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Arthur Schopenhauer: Eine enge Pforte zur Wahrheit

Arthur Schopenhauer

Eine enge Pforte zur Wahrheit

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    Arthur Schopenhauer hätte heute 225. Geburtstag. Google widmet dem Philosophen ein eigenes Doodle.
    Arthur Schopenhauer hätte heute 225. Geburtstag. Google widmet dem Philosophen ein eigenes Doodle. Foto: AZ

    Arthur Schopenhauer. Oder auch: Immer dasselbe mit den Philosophen. Weil es so schwer ist, ihren Gedanken in kurzen Texten gerecht zu werden und diese dabei auch noch verständlich zu halten, wird für Einführungen gerne ausgewichen auf Anekdoten. Schopenhauer zum Beispiel: Die Hunde waren ihm lieber als die Menschen, immer hatte er einen Pudel als Begleiter – und wenn das Tier starb, besorgte sich Schopenhauer einen ähnlich aussehenden neuen Pudel und nannte ihn wieder „Atman“: „Weltenseele“. Sagt das nicht viel aus über den Sonderling und Pessimisten, diesen Brückenbauer zwischen westlicher und östlicher Philosophie? Und doch nicht das Wesentliche. Um nichts weniger muss es uns aber gehen, wenn wir an diesen Philosophen erinnern. Darum der Versuch, es doch zu leisten: Schopenhauer verstehen. Wir haben Fachmann Gerhard Hofweber anlässlich des 150. Todestages von Schopenhauer gebeten, ihn zu erklären.

    Schopenhauers Wirkung beruht auf mehreren Säulen. Zunächst sind sein brillanter Stil, seine Wortmächtigkeit, die Intensität seiner Sprache und auch die Wut zu nennen, die seinem Denken Wucht verleiht. Schopenhauer versucht, schwierige Gedanken in verständlichen Worten darzulegen und dies macht ihn zu einem der lesbaren Philosophen. Für Philosophen, die sich zu abstrakt ausdrücken, hatte er nur Hohn und Spott übrig.

    Eine zweite Säule ist die Wendung seines Blicks nach innen und der Beginn der Erforschung der dunklen Pfade des Willens. Schopenhauer ist Vordenker und Vorläufer der gesamten Psychologie. Er entdeckt die Macht des Willens, die sich der Steuerung durch das Bewusstsein entzieht. Weite Verbreitung fanden posthum schließlich auch seine Lebensweisheiten und Aphorismen. Und nicht zuletzt beruht seine Wirkung auf der begeisterten Aufnahme seiner Philosophie durch Friedrich Nietzsche.

    Ein Gedanke

    Schopenhauer wollte mit seinem Schaffen nur einen einzigen Gedanken zum Ausdruck bringen: die Welt ist Wille und Vorstellung. Schopenhauer verstehen, heißt diesen Grundgedanken verstehen. Alles andere ist die Ableitung aus diesem einen Gedanken. Es ist aber leider die Eigenheit von Grundgedanken, dass sie einfach auszusprechen, aber nur schwer zu begreifen sind.

    Die Welt als Vorstellung

    Für Schopenhauer muss „die wahre Philosophie jedenfalls idealistisch sein“. Damit ist gemeint, dass die Philosophie zum Ausgangspunkt ihres Denkens nicht die Gegenstände unserer Wahrnehmung nimmt, sondern unsere Vorstellungen von diesen. Zwar scheinen die äußeren Objekte auch unabhängig von unseren Vorstellungen zu bestehen – aber tatsächlich ist alles, was für uns Objekt sein kann, immer mit unserem Bewusstsein verbunden. Das heißt: Wir erkennen die Objekte, indem sie in unserem Bewusstsein sind, und nicht wie sie unabhängig von unserem Bewusstsein sind. Alles, was wir erkennen können, ist deshalb unsere Vorstellung (und nicht in einer vermeintlichen Welt irgendwo da draußen). All diesen Vorstellungen ist die Struktur der Kausalität gemeinsam, die besagt, dass nichts ohne Grund ist. Dass wir die Vorstellungen so erkennen, liegt aber nur in unserem Denken und nicht in vermeintlichen Zusammenhängen in den Dingen selbst.

    Schopenhauer: Die Welt als Wille

    Schopenhauer entdeckt nur eines, was nicht Vorstellung und damit nicht in unserem Bewusstsein ist, die „einzige enge Pforte zur Wahrheit“. Diese Pforte liegt in der Selbstbetrachtung. Wenn wir auf uns achten, bemerken wir, dass etwas in uns wirkt, das über die Vorstellungen hinausgeht und selbst nicht mehr vorstellbar ist. Dies ist der Wille. Der Blick nach innen öffnet einen „unterirdischen Gang“ zum Wesen der Dinge. Die Welt erscheint in der Vorstellung – aber sie ist wesentlich Wille.

    Dieser Wille ist eine blind wirkende Naturkraft. Er verwirklicht sich in immer wieder neuen Erscheinungen, die das ausmachen, was wir Welt nennen. Dessen können wir uns bewusst werden, es anfänglich begreifen und anerkennen. Schopenhauer nennt dies das „bessere Bewusstsein“. Erkennen aber können wir das Walten dieses Willens letztlich nicht. Wir würden ihn dann nämlich unweigerlich wieder zu einer Vorstellung machen.

    Der Schleier der Maya

    Für Schopenhauer war die indische Philosophie von enormer Bedeutung. Er war einer der Ersten, der deren Gedanken ins Abendland übertragen hat. Aus den Veden übernimmt er das Bild des Schleiers der Maya. Das wahre Wesen des Willens verhüllt sich in den Vorstellungen. In diesen scheint der Mensch als Individuum hin- und hergerissen zwischen Gut und Böse, Leid und Freude, Schmerz und Langeweile, um schließlich dem Tod unwiderruflich anheimzufallen. Wird aber der Schleier entrissen, so offenbart sich, dass diese Gegensätze nur Gestalten des einen Willens sind. Dieser Wille ist die ewige Gerechtigkeit, der eine und einzige Wille zum Leben. Diesen zu bejahen bedeutet, über die Grenzen von Leben, Tod und Individualität hinauszugehen und alles als ein großes Wirken zu betrachten.

    Philosoph Schopenhauer zwischen den Stühlen

    Schopenhauer hatte bereits zu Lebzeiten das Schicksal, zwischen den Stühlen zu sitzen. Er wurde kaum rezipiert, obwohl er sich sicher war, dass sein Hauptwerk „die Quelle und der Anlass von hundert anderen Büchern“ werde. Er erhielt keine Professur, sondern lebte vom geerbten Vermögen. Aber auch im Blick auf die Philosophiegeschichte steht Arthur Schopenhauer zwischen philosophischen Giganten, die ihn überragen. Kant, der Schopenhauer inspiriert, Hegel, der verhasste und berühmte Rivale, und Nietzsche, der anfangs Schopenhauers Denken aufnimmt, später jedoch kritisiert und weiterentwickelt. Auf diese Weise setzt sich das Schicksal seines Lebens in gemilderter Weise fort.

    Dr. Gerhard Hofweber lehrt Philosophie an der Universität Augsburg und ist Inhaber des Dr.-Hofweber-Instituts für Philosophie und Wirtschaft. Obigen Text verfasste er für uns zum 150. Todestag Arthur Schopenhauers.

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