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Flaschenmütter erzählen: „Zu tief sitzt der Gedanke, eine Rabenmutter zu sein“

Flaschenmütter erzählen

„Zu tief sitzt der Gedanke, eine Rabenmutter zu sein“

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    Mein Sohn ist inzwischen fünf Monate alt. Von Anfang an hat er die Brust verweigert. Ich vermute, weil er per Kaiserschnitt auf die Welt kam und es relativ lange gedauert hat, bis ich ihn endlich im Arm halten konnte. Seitdem pumpe ich Milch ab, weil mir schon im Krankenhaus immer wieder gesagt wurde, wie wichtig es ist, dass die Kinder in den ersten Monaten Muttermilch bekommen. Wir haben tagelang gekämpft, ich musste das Kind immer und immer wieder unter Aufsicht anlegen, doch der Kleine wurde einfach nicht satt, was mich ziemlich hilflos gemacht hat. Denn eigentlich hatte ich immer irgendwie auf die Natur vertraut. Irgendwann kam eine der Hebammen mit der Milchpumpe ins Zimmer, und von da an war mein Schicksal besiegelt.

    Sogar im Auto auf der Rückbank habe ich schon abgepumpt

    Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, aber anfangs war das ziemlich belastend, denn ehrlich gesagt ist die Assoziation zur Milchkuh nicht fern. Zudem schränkt diese Art der Babyernährung die eigene Freiheit noch mehr ein. Ausflüge, die länger als vier Stunden dauern, sind einfach nicht möglich, außer man ist bereit, im Parkhaus oder in anderen stillen Ecken die Pumpe auszupacken. Zweimal habe ich das bisher gemacht, einmal in München im Auto auf einem Parkplatz, abgeschirmt von meiner Schwester und meinem Mann und einmal im Parkhaus ebenfalls auf der Rückbank. 

    Die andere Seite der Medaille ist, dass ich von Anfang an Freiheiten hatte, die stillende Mütter nicht haben. Ich konnte abends in Ruhe zum Sport gehen, war schon nach sechs Wochen wieder mit einer Freundin im Kino oder sogar einen Abend tanzen, da auch mein Mann das Kind versorgen kann, nachdem ich zwar der "Produzent", aber nicht die einzige "Quelle" bin.

    Ich möchte laut rufen: "Da ist Muttermilch in der Flasche"

    Wenn ich dem Kleinen in der Öffentlichkeit die Flasche gebe, habe ich fast immer das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, warum er die Flasche und nicht die Brust bekommt. Man ist immer versucht laut zu rufen: "Da ist Muttermilch in der Flasche!" Die Leute schauen einen einfach unweigerlich an, aber vielleicht würden sie das auch tun, wenn man im Café oder im Park stillt. In jedem Kurs (Baby-Yoga, Pekip oder in der Rückbildungsgymnastik) kommt dieses "Nicht-Stillen-Können" unweigerlich irgendwann zur Sprache, und man muss immer und immer wieder erklären, was da schiefgelaufen ist, auch wenn man das wie in meinem Fall eigentlich gar nicht so genau weiß, denn es ist nicht so, dass wir es nicht immer wieder auch daheim versucht hätten. Beruhigend ist, dass ich inzwischen einige Mütter kennengelernt habe, die sich entweder bewusst von Anfang an gegen das Stillen entschieden haben oder bei denen es einfach nicht geklappt hat. Das Schöne daran: Allen Kindern geht es gut. 

    Doch die Entscheidung, dem Kleinen nun auch Pulvermilch zu geben und die Abpumperei endlich sein zu lassen, schiebe ich weiter vor mir her. Zu tief sitzt da einfach noch der Gedanke, eine Rabenmutter zu sein. Auch wenn meine eigene Mutter nach langem Rumdrucksen inzwischen zugegeben hat, dass ich ebenfalls nicht gestillt worden bin. (lea)

    Dieser Text ist ein Teil unseres Wochenend-Journal-Schwerpunktes "Kampfzone Mutterbrust" zum Thema Nicht-Stillen. Mehr als 50 Frauen aus der Region haben sich daran beteiligt und ihre Geschichten erzählt. Die weiteren Gesprächsprotokolle finden Sie unter

    Kampfzone Mutterbrust: Harter Streit um die Milch fürs Baby 

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