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E-Mobilität: Diese Probleme gibt's mit den Elektro-Kleinstfahrzeugen

E-Mobilität

Diese Probleme gibt's mit den Elektro-Kleinstfahrzeugen

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    Das Hoverboard.
    Das Hoverboard. Foto: Swen Pförtner, dpa

    Die Zukunft fühlt sich erst einmal ein bisschen wackelig an. Aber auch ziemlich wendig. Zehenspitzen runterdrücken: fahren. Hacken nach unten: stop. Hüfte nach rechts oder links drehen: nach rechts oder links fahren. Fürs Gleichgewicht muss erst mal noch eine Schulter herhalten. Ganz normal für einen Anfänger auf einem Hoverboard oder einem Elektro-Einrad. Ebenso der Gedanke an „Zurück in die Zukunft II“. Jene berühmte Szene, in der Marty McFly mit sich selbstschnürenden Turnschuhen auf ein Hoverboard springt und mit dem Brett geräuschlos davonschwebt. So einfach wie genial stellten sich jedenfalls die Drehbuchautoren 1989 die Mobilität der Zukunft im Amerika des Jahres 2015 vor. Wie schwierig es moderne Kleinstfahrzeuge im Jahr 2018 in Deutschland haben sollen, dass hierzulande die Bürokratie einen Boom stoppt, darauf wären sie damals wohl nicht im Traum gekommen. Und vermutlich auch nicht, dass darüber ein Streit entbrennt.

    In den USA, in China und in vielen europäischen Städten fahren sie schon

    Hoverboards gibt es inzwischen in jedem größeren Spielzeuggeschäft. Sie fliegen zwar nicht wie im Film, aber durch den geräuschlosen Elektroantrieb vermittelt die zweispurigen Gefährte schon ein wenig Schwebegefühl. Zu ihrer Elektro-Familie gehören auch Einräder (OneWheels), Zweiräder wie Tretroller (E-Kickscooter) und Mini-Segways oder Vierräder wie Skateboards. Diese Elektrokleinstfahrzeuge (Personal Light Electric Vehicle, kurz: PLEV) können bis zu 45 Stundenkilometer schnell fahren und sind der weltweite Fortbewegungstrend schlechthin. US-amerikanische Städte, chinesische Metropolen und auch zahlreiche Orte in Europa haben sie in den vergangenen Jahren schon erobert – nicht immer problemlos, schließlich haben die PLEVs mitunter das Tempo auf Gehwegen und die Fahrzeugdichte auf Radwegen verändert.

    Das OneWheel.
    Das OneWheel. Foto: Ninebot by Segway

    In Deutschland gelten sie als Kraftfahrzeuge - und das macht‘s kompliziert

    Mancherorts wurden die Fahrer dieser Vehikel als Fußgänger auf Rädern eingestuft, anderenorts als Fahrradfahrer. In Deutschland gelten PLEVs durch den Elektromotor als Kraftfahrzeuge und sind, wenn sie schneller als Schrittgeschwindigkeit fahren können, auf Straße, Rad- und Gehweg verboten. Für sie gilt auch nicht die private Haftpflichtversicherung. Dennoch werden PLEVs gekauft, verschenkt und auch im öffentlichen Raum gefahren. Die Folge: Die Polizei zieht solche Gefährte aus dem Verkehr. Die Fahrer bekommen Strafanzeigen wegen Fahrens ohne Versicherungsschutz. Und manch Vater oder Mutter wird angezeigt, weil sie ihren Kindern das Fahren mit zu schnellen PLEVs ermöglicht haben. Denn nur auf Tempo 6 km/h gedrosselte Elektrokleinstfahrzeuge sind auf Gehwegen erlaubt.

    Der E-Kickscooter.
    Der E-Kickscooter. Foto: Ninebot by Segway

    „Viele Eltern wissen das alles nicht, wenn sie ihren Kindern diese Geräte kaufen“, sagt Renate Gielnik vom Ninebot-Center in Augsburg. Wenn sie in Beratungsgesprächen auf die Gesetzeslage hinweist und darauf, dass die PLEVs im Moment nur auf Privatgrund gefahren werden dürfen, sieht sie häufig erstaunte Gesichter. Viele überlegen es sich dann lieber noch mal, ob sie ihrem Nachwuchs so ein Gefährt kaufen. Bisher also kein Boom wie in Frankreich oder in den USA.

    Das Bundesverkehrsministerium arbeitet seit 2016 an einer Lösung

    Die Branche wartet nun sehnlichst auf die „Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr“, die der Bundesrat seit 2016 von der Bundesregierung fordert und vom Bundesverkehrsministerium gerade ausgearbeitet wird. Im September hieß es dort noch, die Elektrokleinstfahrzeuge sollten zukünftig wie Fahrräder behandelt werden - „mit der Maßgabe besonderer Vorschriften“.

