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Der Klang, der nicht mehr fehlt

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Der Klang, der nicht mehr fehlt

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    Der Klang, der nicht mehr fehlt
    Der Klang, der nicht mehr fehlt Foto: DPA

    Die konzertante Uraufführung seiner Fassung am Samstag im Budapester Palast der Künste, bei der Kocsis die Ungarische Nationalphilharmonie dirigierte, wurde aber vom Publikum begeistert aufgenommen. Es spendete Kocsis und den anderen Mitwirkenden, unter ihnen der deutsche Bariton Wolfgang Schöne als Moses und der amerikanische Tenor Daniel Brenna als Aron, langanhaltenden Applaus.

    Schönberg hatte "Moses und Aron" zwischen 1928 und 1932 komponiert, als er als österreichischer Jude den Aufstieg der Nationalsozialisten an die Macht hautnah zu spüren bekam. In frühen Jahren war er zum Protestantismus konvertiert, hatte sich ganz mit der deutschen Kultur identifiziert, im Ersten Weltkrieg in der österreichischen Armee gekämpft. Die Nazi-Ideologie stigmatisierte ihn nichtsdestotrotz kraft seiner schieren Abstammung. So rückte die Frage des jüdischen Exils, des den Juden verheißenen Landes und des von Moses verkündeten Glaubens an den einen und einzigen Gott in den Mittelpunkt seines Interesses.

    Die Oper dreht sich um den Widerspruch, wie sich das abstrakte Wort Gottes dem aus der ägyptischen Knechtschaft zu führenden jüdischen Volk mit seinen eigenen Nöten und Bedürfnissen vermitteln lässt. Moses steht für den reinen Begriff, den klaren Gedanken, hat aber kein Talent zum Reden. Sein Bruder Aron wird sein Sprachrohr, weicht jedoch vom Gedanken ab, als das Volk während der langen Abwesenheit Moses - dieser wartet auf dem Berg Sinai, um von Gott das Gesetz zu empfangen - unruhig wird. Aron gibt dem Volk das goldene Kalb, ein sträflicher Rückfall in die Götzenanbetung. Moses kehrt zurück, sieht das Chaos und empfindet sich als gescheitert. "Oh Wort, du Wort, das mir fehlt", lässt ihn Schönberg am Ende des zweiten Aktes intonieren.

    Der Komponist hinterließ noch ein Libretto für den dritten Akt und einige musikalische Skizzen. Moses sitzt hier über Aron zu Gericht, lässt ihn aber am Ende laufen, worauf dieser dennoch, von Gott gestraft, tot zusammenbricht. Moses und sein Gedanke triumphieren. In den bisherigen Aufführungen endet die Oper mit dem zweiten Akt oder mit der Verlesung des dritten Aktes. Als Zoltan Kocsis bei den Opernfestspielen im ungarischen Miskolc im vergangenen Sommer die Variante mit der Lesung dirigierte, empfand er dies als höchst irritierend.

    "Es kann nicht sein, dass dieses Werk faktisch mit dem Scheitern von Moses endet", sagte er in einem Fernseh-Interview. Der Vollblut-Musiker, der sich als Pianist Weltruf erwarb, vertiefte sich in seinem Sommerhaus in Zamardi am Plattensee intensiv in die Schöbergsche Methode: die Technik der Reihe, die jeden der zwölf Töne der Skala als gleichberechtigt behandelt und konventionellen Akkorden und Harmonien aus dem Weg geht. "Unglaublich, wie viel ich von Schönberg gelernt habe", vertraute er später der Literaturzeitschrift "Elet es irodalom" (Leben und Literatur) an. "Als ob Schönberg zu mir nach Zamardi gekommen wäre und mir einen Meisterkurs abgehalten hätte."

    So wie Schönberg in seinem Entwurf dem Moses das Wort, das ihm fehlte, wieder zurückgab, so gibt Kocsis ihm auch den Klang zurück. Er komponierte Zwischenspiele hinzu, zitiert und verwendet dabei viel Material aus den beiden ersten Akten. Mit dem ihm eigenen Gespür für Stimmungen und Effekte fand er zu musikalischen Lösungen, die in die musikalische Geistigkeit des Werkes passen. Christian Meyer, der Direktor des Schönberg Centers in Wien, das den Nachlass des Komponisten verwaltet, zeigte sich am Uraufführungsabend angetan: "Die Tonsprache stimmt, das Werk geht schlüssig weiter."

    Szenische Elemente wie Lichtwechsel und Positionierung der Chöre reicherten den Abend zusätzlich an. Zu seinem Gelingen trug ein riesiges Ensemble bei. Wolfgang Schöne intonierte als Moses den schwierigen Schönbergschen Sprechgesang mit größter Präzision und starker Präsenz. Daniel Brenna meisterte trotz einer fiebrigen Erkältung den verführerischen "Schöngesang" des Aron. Kocsis dirigierte die Nationalphilharmonie mit Verve und Temperament. Die Chöre mit rund 120 Sängern - Nationaler Gesangchor, Männerchor der Ungarischen Armee und Chor der Budapester Gesangsschule - bewältigten eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe mit großer Souveränität.

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