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Kommentar: Veranstalter verzweifeln an der deutschen Kleinstaaterei

Kommentar

Veranstalter verzweifeln an der deutschen Kleinstaaterei

Richard Mayr
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    Der deutsche Sänger Peter Maffay hat seine Tournee abgesagt.
    Der deutsche Sänger Peter Maffay hat seine Tournee abgesagt. Foto: Robert Michael, dpa

    Die Hoffnung war riesig, dass mit den Impfungen gegen das Coronavirus alles anders wird, dass das Kulturleben wieder anlaufen kann, die Normalität zurückkehrt und der Corona-Alltag ein Fall für die Geschichtsbücher wird. Aber davon ist Deutschland noch ein gutes Stück entfernt. Die Theater spielen zwar wieder, die Kulturakteurinnen und -akteure vor Ort sind auch wieder zu sehen und bekommen ihre Auftritte, aber das landesweite Veranstaltungsgeschäft kommt nicht richtig in Gang. Erst jüngst haben fast gleichzeitig Die Ärzte, Peter Maffay und Nena ihre geplanten Tourneen abgesagt: Einer der Gründe dafür waren die unterschiedlichen Corona-Regeln in den Bundesländern.

    Auch anderthalb Jahre nach Ausbruch der Pandemie wird die Ausbreitung des Coronavirus’, das sich im ganzen Land auf dieselbe Weise vermehrt, regional mit unterschiedlichen Regelungen eingedämmt. Dies verkompliziert das Geschäft von Veranstalterinnen und Veranstaltern, die deutschlandweit tätig sind, ungemein, sodass sie lieber absagen, als sich ständig auf neue Hygienekonzepte einzustellen.

    In Deutschland muss das Rad nicht einmal, sondern 16-mal erfunden werden

    Der Föderalismus – die Teilung der Regierungsmacht zwischen Bund, Bundesländern und Kommunen – zeigt sich dabei von seiner abschreckenden Seite. Auch wenn das Coronavirus eine weltweite Pandemie ausgelöst hat, ist Deutschland weit entfernt davon, einheitlich dagegen vorzugehen. Da scheint das historische Erbe der Kleinstaaterei durch, die Deutschland ja über viele Jahrhunderte hinweg in seiner Entwicklung gelähmt hat – nicht nur als politische Macht im Zentrum Europas, sondern auch im wirtschaftlichen Wachstum, weil es viel zu viele Grenzen gab.

    Man mag sich gar nicht vorstellen, dass in Deutschland in 16 Gesundheitsministerien fieberhaft daran gearbeitet wird, die besten Maßnahmen gegen die Pandemie zu finden – als ob das Rad in Deutschland nicht einmal, sondern gleich 16-mal erfunden werden muss. Die staatlichen und politischen Organe prassen in diesem Fall mit Ressourcen und schaffen gleichzeitig einen Flickenteppich von Corona-Vorschriften, an dem Bürgerinnen und Bürger wiederum zweifeln und auch verzweifeln.

    Am Ende handhaben es die Kommunen unterschiedlich

    Ein Beispiel aus dem Kulturbereich – es könnte selbstredend auch bei den unterschiedlichen Vorschriften der Schulen gefunden werden: Ein Augsburger Konzertveranstalter berichtete jüngst, dass er ein fast ausverkauftes Konzert in Baden-Württemberg absagen musste, weil der kommunale Betreiber der Konzerthalle wie aus heiterem Himmel ein paar Tage vor dem Konzert nicht mehr die Maximalbelegung zuließ, wie es die Landesregeln vorgesehen hätten, sondern nur noch die Hälfte davon. Und bei einem Konzert in Nordrhein-Westfalen war es das Ordnungsamt, das auf den letzten Drücker die maximale Hallenbelegung reduzierte. Das heißt – die je anderen landesweiten Regeln werden am Ende auch noch in den Kommunen unterschiedlich ausgelegt.

    Wenn nicht einmal die größte Krise seit Jahrzehnten dazu führt, überflüssige Kleinstaaterei zu unterlassen, sieht man, dass es wieder Zeit für eine Föderalismus-Reform ist. Auf Einsicht der Beteiligten kann man dabei allerdings nur bedingt hoffen – wie der Versuch, die Abgeordnetenzahl im Bundestag zu verkleinern, zeigt. Niemand gibt freiwillig seine Macht ab. Und nirgendwo zeigt sich eine Instanz, die das einfordern könnte.

    Dass es nun zu unnötigen Veranstaltungsabsagen kommt, daran scheint sich in der Politik niemand zu stören. Es ist ja so einfach, das standhaft zu ignorieren: Wo viele für einen Missstand verantwortlich sind, fühlt sich niemand für eine Lösung zuständig.

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