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Ausstellung: Max Unold - der Maler, seine Muse und die Nazis

Ausstellung

Max Unold - der Maler, seine Muse und die Nazis

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    Max Unolds "Selbstbildnis an der Staffelei" (Ausschnitt), zirka 1908 entstanden.
    Max Unolds "Selbstbildnis an der Staffelei" (Ausschnitt), zirka 1908 entstanden. Foto: Matthias Becker

    Man mag von der Digitalisierung halten, was man will: Was mit Googles Hilfe über Ländergrenzen hinweg ans Licht kommt, stellt manche Ermittlung früherer Zeiten in den Schatten. Auch die Kunstwelt profitiert von solchen Suchmaschinen-Zufällen. So wie die Memminger Mewo-Kunsthalle, bei der sich ein Internet-Surfer aus Schottland meldete und damit die Max-Unold-Forschung ein gutes Stück voranbrachte. Gab er sich doch als Schwiegersohn der „Dame im blauen Kleid“ zu erkennen, Unolds großartiges Bild von 1913, von dem bisher nicht bekannt war, wer da porträtiert ist. In der Ausstellung „Max Unold: Kunstgeschichten“ stellt Kunsthallenleiter Axel Lapp jetzt nicht nur diese Anicuţa Levin-Belau erstmals der Öffentlichkeit vor; neu schreibt er auch ein zweites, düsteres Kapitel über den 1885 in Memmingen geborenen, 1964 in München gestorbenen bedeutenden Künstler der Neuen Sachlichkeit.

    Bleiben wir erst einmal bei Anicuţa Belau, die Unold immer wieder gemalt hat – und deren Porträts zum Besten zählen, was seine Staffelei verlassen hat. Nicht umsonst wurde die „Dame im blauen Kleid“ 1913 bei einer Ausstellung der Münchner Secession mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Bei einem Besuch in Schottland erfuhr Lapp von deren Schwiegersohn Arnold Myers, einem emeritierten Musikprofessor der Universität Edinburgh, die ganze Lebensgeschichte dieser ungewöhnlichen Frau.

    Eines der Bilder musste erst notrestauriert werden

    Die Rumäniendeutsche kam nach dem Abitur 1907 in Bukarest nach München. Sie fing eine Affäre mit Max Unold an – und tauchte mit ihm tief ein in die Schwabinger Bohème. Bis 1915 war sie seine Lebensgefährtin, engste Beraterin und Muse, die ihn immer wieder antrieb, vor allem sie zu malen. Erstmals in Memmingen zu sehen ist davon unter anderem „Im Klubsessel“ (1911), das im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ist und erst einmal notrestauriert werden musste, ehe es die Reise in die Mewo-Kunsthalle antreten konnte.

    Für solche Gemälde ließ die Zigarren rauchende, selbstbewusste Anicuţa ganze Fotoserien in exotischen Posen von sich als Vorlage anfertigen – ein Teil hängt jetzt als Leihgabe aus Schottland in der Ausstellung. An der Universität in Edinburgh fand Lapp nämlich ihren umfangreichen, noch unsortierten Nachlass vor. Der wird zusammen mit dem ihres Mannes Ernst Levin aufbewahrt, der dort als Neurologe gearbeitet hat. Ein „erstes Ankratzen“ nennt Lapp seine einwöchige Recherche in diesem Uni-Archiv, wo er beispielsweise auf den kompletten Briefwechsel mit Unold stieß. Die Mewo-Kunsthalle ist in Besitz des Unold-Nachlasses mit etwa 70 Gemälden sowie 1000 Grafiken und Zeichnungen.

    Ernst Levin und die schillernde Salonnière Anicuţa heirateten 1917. Ihre turbulenten Jahre in München endeten nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten mit der Emigration nach Schottand – auch der Kontakt zu Max Unold brach erst einmal ab.

    Warum, erklärt der zweite Teil dieser bemerkenswerten Ausstellung, die sich um Unolds Mosaiken dreht, sein zweites, bisher kaum beachtetes künstlerisches Standbein. Das beginnt harmlos mit einem ersten Großauftrag, bei dem der Künstler von 1913 bis 1915 die Eingangshalle des neuen Museums in Wiesbaden mit einem Mosaik zum Thema Wasser gestaltete. Gut dokumentiert, unter anderem mit zwei Musterstücken, ist ein Auftrag für die erste Klasse des Turbinenschnelldampfers „Europa“ (1930), der damals das schnellste Schiff auf der Route Europa – New York war.

    Bis auf einen kleinen Adlerkopf in einem Skizzenbuch findet sich allerdings absolut keine Spur in Unolds Nachlass über seinen pikantesten Auftrag, das Hoheitszeichen, das er für das Deutsche Haus auf der Weltausstellung 1937 in Paris gemacht hat: einen 48 Quadratmeter großen Reichsadler mit Hakenkreuz auf Goldgrund. Fast verwischte Fährten musste Lapp verfolgen, bis er in der Berlinischen Galerie drei Fotos von Hitlers Haus- und Hoffotograf Heinrich Hoffmann über dieses Werk aufgespürt hat.

    Der Maler hatte offenbar gute Verbindungen zu NS-Kreisen

    Bekannt ist auch, dass Unold 1936 und 1937 die Casinos der Fliegerhorste Memmingerberg und Kitzingen mit Mosaiken ausgestattet hat (letzteres ist noch erhalten). Erhalten aus dieser Zeit und in der Ausstellung zu sehen ist auch ein Porträt, das Unold 1941 von Memmingens Oberbürgermeister Heinrich Berndl in Wehrmachtsbeamten-Uniform gemalt hat. All das zeugt davon, dass Max Unold gute Verbindungen zu nationalsozialistischen Auftraggebern hatte, was in der Kunstgeschichte bisher nicht thematisiert worden ist. Im Gegenteil, weil auch von ihm zwei Bilder und 36 Grafiken bei den „Säuberungsaktionen“ der Nazis aus Museen entfernt wurden (einige vermutlich, weil sie in Mappen etwa mit Blättern von George Grosz lagerten), wurde er eher in Zusammenhang mit „entarteten Künstlern“ genannt.

    Über Unolds Aufträge in der NS-Zeit wussten natürlich auch die emigrierten Freunde in Edinburg Bescheid. Es brauchte nach 1945 dann schon einiges Drängen von Unolds Seite, um den Briefverkehr wieder aufleben zu lassen. Sogar von einem Besuch in München war immer wieder die Rede. Deutschen Boden betraten Anicuţa Levin-Belau und Ernst Levin aber nie mehr.

    Max Unold: KunstgeschichtenBis 23. September, geöffnet Di., Mi., Fr., Sa., So. 11–17 Uhr, Do. 13–19 Uhr.

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