    Die Ernüchterung für viele PLEV-Freunde kam dann im Oktober, als ein Entwurf dieser Verordnung veröffentlich wurde. Das Papier behandelt nur Gefährte mit Lenk- oder Haltestange wie Tretroller – Hoverboards, Skateboards und Einräder fallen raus. Zudem geht es nur um Elektrokleinstfahrzeuge, die zwischen 12 und 20 Stundenkilometer schnell sind. Und der Entwurf sieht vor, dass die PLEVS nur mit Versicherungsplakette und entsprechendem Führerschein auf Radwegen oder der Straße gefahren werden dürfen. Eltern und Kindern mit ihren Hoverboards ist damit also nicht geholfen.

    „Damit macht man eine ganze Branche tot“

    Der Mini-Segway.
    Der Mini-Segway. Foto: Ninebot by Segway

    Der Entwurf erntete Kritik aus Politik und Wirtschaft. „Damit macht man eine ganze Branche tot“, meint der Präsident des Bundesverbands eMobilität, Kurt Sigl, über den Verordnungsentwurf und die darin behandelten unverhältnismäßigen Vorschriften. Auch der TÜV-Verband fordert Augenmaß bei der Regulierung. Mit einem Versicherungsschild etwa würden E-Tretroller Kraftfahrzeuge sein und dürften nicht mehr in Bus und Bahn transportiert werden. Das widerspräche dem Mobilitätsgedanken von E-Scootern, die gerade für die letzte Meile zwischen Haltestelle und Zuhause attraktiv sind.

    „Ein von Ängstlichkeit geprägter Entwurf“

    Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wittert hinter diesem „restriktiven Verordnungsentwurf“, dass Elektrokleinstfahrzeuge blockiert werden sollen und ein alternatives Verkehrsmittel für die Nahmobilität ausgebremst werde. Bundestagsabgeordneter Matthias Gastel (Wahlkreis Nürtingen/Filder) hakte sofort in einer Anfrage an den Bundestag nach, weshalb beispielsweise Hoverboards, Einräder und Skateboards aus der Verordnung rausfallen. „Ich finde es äußerst schade, dass die Große Koalition einen von Ängstlichkeit geprägten Entwurf vorlegt. Die Bundesregierung verkennt damit die Chancen, die sich für die Vermeidung von Autokurzstreckenfahren ergeben“, sagt er auf Anfrage unserer Zeitung und ergänzt: „Schon heute steht Fußgängern und Radfahrenden häufig zu wenig Platz zur Verfügung. Nun kommen die Elektrokleinstfahrzeuge hinzu. Dies alles macht deutlich, dass wir vielerorts den knappen Verkehrsraum neu aufteilen müssen.“ Der Entwurf blockiere die Innovation in dem Bereich eMobilität, von der sich Stadtplaner weniger Staus und sauberere Luft versprechen. Inzwischen läuft auch eine Petition, in der gefordert wird, dass der Bundestag PLEVs wie Elektrofahrräder einstuft.

    Ein Senior auf dem Einrad, Pendler auf dem Tretroller

    Während sie auf Neuigkeiten aus Berlin wartet und PLEV-Neulingen zum Üben ihre Schulter anbietet, erzählt Renate Gielnik gerne eErfolgsgeschichten. Von Pendlern, die am Stadtrand parken und auf dem E-Kickscooter weiterrollen. Von einem Arzt im Ruhestand, der sich ein Einrad gekauft hat und ihr von seinen Erfolgen Videos schickt. Von einem Mann, der dank eines PLEVs nun seine Familie auf Städtetrips begleiten kann – zuvor war das für ihn zu anstrengend gewesen. Renate Gielnik hofft, dass bald in Deutschland die eZukunft beginnt und sie legal auf ihr Einrad steigen darf.

    „Lasst uns noch ein paar Wochen Zeit“

    Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat jüngst in einem Bürgertalk signalisiert, dass die Verordnung noch nicht fix ist und derzeit mit den Ländern diskutiert werde. „Lasst uns noch ein paar Wochen Zeit“, sagt er und verbildlichte das Problem so: Rentner fährt mit Tempo 30 und Helm auf Mofa und wird von einem Elektroskateboard „ohne Helm, ohne Zulassung, ohne gar nichts“ mit Tempo 45 überholt. Spätestens Anfang 2019 will Scheuer eine Lösung dafür haben – dann soll die PLEV-Verordnung in Kraft treten.

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