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Porträt: Klaus Gietinger: Ein Mann mit Hut und Hass aufs Auto

Porträt

Klaus Gietinger: Ein Mann mit Hut und Hass aufs Auto

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    Klaus Gietinger ist seiner Heimat Lindenberg noch immer verbunden.
    Klaus Gietinger ist seiner Heimat Lindenberg noch immer verbunden. Foto: Oliver Kühne

    Einen sogenannten Kultfilm zu drehen, das schaffen nur wenige Regisseure. Klaus Gietinger ist dies gelungen. Zusammen mit seinem Freund Leo Hiemer schrieb er Anfang der 80er Jahre das Drehbuch zum Film „Daheim sterben die Leut“ und realisierte ihn dann mit einem Häuflein Gleichgesinnter im Westallgäu, genauer gesagt rund um seine Heimatstadt Lindenberg. Als er 1985 in die Kinos kam, schlug er ein wie die sprichwörtliche Bombe. Gietinger und seine Mitstreiter bewiesen: Heimatfilm geht auch anders. Provinzkino muss nicht heile Komödienstadl-Welt bedeuten, sondern kann durchaus kritisch-ironisch das Landleben beleuchten.

    Studierter Sozialwissenschaftler: Klaus Gietinger drehte mehrere Tatort-Krimis

    Den kritischen Blick auf Geschichte, Gesellschaft und Politik hat sich der studierte Sozialwissenschaftler Klaus Gietinger bewahrt. Nach dem Erfolg von „Daheim sterben die Leut“ verließ er aber bald das Allgäu und zog dorthin, wo bessere Bedingungen herrschten für leidenschaftliche Filmemacher wie ihn. In Frankfurt schrieb und drehte er Kino- und Fernsehfilme, darunter etliche Tatort-Krimis, sowie Beiträge zur legendären ZDF-Kinderserie „Löwenzahn“.

    Inzwischen spielt das Filmemachen eine kleinere Rolle. Gietinger ist zum Buchautor geworden. Von einem dezidiert linken Standpunkt aus schreibt er Sachbücher, etwa über die Ermordung Rosa Luxemburgs oder den Kapp-Putsch 1920. Die Anfänge der Weimarer Republik interessieren ihn, weil er wissen möchte, ob die Geschichte hätte auch anders verlaufen und Hitler verhindert werden können. Dazwischen attackiert der Eisenbahn-Liebhaber mit Leidenschaft das Auto: Gietinger hält es für eine Massenvernichtungswaffe und den Klimakiller Nummer eins. Er selbst besitzt kein Auto, fährt mit Rad und Zug. Auch der literarischen Fiktion widmet er sich ab und an: 2014 schrieb er einen tragikomischen Heimatroman über einen gescheiterten Allgäuer Fußballspieler, 2018 einen biografischen Roman über Karl Marx, der gerade ins Chinesische übersetzt wurde.

    Klaus Gietinger: Seine Hüte erinnern an seine Heimat

    Nach der Zwischenstation Berlin lebt Gietinger nun in Saarbrücken. Regelmäßig kommt er ins Allgäu, und zwar gern, wie er betont. „Hier sind meine Wurzeln und ich bin ein absoluter Fan dieser Landschaft.“ Mit seiner Heimatstadt Lindenberg, wo einst im großen Stil Hüte produziert wurden, ist er auf besondere Weise eng verbunden: Sobald Gietinger aus dem Haus geht, setzt er einen Hut auf. Er ist zu seinem Markenzeichen geworden.

    Mit Leo Hiemer brütet er bisweilen über neuen Filmprojekten. Den beiden schwebt, als eine Art Fortsetzung von „Daheim sterben die Leut“, wieder ein kritischer Heimatfilm vor. Gietinger will sich weiterhin dem Schreiben widmen. Auch der 65. Geburtstag, den er an diesem Freitag feiert, ändert daran nichts. „In Ruhestand werde ich jedenfalls nicht gehen“, versichert er.

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