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60. Geburtstag: Michael Jackson: Zwischen Genie und Wahnsinn

60. Geburtstag

Michael Jackson: Zwischen Genie und Wahnsinn

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    Michael Jackson 1995.
    Michael Jackson 1995. Foto: Don Emmert, afp

    Von 1993 bis 1999 begleiteten Sie als Bravo-Chefreporter Michael Jackson rund um die Welt. Hatte er bis dahin wirklich nie Journalisten empfangen?

    Gernandt: Nicht dass ich wüsste. Ich war da exklusiv am Start. Ich habe seinen PR-Manager Bob Jones 1993 bei den World Music Awards in Monte Carlo kennengelernt, wo Michael Jackson Ehrengast war. Ich erzählte seinem Manager, dass Michael schon sehr oft den Goldenen Bravo-Otto als bester Sänger gewonnen hatte, er aber leider noch nie einen davon persönlich entgegengenommen hatte. Er sprach zu dieser Zeit mit niemandem. Tatsächlich wurde ich drei Wochen später von Michael Jackson Productions per Fax zu seinem Konzert in Istanbul am 23. September 1993 eingeladen. Ich möge doch bitte den Bravo-Otto mitbringen. Dort traf ich Michael Jackson dann das erste Mal persönlich.

    Blieb es bei dem einen Treffen?

    Gernandt: Nein. Über die Jahre hinweg wurden daraus 16 Begegnungen. Jackson wollte jedes Mal die Bravo-Artikel über ihn Wort für Wort übersetzt haben. Auf diese Weise entstand ein Vertrauensverhältnis. Ich kam ja von einer Fan-Zeitschrift und war kein investigativer Reporter. Einmal schrieb ich: „Die HIStory-Show ist sensationell!“ Da fragte er mich: „Das hast Du wirklich geschrieben?“ Er freute sich darüber wie ein Kind. Der „King of Pop“ war in Wahrheit ein sehr kluger, höflicher und angenehmer Mensch.

    Warum war er so medienscheu?

    Gernandt: Vier Wochen vor unserem allerersten Treffen gab es die ersten Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs gegen ihn. Trotzdem hielt er an dem Termin fest Es gab zwei Anklagen gegen ihn, in meinen Augen war das zweimal Erpressung. Im ersten Fall hat der Junge Jordan Chandler gestanden, dass sein Vater ihn zu einer falschen Behauptung gedrängt hatte. Und der Vater hat sich später erschossen. Michaels Ruf hat unter den Vorwürfen gelitten – zu Unrecht.

    Wer Michael Jackson wirklich war, weiß eigentlich niemand, oder?

    Gernandt: Ich glaube, dass es viele Missverständnisse um die Person Jackson gibt. Er hat kranken Kindern teure Lebertransplantationen und Krebsoperationen finanziert, ohne groß darüber zu reden. Er hat auch Kinderkrankenhäuser in Budapest und Bukarest besucht. Ich war selbst dabei, wie er dort Spielzeug verteilte. Hätte die Öffentlichkeit das alles mitbekommen, hätte sich möglicherweise ein anderes Bild von ihm ergeben. Der Name „Jacko“ ist übrigens verpönt bei den Fans. Er wurde von der englischen Boulevardzeitung Sun erfunden. Weil die Klatschpresse nicht an Jackson herankam, dachte sie sich irgendwelche abstrusen Geschichten über ihn aus und nannte ihn „Wacko Jacko“, also „verrückter Jacko“. Eine Story, die man widerlegen kann, lautete, dass er ein Weißer sein wollte. In Wahrheit litt er an der Hautkrankheit Vitiligo, bei der sich weiße Flecken auf der Haut bilden. Deshalb bleichte er seine dunkle Haut.

    Jackson wird immer zwischen Genie und Wahnsinn beschrieben. Wie haben Sie ihn erlebt?

    Gernandt: Er war eine multiple Persönlichkeit. Auf der einen Seite war er wie ein Kind. Er durfte in seiner Kindheit zum Beispiel nie auf Bäume klettern, weil er schon von klein auf im Studio und auf der Bühne arbeiten musste. Auf seiner Neverland-Ranch gab es einen Baum, auf den er als Erwachsener ständig kletterte. Da oben schrieb er sogar Lieder wie „Will You Be There“. Der Peter Pan des Pop hatte sich auch einen Privatzoo und ein Privatkino eingerichtet. Auf der anderen Seite war er ein knallharter Geschäftsmann. Viele denken an Jackson als Marionette. Nein, er hat alles selbst bestimmt! Er hatte Ideen für die Songs, die Videos und die Bühnenshows. Um sie umzusetzen, holte er sich die Besten: Martin Scorsese, John Landis, Steven Spielberg.

    Diana Ross und Elizabeth Taylorwaren die engsten Freunde

    Während der „Bad“-Tour soll er in seiner Suite im Park Hilton in München eigens Parkettboden verlegt haben lassen. Was bezweckte er damit?

    Gernandt: Er wollte seinen Moonwalk üben. Er hatte damals ein festes Team um sich. Die Visagistin Karen Faye, den Modedesigner Michael Bush und den indischen Koch Mani Khalsa. Das war seine Familie. Seine engsten Freunde hingegen waren Diana Ross und Elizabeth Taylor. Liz Taylor hatte ja im Leben auch einiges mitgemacht, was sie Michael im Vertrauen offenbart hat.

    Hat der späte Jackson falschen Menschen vertraut?

    Gernandt: Ich glaube, er wurde zum Teil schlecht beraten. Sein Arzt wurde verurteilt wegen fahrlässiger Tötung. Die Prozesse wegen Kindesmissbrauchs haben Michael natürlich zugesetzt. Aber 2005 wurde er in allen Punkten freigesprochen. Trotzdem hat das FBI seine Ranch auf den Kopf gestellt auf der Suche nach Beweisen. Dadurch war sein einziges Refugium für ihn entweiht.

    Wo hat er nach Neverland gewohnt?

    Gernandt: Er ist dann wie ein Nomade um die Welt gezogen: Bahrain, Miami, Las Vegas, Los Angeles. Zuletzt wohnte er in der Villa des Modemachers Christian Audigier direkt am Sunset Boulevard in Beverly Hills. Dort ist er auch verstorben.

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