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Immobilienboom: Wenn Ateliers für Künstler unbezahlbar werden

Immobilienboom

Wenn Ateliers für Künstler unbezahlbar werden

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    Nicht nur für die Münchner Künstlerin Gabi Blum ist es schwierig, in der Landeshauptstadt bezahlbaren Atelierraum zu finden.
    Nicht nur für die Münchner Künstlerin Gabi Blum ist es schwierig, in der Landeshauptstadt bezahlbaren Atelierraum zu finden. Foto: Gabi Blum

    München Es ist ein ständiger räumlicher Verdrängungsprozess , in dem sich auch Künstler in München befinden. Die meisten von ihnen leben finanziell in prekären Bedingungen und sind von dem Immobilienboom in der Landeshauptstadt gleich doppelt betroffen: Sie brauchen eine Wohnung und gleichzeitig noch ein Atelier. Also sind die Künstler diejenigen, die immer auf der Suche nach günstigem Raum sind und in die weniger populären Stadtteile ausweichen, weil die Preise dort noch zu bezahlen sind. Nur: Wenn sie es geschafft haben, einem Stadtteil plötzlich das Etikett „chic“ und „in“ anzuhängen, werden sie langsam aber sicher verdrängt, weil die Wohlhabenderen nachkommen und höhere Mieten bezahlen können.

    Eine, die sich mit der Situation Bildender Künstler in der Landeshauptstadt intensiv beschäftigt hat, ist Gabi Blum , 40 Jahre alt, Mutter von einem Kind. 2014 hat sie ihr spät begonnenes Studium an der Akademie Bildender Künstler in München beendet. Sie gehört zu den Künstlern, die danach der Landeshauptstadt treu geblieben sind, auch wenn das rein finanziell immer schwieriger wird – für einen durchschnittlich verdienenden Künstler. „Die Lage ist katastrophal“, sagt Blum .

    Die Zahlen, die sie zu dem Thema recherchiert hat, untermauern das drastisch. Das Durchschnittsmonatsgehalt eines Künstlers beträgt laut Künstler Sozialkasse ( KSK ) für 2019 rund 1600 Euro brutto, abzüglich den Beiträgen für die KSK bleiben Künstlern (unter ihnen auch Musiker, Schriftsteller und Darsteller) etwa 1190 Euro netto übrig. Ungefähr diesen Betrag haben die 4100 freiberuflichen bei der KSK gemeldeten Künstler in München monatlich zur Verfügung. Nur zur Veranschaulichung, wie wenig Geld das ist: Das Armutsrisiko wird in München im Jahr 2017 mit 1350 Euro netto angegeben, und das Münchner Durchschnittseinkommen, mit dem auf dem heiß gelaufenen Mietmarkt konkurriert werden muss, liegt bei 4169 Euro (brutto).

    Viele Künstler ziehen aus München weg

    Was bedeutet das? Künstler in der Landeshauptstadt (und auch anderswo) leben im Durchschnitt unter prekären Bedingungen. Einige wenige verdienen gut bis sehr gut von Verkäufen oder festen Anstellungen an Akademien; die meisten müssen schauen, dass sie mit dem wenigen Geld über die Runden kommen. „Im Grunde ist München nicht mehr bezahlbar“, sagt Blum . Denn von dem Geld müssen ja nicht nur der Lebensunterhalt und die Miete für eine Unterkunft, sondern auch noch das Atelier und das Material bezahlt werden. „Deshalb ziehen viele Künstler weg“, sagt Blum , viele von ihnen Richtung Berlin , wie jüngst Bildhauerfreunde von ihr, die in Berlin ein Atelier für drei bis vier Euro den Quadratmeter gefunden haben.

