich im trüben Winterbild der „Stille“ der Gemütszustand des liebesleidenden Schumann?
Durchaus denkbar. „Auf der Burg“ hoch über dem Rhein schläft ein alter Ritter, weiter unten wird mit munteren Musikanten Hochzeit gefeiert. Doch die Braut weint. Warum? Wir werden es nie erfahren! „Die Luft ging durch die Felder“ in besagter „Mondnacht“, meditativ auf der Seele zergehend, im Herzen zerschmelzend.
Wunderschön, die innere Mitte des Zyklus, in lyrischer Einheit ineinander und miteinander verschmolzen, aber technisch nicht ganz einfach. Pianistisch mit Akkordintervallen bestückt, vier Oktaven auseinander gleich die ersten beiden Töne des Vorspiels. Sängerisch liegt ein nicht ganz einfach zu haltendes, traumbild-inniges Piano über dem „sternklaren Himmel“, in den sich beide in schwärmerischem Unisono verlieren.
Publikum im Kaisersaal Wettenhausen hält Corona-Abstandsregeln ein
Der Schluss allerdings mündet, wie auch in der „Frühlingsnacht“, in überschwänglich klangoptimistischer Siegespose: „Sie ist deine, sie ist dein!“ Wieder ein biografischer Hinweis auf Schumanns schwer erkämpfte Glückspille namens Clara? Denkbar. Berechtigt wurde ihr, nach dem Rundgang durch „Wehmut“, „Zwielicht“ und „Im Walde“, als Zugabe eine lyrisch-ehe-einheitliche Gedächtnismarke zugeeignet, ihre aus zärtlichen Tränen gewebte Liedkomposition „Ich stand in dunklen Träumen“.
Mit Bravo durchsetztem Beifallsjubel dankte ein coronahygienisch gestyltes Publikum, das über eineinhalb Stunden dermaßen in atemloser Spannung gehalten war, dass es nicht mal zu einem einzigen Huster reichte.
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