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Freilichtbühne Augsburg: Hereinspaziert, Signor Verdi!

Freilichtbühne Augsburg

Hereinspaziert, Signor Verdi!

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    Kerstin Descher spielt und singt die Zigeunerin Azucena in der Verdi-Oper "Il Trovatore".
    Kerstin Descher spielt und singt die Zigeunerin Azucena in der Verdi-Oper "Il Trovatore". Foto: Nik Schölzel Theater Augsburg

    Verdis „Il trovatore“ ist in doppelter Hinsicht eine dunkle Oper. In der Tradition nächtlicher Degen- und Mantel-Stücke stehend, offeriert sie eine verworrene und unwahrscheinliche Handlung. Geradezu mutwillig packte der Komponist den Plot an, indem er die Auffassung äußerte, ein Stoff sei umso besser, je bizarrer sein Libretto sei.

    Nun hält allerdings die Operngeschichte manch unplausible, krude Story parat. Doch der „Troubadour“ hat durchaus Chancen auf einen Spitzenplatz. Was auch soll man allein von seiner Vorgeschichte halten, in der eine Zigeunerin das „falsche“ Kind ins Feuer wirft, nämlich das eigene?

    Entsprechend groß sind mittlerweile die Skrupel an den Opernhäusern, gerade diesen Verdi zu spielen – wenn es doch auch noch andere gibt. Eines jedenfalls geht kaum mehr, hier noch weniger als bei anderen Stücken: Das Werk einfach nur 1:1, das heißt ungebrochen, nacherzählen.

    Was also ist zu tun, wenn ein Theater dennoch den „Troubadour“ auserkoren hat? Auf der Augsburger Freilichtbühne werden heuer unter diesem „Salto Mortale“ gleichsam zwei Sicherheitsnetze eingezogen. Das erste verlegt die Handlung in eine Zirkus-Gesellschaft, das zweite ist ein Clown als Spielleiter, der mal sachliche, mal augenzwinkernde Erläuterungen zum absonderlich-kühnen Geschehen gibt. Soll beides zusammen heißen: Man muss das alles nicht so bierernst nehmen; der Zirkus lebt auch von der Kolportage, ja, von der Schmiere.

    Tiere, Toreros und ein Todesengel

    Und so mischen sich denn farbenfroh und gut aufgelegt im angepeilten zeitlichen Rahmen erstes Drittel 20. Jahrhundert: Athleten und Zigeunerinnen, Nonnen und Akrobaten, Tiere und Toreros, Ritter und Soldaten, Husaren und ein Todesengel (Bühne und Kostüme: Okarina Peter und Timo Dentler). Sie alle werkeln mit an einem Rührstück von unterhaltsamer Grundanlage. Selbst in dramatischen Momenten wird jongliert.

    Die Frage, ob dieses Konzept, das die Ironie nutzt, aber vor dem letzten Schritt, nämlich der durchgängigen Parodie, wie ein Pferd im Zirkuszelt scheut, diese Frage stellt sich alsbald. Die nüchterne Antwort lautet: Man kann es so machen, aber wirklich stichhaltig ist das nicht. Zumal dafür auch ein Preis zu zahlen ist. Mit diesem Preis ist an dieser Stelle nicht gemeint, dass es die Konstellation tödliche Eifersuchts-Dreieck-Geschichte im Schaustellermilieu prinzipiell bereits gibt (Leoncavallos „Bajazzo“), sondern mit diesem Preis ist gemeint, dass das düstere Schicksal, die Archaik, die Schauerromantik Verdis allzu sehr dem Operetten-Genre ausgeliefert wird. Das ist, bei aller guten Absicht von Regisseurin Valentina Simeonova, zwar abwechslungsreich, aber problematisch. Verdi war eben doch weit mehr als solch ein Leierkasten-Musiker, wie er von dem einen oder anderen seiner Zeitgenossen gesehen worden war.

    Gleichzeitig steht fest: Das Philharmonische Orchester unter Kevin John Edusei ist weit mehr als eine Zirkus-Band. Gerade in den tragischen Schlüsselszenen um die Zigeunerin Azucena entwickelte es zur Premiere – erstaunlicherweise entgegengesetzt zu Eduseis Dirigier-Eleganz – enorme orchestrale Schlagkraft. Die drei verschiedenen Stimmungen von Orchester, Chor und Glocke („Miserere“) müssen allerdings noch bereinigt werden.

    Zum guten Schluss: Vier Protagonisten lohnen den Freilichtbühnen-Besuch 2011. Erstens Kerstin Descher. Die Azucena ist ihre Rolle. In sie kann sie Glut und Stimm-Kultur legen. Zweitens Ji-Woon Kim als Manrico, der tenoral stark aufblüht. Drittens Sally du Randt mit schönen Legati/Spitzentönen als Leonora. Viertens Seung-Gi Jung, der die Bösartigkeit des Grafen von Luna nach der Pause wirkungsvoll ausspielt. Thomas Kornack als erzählender „Weißclown“ musste inszenierungsbedingt ein wenig schlingern zwischen Possenreißen, Mitleiden, Referieren und Distanzieren.

    Weitere Aufführungen: 5., 9., 13., 15., 17., 19., 22., 24., 26., 28. und 30. Juli

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