    Die billigsten Atelierräume in München , meistens städtisch gefördert und über die Stadt verteilt, beginnen bei fünf bis sechs Euro, elf Euro warm sind noch günstig. Für die 4100 bei der KSK gemeldeten Künstler, zu denen nach Schätzungen noch einmal 3400 hinzukommen, die nicht bei der KSK versichert sind, für rund 7500 Künstler insgesamt also gibt es gut 600 zählbare Ateliers in Atelierhäusern in München , wie Blum jüngst bei einer Veranstaltung im Münchner Kommunalwahlkampf ausgeführt hat. Anfang Februar haben sich die drei aussichtsreichsten Münchner Oberbürgermeisterkandidaten, Kristina Frank , Katrin Habenschaden und Dieter Reiter , in einer Diskussion vor rund 600 Zuhörern den Fragen der Exist-Bewegung gestellt, die sich in München formiert, um dort Raum für Kunst zu schaffen. Das Thema ist in München längst im Kommunalwahlkampf angekommen.

    Die Forderung der Künstler ist unmissverständlich: Von den 220 Millionen Euro, die die Stadt München jährlich insgesamt für den Bereich Kultur ausgibt, werden ein Prozent, also 2,2 Millionen Euro für die Förderung freier Künstler ausgegeben – zum Beispiel in Form von Atelierstipendien. Blum selbst ermöglichte ein solches Stipendium sowie ein gefördertes Atelier bei geringem eigenen Einkommen, dass sie die zurückliegenden Jahre sorgenfrei arbeiten konnte. Aber: Die Förderungen laufen aus. Und kommunal geförderten Atelierraum können Künstler in der Landeshauptstadt nur auf Zeit beziehen. „Ich weiß nicht, wo ich in einem Jahr stehe.“

    In Augsburg ist die Situation besser

    Blickt man weg von der Landeshauptstadt , steigt zwar nicht das durchschnittliche Einkommen der Künstler, aber die Situation mit den Ateliers verbessert sich, zum Beispiel in Augsburg . „Bei uns gehen kaum Anfragen und Meldungen ein, dass Künstler keine Ateliers finden“, sagt Norbert Kiening , der Vorsitzende des Berufsverbands Bildender Künstler Schwaben Nord und Augsburg .

    In Augsburg gibt es mehrere kommunal geförderte Atelier-Projekte wie den Kulturpark West (bis Mitte 2020) und jetzt neu auf dem Gaswerk-Areal, dazu private Initiativen. Anders als in München bietet die Stadt Augsburg ihre Ateliers den Künstlern unbefristet an. „Es gibt eine kurze Warteliste“, sagt Barbara Friedrichs , die bei der Stadt Augsburg für diese Flächen zuständig ist.

    In München allerdings sind die teuren Ateliermieten und die hohen Lebenshaltungskosten ein immer größeres Problem. „Die Ateliermieten steigen, weil sie sich auch am Mietspiegel der Stadt orientieren“, sagt Maresa Bucher , die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für den BBK-München macht. „Sehr viele gehen nach Berlin , weil es dort günstiger ist“, sagt sie. Oder es kommt schlimmer. „Viele Künstler hören auf“, erklärt Blum . Und dann richtet sie einen leidenschaftlichen Appell an die Gesellschaft, für die Kunst ja fest zum Leben dazugehören sollte. „Kunst muss frei sein, und Kunst kann nicht nur über den Kunstmarkt finanziert werden. Es braucht mehr staatliche Förderung für die Kunst und vor allem für die Künstler.“ Nur von Idealismus würden Künstler nicht leben können.

    Das verbirgt sich hinter #EXIST

    Unter diesem Hashtag positionieren sich Kunst- und Kulturschaffende zur existenziellen Knappheit von erschwinglichen Atelier-, Probe- und Kunsträumen in München. Sie fordern Politik und Gesellschaft auf, die Entwicklung des kulturellen Lebens nachhaltig in die Stadtplanung mit einzubeziehen. #EXIST – Raum für Kunst in München ist eine Initiative des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler München und Oberbayern e.V. in Vertretung der Münchner Künstlerschaft mit vielen anderen Künstlerinitiativen und ist auf Spenden angewiesen. Mehr Informationen finden sich auf der Internet-Seite von Exist .

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