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Graphic Novel: René Magritte und die magische Melone

Graphic Novel

René Magritte und die magische Melone

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    René Magritte war wenig erfreut, wenn Kunstkenner anfingen, seine Bilder zu zerpflücken. Und wurde in seinem Leben herumgeschnüffelt, konnte er richtig biestig werden. Der Autor Vincent Zabus und sein Zeichner Thomas Campi haben deshalb vorgebaut und ihr Magritte-Buch zum 50. Todesjahr mit dem anspielungsreichen Untertitel „Das ist keine Biografie“ versehen. Frei nach Magrittes berühmter Pfeife, die natürlich keine ist – „Ceci n’est pas une pipe“ –, sondern ein Bild.

    Wozu auch eine Biografie. Um sein Leben zu beschreiben, erklärte Magritte einmal staubtrocken, wären schon zehn Zeilen viel zu viel. Der Maler stilisierte sich selbst zur Ikone des bieder-bürgerlichen Angestellten mit Schirm, wenig Charme und Melone. Dies brachte das belgisch-italienische Autorengespann Zabus/Campi auf folgendes Szenario für ihre Graphic Novel: Charles Singullier, ein braver Büro-Jedermann, kauft sich eine Melone, die es in sich hat. Denn kaum sitzt der Hut auf Singulliers Kopf, tut sich höchst Ungewöhnliches. Fensterscheiben zerspringen, eine riesige Nackte verkündet, er müsse ein Rätsel lösen, und der geniale Schurke Fantômas – Magritte hat die Krimis verschlungen – erklärt dem verdutzten Mann, er sei auserwählt.

    Es gibt kein Zurück, die Melone klebt bombenfest, und Singullier torkelt zaghaft durch die (alp)traumhafte Bilderwelt Magrittes: über Friedhöfe und Parkanlagen, vorbei an Bäumen, deren Kronen sich zu einem einzigen Blatt geformt haben, hinein in die blaue Nacht mit Mondsichel und ach so harmlosen Wölkchen, und von der Hauswand grüßt Magrittes überdimensional angewachsene Frau und Muse. Auch der verwirrte Melonenträger Singullier bekommt eine Gefährtin an seine Seite, die ähnelt der Malersgattin und weiß immer ein bisschen mehr. Denn die Schöne ist Kunsthistorikerin, und so erfährt man auf 64 Seiten eine Menge über Magrittes Konstruktion der Wirklichkeit, wie er mit uns spielt, das Hirn foppt und täuscht und auf der nächsten Ebene gleich wieder eine somnambule Pirouette dreht.

    Nur gleitet die so raffiniert erdachte und so virtuos im Stil der 60er Jahre gezeichnete Graphic Novel zwischendurch ins Lehrbuchhafte ab, die Museumsdame tut halt ihren Job und doziert. Sprechende Bilder hätte es auch nicht gebraucht. Für Versöhnung sorgt dafür eine Gerichtsverhandlung, in der just Magrittes Porträt auf der Anklagebank steht. Das Vergehen? Der Künstler habe im Alter immer wieder die Motive aufgegriffen, die sich am besten verkauften: kommerzieller Verrat, ganz klar.

    Wobei eine Sache korrigiert werden muss. Magritte sah sich keineswegs als Künstler; wer ihn nach seinem Beruf fragte, bekam die treffende Antwort: denkender Mensch. Und das ist noch untertrieben, seine Bilder sind gemalte Wahrnehmungstheorie. Das sollte die nette Kunsthistorikerin mal Donald Trump verklickern. Der merkt bestimmt nicht, dass sie bloß Fake ist.

    " Vincent Zabus, Thomas Campi: Magritte – Dies ist keine Biografie. Carlsen Verlag, 64 S., 17,99 ¤

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