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Studium: Für sie ist Bier mehr als ein Getränk

Studium

Für sie ist Bier mehr als ein Getränk

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    Susannah hat Grund zum Strahlen: Sie schenkt sich gleich selbst gebrautes Bier aus der Flasche in einen Krug aus ihrer Sammlung ein. Neben ihr ist auch das Fass aus dem Braukasten und zwei ihrer Studienbücher.
    Susannah hat Grund zum Strahlen: Sie schenkt sich gleich selbst gebrautes Bier aus der Flasche in einen Krug aus ihrer Sammlung ein. Neben ihr ist auch das Fass aus dem Braukasten und zwei ihrer Studienbücher. Foto: Lisa Hasenbein

    Während ihre Freundinnen ein Glas Sekt in der Hand halten, fragt Susannah Lindermeier lieber nach einem dunklen Bier. „Ich trinke lieber etwas Gescheites“, lacht die 20-Jährige. Bier ist für die Friedbergerin viel mehr als ein Getränk. Susannah studiert im zweiten Semester Brauwesen und Getränketechnologie an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Der Standort in Freising mit der ältesten Brauerei der Welt ist einer von nur zwei in Deutschland. Pro Jahr gibt es weniger als 200 Studienplätze in dem Fach.

    Wenn die Absolventin des Gymnasiums Friedberg ihren ehemaligen Klassenkameradinnen und -kameraden erzählt, was sie jetzt macht, erntet sie oft erstaunte Blicke. „Viele wissen nicht einmal, dass man das studieren kann“, erzählt Susannah. Sie selbst hat nach dem Abitur zunächst einen Bundesfreiwilligendienst im Krankenhaus absolviert. Durch einen Zeitungsartikel über den traditionsreichen Ort Weihenstephan wurde sie mehr durch Zufall auf den Studiengang aufmerksam. „Das war nie so geplant“, erinnert sich die Studentin, „aber ich wusste plötzlich, das passt zu mir.“ Damit ging es der Friedbergerin wie nur wenigen anderen jungen Frauen in ihrem Alter. Im Schnitt ist jeder vierte Studierende in dem Fach weiblich. Bei Susannah ist davon schon nach zwei Semestern nur noch die Hälfte übrig. Susannah findet das schade. Sie sagt, dass viele gleich nach den ersten Prüfungen aufgeben, weil es schwerer ist als gedacht oder ihnen die Praxis fehlt.

    Sie räumt mit Vorurteilen auf

    Am Anfang des Studiums stehen die naturwissenschaftlichen Hintergründe der Bierherstellung. „Mit Mathematik, Physik und Chemie sollte man da nicht auf Kriegsfuß stehen“, rät Susannah. Außerdem stehen Grundlagen in Wirtschaft, Lebensmittelrecht und technischer Kommunikation auf dem Stundenplan. Auch Einblicke in Maschinenbau und Humanphysiologie erhalten die künftigen Braumeister.

    „In Fächern wie Thermodynamik wird Mädchen schon oft unterstellt dass sie sich schwertun, das ermutigt nicht unbedingt“, bedauert Susannah. Aber die Studentin ist überzeugt: „Dass solche naturwissenschaftlichen Studiengänge für Frauen ungeeignet sind, stimmt ebenso wenig, wie dass Bier ein reines Männergetränk ist. Schließlich war das Bierbrauen schon im Mittelalter vor allem Frauensache“, erinnert Susannah an die Benediktinerin Hildegard von Bingen.

    Ihr erstes selbst gebrautes Bier ist bereits abgefüllt

    Vor allem in den ersten beiden Semestern erscheint das Studium durch die theoretischen Grundlagen trocken. Susannah legt da lieber selbst Hand an. Von Freunden hat die Bierliebhaberin einen Braukasten zum Geburtstag geschenkt bekommen. Susannah vermutet, dass für einen Laien das Ganze wahrscheinlich aussehe, wie ein „Päckchen mit Pulver, das man einfach aufkocht“. Die Studentin weiß es jedoch besser. Sie fängt richtig an, zu strahlen, während sie die Entstehungsgeschichte ihres ersten eigenen Bieres erklärt. Vorgärung, Jungbier, Stammwürze – man merkt schnell, hier spricht eine zukünftige Fachfrau. Nach sechs Wochen präsentiert die Friedbergerin stolz ihren ersten „Teufelsbock“.

    Was Susannah lernt, will sie bis ins Detail verstehen. Bier ist für sie jedoch mehr als ein facettenreiches Studienobjekt: „Gemütlich zusammensitzen, Gemeinschaft, Tradition“. Neben den Terminen des Gärprozesses ihres Bieres finden auch ihre Freunde immer Platz im Kalender der Studentin. Sie ist ihrer Heimat sehr verbunden und pendelt jeden Tag zur Hochschule in Freising. Für die Friedbergerin ist das ganz einfach: „So bin ich da, wo ich mich wohlfühle und tue das, was ich gern tue.“ Absolventen der Brau- und Getränketechnologie sind laut Susannah breit aufgestellt. Ob in der Getränkebranche oder als Wirtschaftler, der nicht nur Zahlen sieht, die Möglichkeiten sind dank des interdisziplinären Studiums vielfältig. Susannah hat sich noch nicht entschieden: „Vielleicht bewerbe ich mich erst einmal als Bierkönigin“, lacht die Friedbergerin. Wichtig ist ihr, „auf jeden Fall beruflich etwas zu machen, wohinter ich stehe“. Bis es soweit ist, verfolgt die Studentin weiterhin ihren Traum einer eigenen kleinen Brauerei mit familiärer Kneipe im Anbau. "Lies mich!

    Seit 2011 bietet die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf den Studiengang Brau- und Getränketechnologie an. Im Unterschied zum Angebot der Technischen Universitäten in Berlin oder München ist hier ein Praxissemester im Studienverlauf integriert. (Die Braustudenten der TU München lernen auch auf einem Campus in Weihenstephan.) Nach dem Bachelor-Abschluss kann man an der Hochschule einen vertiefenden Masterstudiengang absolvieren. Wer sich für die Inhalte und Zugangsvoraussetzungen interessiert, wird im Internet unter hswt.de fündig.

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