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Buchkritik: Christopher Paolinis neues Buch: Vom Triumph zum Desaster

Buchkritik

Christopher Paolinis neues Buch: Vom Triumph zum Desaster

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    Mittlerweile Science-Fiction-Autor: Christopher Paolini.
    Mittlerweile Science-Fiction-Autor: Christopher Paolini. Foto: dpa

    Wenn sich der Lebenstraum erfüllt und gleich auch noch die Notwendigkeit des Geldverdienens für immer miterledigt – was fängt man an mit dieser Freiheit? Vor dieser Luxusfrage stand Christopher Paolini schon sehr früh, nachdem die Geschichten um den Drachenreiter Eragon, an denen er im Alter von 15 zu schreiben begonnen hatte, weltweit zu Bestsellern geworden waren. Über 35 Millionen Bücher verkauft: Das sollte, auch wenn deren Hollywood-Verfilmung nach nur einem gefloppten Teil wieder beendet wurde, für ein Menschenleben reichen. Was aber macht der Künstler?

    Die britische Potter-Mutter J.K. Rowling schreibt zum Beispiel Krimis und Drehbücher, die Allgäuer Kluftinger-Schöpfer Michael Kobr und Volker Klüpfel schon zwischendurch mal einen Nostalgie-Roman oder einen Thriller – und der inzwischen 37-jährige US-Amerikaner, nachdem er seine vierbändige Saga zuletzt auch noch mit zwei Bänden über die Drachenreiterheimat Alagaësia erweitert hatte? Ist von seiner vormodernen Fantasy-Welt in die Zukunft und das Weltall aufgebrochen. Ist jetzt also Science-Fiction-Autor. Sein Genre-Debüt heißt „Infinitum“, ist fast 1000 Seiten stark – und wie viel Hoffnung sein Verlag damit auf den nächsten weltweiten Paolini-Knüller setzt, ist allein daran zu sehen, dass etwa an der deutschen Version gleich vier Übersetzer gearbeitet haben, um sie gleichzeitig mit dem Original erscheinen zu lassen. Als konzertiertes globales Event in einem Genre, das nicht nur immer mehr Fans sammelt, sondern angesichts der fortgeschrittenen Computertechniken auch immer bessere Chancen auf bildgewaltige Verfilmungen hat.

    Aber ein Ereignis ist „Infinitum“ nicht. Eher ein Ärgernis. Denn gerade in der an sich uferlosen Sphäre des Fantastischen ist es umso wichtiger, die Zügel erzählerisch und szenisch in Händen zu halten, auf dass nicht alles entgleitet. Bei Paolini aber endet beides im Desaster.

    Mit "Infinitum" reist der Autor Paolini in das Jahr 2257

    Und dabei beginnt es noch ganz ordentlich erzählt und stimmig. Man schreibt das Jahr 2257, die Menschheit ist längst weit in den Weltraum vorgedrungen, dabei aber noch immer auf keine anderen Lebensformen gestoßen, als die junge Wissenschaftlerin Kira bei der Untersuchung eines rätselhaften Relikts unversehens gleich zum Wirt einer fremden Erscheinung wird. Es mag schon sehr an Marvels „Venom“ erinnern, dass diese ihren Körper mit einer schwarzen Schicht überzieht, sie damit zu Übermenschlichem befähigt, aber auch Besitz von ihr zu ergreifen und sie zu einer tödlichen Waffe zu machen droht – die Entwicklungsmöglichkeiten von da aus sind ja vielfältig. Ist es ein Bewusstsein, ein Parasit, eine Nanomaschine, steht Kira in Verbindung zu Außerirdischen?

    Paolini einst als Teenager und Fantasy-Shootingstar.
    Paolini einst als Teenager und Fantasy-Shootingstar. Foto: Lo Hunter, dpa

    Paolini drückt in der Folge einfach alle Knöpfe. Denn das Ganze führt nicht nur zu einer anderen Lebensform, die mal wieder aussieht wie Tintenfische, sondern zu noch einer, deren Exemplare mitunter aussehen wie Horrorkäfer; es werden zudem nicht nur ewige mythische Kräfte in Form eines galaktischen Sensenmanns entfesselt, sondern es bricht schlicht der größte Krieg des Universums aus, bei dem Kira zu einer Art göttlichen Gestaltenwandlerin samt Messias-Pathos wird, der einen monströsen, durchs All schwebenden „Schlund“ aus wütendem Fleisch zu bekämpfen hat. Und so, oh weh.

    Das Ergebnis ist fast unfreiwillig albern, aber doch auch bedauerlich. Weil dem Autor dadurch nicht nur die an Komplexität aufgeblähte Konstruktion um die Ohren fliegt, sondern weil ihm auch die Sprache durch Effekt-Übernutzung ausleiert. Immer neue dramatische Einblicke in Kiras Gemüt; immer neue skurrile Momente im Raumschiff ihrer Zufallsgefährten samt psychotischem Schiffsgehirn (siehe Hal aus „2001“) und einem charmanten Raubein-Schmuggler-Captain (siehe Han Solo in „Star Wars“); immer neue Kampfbeschreibungen … Hoffentlich hat wenigstens Christopher Paolini selbst sehr viel Freude an dieser seiner Schöpfung aus der totalen persönlichen Freiheit heraus.

    Christopher Paolini: Infinitum – Die Ewigkeit der Sterne. Übersetzt von Barbara Häusler, Anke Kreutzer, Eberhard Kreuzer und Katharina Naumann. Knaur, 960 S., 24 ¤ (auch als Hörbuch im Argon-Verlag erschienen, gelesen von Simon Jäger).

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