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Kunst: Ausstellung in München: Klassische Moderne trifft Gegenwart

Kunst

Ausstellung in München: Klassische Moderne trifft Gegenwart

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    Zweimal der Körper im Raum: „Crucifixion“ von Francis Bacon aus dem Jahr 1965 (Öl auf Leinwand, links) sowie „Legend of Lot“ von George Segal (Gips, 1966). Das Bacon-Triptychon gehört der Sammlung Moderne Kunst in der Münchner Pinakothek der Moderne, die Segal-Gruppe der Münchner Sammlung Goetz.
    Zweimal der Körper im Raum: „Crucifixion“ von Francis Bacon aus dem Jahr 1965 (Öl auf Leinwand, links) sowie „Legend of Lot“ von George Segal (Gips, 1966). Das Bacon-Triptychon gehört der Sammlung Moderne Kunst in der Münchner Pinakothek der Moderne, die Segal-Gruppe der Münchner Sammlung Goetz.

    Diese Kombination ist bestechend: Neben Franz Marcs Gemälde „Tirol“ mit seinen kristallinen Bergwelten gleißt der Strahlenkranz des dänisch-israelischen Künstlers Tal R so stark, dass es fast in den Augen schmerzt. Während Franz Marc 1914 wohl das Zersplittern der alten Ordnung durch den Ersten Weltkrieg ahnt, sind es in Tal Rs Collage „Adieu Interessant“ (2005) auseinanderdriftende Alltäglichkeiten wie Zeitungsausschnitte, Mobiliar, Comicfiguren, Krimskrams. Keiner findet sich mehr zurecht in diesem Karussell der Beliebigkeiten.

    Leihgaben aus aller Welt

    Aber passt das nun wirklich zusammen? Tatsächlich haben sich da zwei gefunden – wie so oft in der verblüffenden neuen Ausstellung „Au Rendez-Vous des Amis“ in der Münchner Pinakothek der Moderne. Vor allem die Altvorderen der Klassischen Moderne sind hier im Dialog mit Vertretern der Gegenwartskunst aus der sanierungsbedingt geschlossenen Sammlung Goetz zu erleben. Alles kommt quasi aus einer Stadt, und man hätte dieses Zusammenspiel kaum besser konzipieren können. Weder mit Leihgaben aus aller Welt, noch mit teuren gestalterischen Gimmicks.

    Dass man sich auf die eigenen Bestände konzentriert und einen intensiveren Blick in die umfangreichen Depots wirft, gehört zu den Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie, die das Reisen so schwierig macht, auch für die Kunstwerke. Zumal die internen „Blickwechsel“ der Staatsgemäldesammlungen immer gut funktioniert haben. Etwa 2013, als man sich über die Risse in der Pinakothek der Moderne ärgern musste und in der Neuen Pinakothek erhellende Gegenüberstellungen mit Werken beider Häuser sah.

    Reminiszenzen an den "Blauen Reiter"

    Im Vergleich lernt man, Bilder neu zu sehen. Besonders, wenn sich wie im aktuellen Fall Zeitgenossen mit Picasso, Klee, Kirchner und Nolde auseinandersetzen. Tal R zum Beispiel flirtet mit den Expressionisten und zieht den Hut vor seinen Kollegen. Mehr noch als im eingangs erwähnten Strahlenkranz sieht man das am Siebdruck „we will ride“ (2008) auf Acrylspiegel. Drei bunte Männer hoch zu Ross sind mit ihrem ganzen Zierrat überdeutliche Reminiszenzen an den berühmten Almanach „Der Blaue Reiter“. Dazu muss man nicht einmal Kandinskys 1910 entstandene „Impression 12 (Der Reiter)“ im Blick haben, die direkt daneben hängt.

    Doch es geht auch dezenter, süffisanter. Louise Bourgeois, diese typische Spätzünderin auf dem männlich dominierten Kunstmarkt, antwortet den Brücke-Malern und ihren nackten Modellen mit einem halben Bronzekerl, also mit der fast schmerzhaft überdehnten „arched figure“ (1993), für die ihr langjähriger Assistent und Intimus herhielt. Dahinter muss sich Erich Heckels Mädchenakt auf dem Sofa (1909) verschämt die Arme vors Gesicht halten, um nicht gleich aus dem Bild zu springen. Vieles ist vom Kuratorenduo Oliver Kase (Pinakothek) und Karsten Löckemann (Sammlung Goetz) so raffiniert positioniert, dass sich neben den bewusst hergestellten Bezügen immer auch kleine Randgeschichten ergeben.

    Was ist alt, was ist neu?

    Genauso drängen sich frappierende formale Verkettungen und Fortführungen auf, wenn man die ungemein fragilen, anrührend biomorphen Gipsobjekte der tschechoslowakischen Künstlerin Mária Bartuszová mit Arbeiten von Hans Arp und Constantin Brâncusi und selbst Henry Moore zusammenbringt. Vor lauter Bäumen sieht man nur manchmal den Wald nicht: 200 Werke in 13 Sälen sind eine ganze Menge, die nach einem zweiten, dritten Besuch rufen. Allein mit den Beobachtungen Max Beckmanns und Thomas Schüttes ist man ausführlich beschäftigt.

    Leicht gerät man ins Schleudern, wenn es um die Bestimmung von Alt und Neu geht. Josef Albers’ quadratische Farbflächen aus dem Jahr 1967 sind so gegenwärtig frisch wie Andrea Zittels Rechteck-Kompositionen auf ihrem „A-Z Carpet“ (1995). Allein Max Ernsts titelgebendes „Au Rendez-Vous des Amis“, das Thomas Zipp zum Auftakt der Schau humorvoll zitiert, ist aus der Zeit gefallen. Auch weil sich in dieser Runde berühmter Surrealisten bloß eine einzige Frau befindet, Gala Éluard nämlich, die spätere Frau Salvador Dalís.

    Laufzeit bis 28. März 2021, täglich außer montags geöffnet

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