
Süß, aber gefährlich: Hat Senden ein Waschbären-Problem?

Plus Sie wühlen im Müll, verbreiten Krankheiten und vermehren sich drastisch. Obwohl Waschbären putzig aussehen, geht ein Rentner jetzt gegen sie vor.

Das Vogelhaus von Anna und Bruno Bittner blieb diesen Herbst verdächtig leer. Normalerweise kommen schon im September die ersten Vögel in den Garten des Rentnerpaares, um sich für den Winter mit Nahrung einzudecken. Als dann augenscheinlich Tiere nachts den Kompost der beiden durchwühlten, wurden sie neugierig und brachten Wildkameras in ihrem Garten am Ortsrand von Senden an. Auf den Kameras deutlich erkennbar: drei Waschbären, die mitten in der Nacht über einen niedrigen Maschendrahtzaun klettern und im Garten der Bittners ihr Unwesen treiben.
Der Waschbär komme ursprünglich aus Nordamerika, erklärt Anneliese Maisch, die beim Landratsamt Neu-Ulm für das Waffen- und Jagdrecht zuständig ist. Sie kennt sich gut mit den kleinen Bären aus, denn die sind schon vor vielen Jahren über den großen Teich zu uns gekommen: "Vor 75 Jahren wurden einige Waschbären in Nordhessen ausgesetzt", sagt sie. "Andere entkamen aus Pelztierfarmen."
In Senden kommen Waschbären in den Garten und fressen fast alles
Christian Liebsch von der Kreisgruppe Neu-Ulm des Bayerischen Jagdverbands sieht diese Entwicklung mit Sorge. Waschbären seien bei ihrer Wohnungswahl wenig wählerisch, sie scheinen sogar die Zivilisation und Nähe zu Menschen zu mögen. Sie ernähren sich von Essensresten und finden gerne Unterschlupf in Schuppen oder verlassenen Gebäuden. Das Verhalten der Waschbären im Garten der Bittners in Senden stuft er als gewöhnlich ein. Die Tiere verschaffen sich nachts Zutritt, bei den Bittners registrieren die angebrachten Wildkameras frühestens um 23 Uhr untypische Bewegung im Garten. Angelockt werden sie von Lebensmittelresten in den Mülltonnen nah am Haus. Dann ist das Büffet eröffnet, die Tiere holen sich Verwertbares aus den Tonnen und dem Kompost und verteilen den Müll auf der Wiese.

Bei den Bittners ist es noch nicht zu Schäden am Haus oder im Garten gekommen. Sie achteten wegen der nächtlichen Gäste besonders darauf, Lebensmittelreste nicht leicht zugänglich stehen zu lassen. Den Komposthaufen haben sie provisorisch mit Platten zugedeckt. Auf den Aufnahmen der Wildkamera sieht man, dass ein Waschbär immer vorangeht und zwei dann mit etwas Abstand folgen. Aufgrund dieses Verhaltens vermutet Bruno Bittner ein Muttertier mit zwei Jungtieren.
Jäger Christian Liebsch: "Es ist absolut lästig"
Der Waschbär trage seinen Namen, weil er seine Nahrung mit beiden Händen vor dem Körper begutachte und dabei hin und her rolle, erklärt der Neu-Ulmer Jäger Liebsch. Die Geste sehe aus, als würde er seine Hände waschen. Die Tiere sehen mit der charakteristischen schwarzen Brille im Gesichtsfell ja nett aus, seien aber "absolut lästig". Besonders warnt Liebsch davor, was nach so einem nächtlichen Festmahl passiert: Im Waschbärenkot könnten sich Spulwürmer befinden, die besonders für Haustiere und Kinder gefährlich werden können. Anna Bittner hat schon Waschbärenkot in den Gemüsebeeten gefunden. Den entferne sie nur mit großer Vorsicht und Sicherheitskleidung, da sie sich vor Parasiten und Krankheitserregern schützen wolle.
Der zuständige Jagdverband und das Landratsamt Neu-Ulm beobachten die Waschbärenpopulation im Landkreis. Noch sieht Jäger Christian Liebsch kein Problem wie beispielsweise in der Region rund um Kassel, er bemerkt aber eine Verbreitung aus dem Norden Bayerns an Donau und Iller entlang. Besonders in Gebieten mit viel Leerstand werde der Jagdverband in den vergangenen Jahren häufig zum Einsatz gerufen.
Waschbärenpopulation steigt in der Region Neu-Ulm
Der Waschbär ist durch eine EU-Verordnung als invasive Art gelistet und darf dementsprechend ganzjährig und ohne Einschränkung bejagt werden. In Neu-Ulm wurden im Jagdjahr 2017/2018 nur fünf Waschbären erlegt, 2020 waren es schon 30 und 2021 insgesamt 41 Waschbären. Da die Jagd innerhalb von Ortschaften und in privaten Gärten verboten ist, arbeiten die zuständigen Jagdbehörden mit sogenannten Lebendfallen. So könne der ungeliebte Eindringling nachts gefangen, dann am nächsten Tag abgeholt und an einem geeigneten Ort geschossen werden. Außerdem könne man so sicherstellen, dass nicht mal fälschlicherweise eine Katze der Waschbärenjagd zum Opfer falle, sagt Liebsch. Anneliese Maisch vom Landratsamt Neu-Ulm ergänzt, dass man auch für das Aufstellen einer solchen Falle eine Genehmigung der zuständigen Jagdbehörde brauche.
Eine direkte Gefahr für den Menschen gehe von Waschbären nicht aus, sagt Jäger Liebsch. Potenziell gefährlich werden könne es nur, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen oder - wie bei den Bittners - ein Muttertier seine Jungen verteidigt. Das Landratsamt empfiehlt "den Grundstückseigentümern immer, Kontakt mit dem zuständigen Jäger aufzunehmen, um geeignete Maßnahmen abklären zu können". Dem Rat sind die Bittners gefolgt und haben den zuständigen Jäger kontaktiert. So hoffen sie, dass im nächsten Jahr wieder mehr Vögel ihr Vogelhaus ansteuern.
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