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Gefangen im kolossalen Apparat

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Gefangen im kolossalen Apparat

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    Hauptakteur der Münchner „Elektra“ ist die Maschine.
    Hauptakteur der Münchner „Elektra“ ist die Maschine. Foto: Thomas Aurin

    Kolossal steht der Hauptakteur des Abends auf der Bühne. Ein Ungetüm, wie man es nicht oft zu sehen bekommt. Das griechische Mykene, dieser antike Ort, an den die Theater dieser Welt immer und immer wieder wegen dieser Blutrachegeschichte zurückkehren, ist ein bühnenhoher Zylinder aus neun Tonnen Stahl. Dort wird im Münchner Residenztheater Elektras Schicksal buchstäblich aufgerollt. In der Ulrich-Rasche-Inszenierung darf Elektra nicht stillstehen. Mitten im Zylinder befindet sich die Bühne, ein schräg in den Raum gestelltes, ausfahrbares Rund, das sich die ganzen zwei Inszenierungsstunden über dreht. Sie, Elektra, die auf Rache Sinnende, ist eine Gefangene. Oh ja! Das sieht man sofort, wenn dieser Käfig das erste Mal aufklappt. Und man ahnt auch gleich beim ersten Bild, dass diese Frau mit diesem Riesenapparat nicht fertig wird.

    Ein zweites Mal nun inszeniert Ulrich Rasche nach seiner Fassung von Schillers „Die Räuber“ am Münchner Residenztheater. Dieser Schiller war unerhört. Auf zwei riesigen Laufbändern ging es vier Stunden lang hinauf und hinab in Schillers Texthöhen und -tiefen, brachte Rasche vor allem in den langen chorischen Passagen den Text zum Glühen. Dort gelang Rasche dieser Balanceakt, hier Überwältigungsbilder und dort die Brechung, hier die Urgewalt eines vielstimmigen Chors und dort der Einzelne, der plötzlich aufleuchtet.

    Klar entfaltet der gigantische Elektra-Apparat auf der Bühne, gepaart mit den suggestiven Live-Klängen, Wucht und Dynamik. Und es beeindruckt, wie Katja Bürkle als Elektra diese urweltliche Rachelandschaft erkundet – kühl, kalt und kompromisslos, eine Gefangene des Fluchs, der über der Familie liegt. Nur verfliegt diese anfängliche Wucht, je länger die Scheibe rotiert. Das Stück – fokussiert auf die drei Frauenfiguren Elektra, ihre Schwester Chrysothemis (Lilith Hässle) und ihre Mutter Klytämnestra (Juliane Köhler) – wird auf diesem typischen klar-gepressten Rasche-Ton zerrieben. Eine flüchtige Berührung zwischen Schwester und Schwester, näher kommen sich die von den Göttern Verfluchten oben auf der Bühne nicht.

    Was jeder schon zu Beginn erahnt, als der Koloss das erste Mal sichtbar wird, entpuppt sich im Verlauf als wahr: Gegen den Schicksalsapparat auf der Bühne hat keiner eine Chance, der Apparat hat von Anfang an gewonnen. Im Grund sieht das Publikum keine Inszenierung von Hugo von Hofmannsthals „Elektra“, sondern eine Bühnen-Installation dazu, die vor allem durch die Musik versucht, Spannung aufzubauen. Die zwei Spiel-Stunden fühlen sich am Ende länger an.

    am 3., 4., 30. und 31. März im Residenztheater.

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