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Verrückt, weil bei Verstand?

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Verrückt, weil bei Verstand?

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    Isabel Kott ist Isa im Monologstück „Bilder deiner großen Liebe“.
    Isabel Kott ist Isa im Monologstück „Bilder deiner großen Liebe“. Foto: torturm

    Sommerhausen Hier stimmt, dass eine Rolle wie auf den Leib geschneidert ist. Dabei hatte Wolfgang Herrndorf (1965–2013) sein nachgelassenes Prosafragment fast vernichten wollen, also am wenigsten an eine Bühnenfassung gedacht. Aber so ist es durch seinen Freund Robert Koall gekommen und nun auch im Torturmtheater Sommerhausen (bei Würzburg) im Monolog der Isabel Kott zu erleben. Sie ist tatsächlich Isa, diese 14-jährige Heldin der Verlorenheit. Der Saisonstart zum 70. Jahr seines Bestehens hätte für das kleine Theater unter Angelika Relins Leitung kaum anspruchsvoller und gelungener erfolgen können.

    Die Siebzig bekommt in Isas Text allerdings eine ganz andere Bedeutung. Die Ausreißerin aus einer Psychiatrie sinniert vor dem Grabstein eines jungen Soldaten: „Was macht es für einen Unterschied, vor siebzig Jahren gestorben zu sein oder vor sieben Sekunden? Keinen… Aber dass es da keinen Unterschied gibt, kommt mir seltsam vor.“ Das gehört zum existenzphilosophischen Grundton von Herrndorf – wie auch Isas Erkenntnis vor der Unendlichkeit des Sternenhimmels: Man sei verrückt, „weil man etwas verstanden hat“.

    Die junge Lisa ist für die vielen Leser von Herrndorfs Erfolgsroman „Tschick“ (2010) eine alte Bekannte, die von dem Freundespaar Maik und Tschick bei der Flucht in die Welt zurückgelassen wird. Jetzt treffen sie sich wieder – Isa und der blonde Junge: „Lautlos geborgen und im Schutz meiner Hände und der schirmenden Nacht liegt er da.“ Das ist, wie Herrndorf es wohl auch für sich gewünscht hätte, aber nach Hirntumor und vor Suizid nicht zu Ende bringen konnte: „Tschick- Fortsetzung aus Isas Perspektive.“

    Die Regisseurin Eos Schopohl vertraut diese „Bilder deiner großen Liebe“ ganz der Glaubwürdigkeit einer jungen Schauspielerin an, der lediglich einige Stimmen aus dem Off beistehen (Rainer Haustein und Christian Buse als Bauarbeiter, Kapitän u. a.). „So schön ist alles, wenn es schön ist.“ Einer der hintergründigen Lapidar-Sätze Herrndorfs kennzeichnet aus Isabel Kotts Mund diesen Theaterabend. Übrigens hat der Bayerische Rundfunk die „Bilder deiner großen Liebe“ als Hörspiel (mit Musik von Luke Howard) produziert und am 9. März 2019 erstmals auf Bayern 2 gesendet.

    der „Bilder“ im Torturmtheater Sommerhausen bis 25. Mai, Dienstag bis Freitag, 20 Uhr und Samstag, 16.30 und 19 Uhr.

    Weitere Premieren 2019Samantha Ellis „LIEBEN, feministisch“ (30. Mai), Philipp Löhle „Die Mitwisser“ (8. August), Matthieu Delaporte/Alexandre de la Patellière „Alles was sie wollen“ (10. Oktober). Vorbestellungen: kartenbestellung@torturmtheater.de oder an den Spieltagen ab 16 Uhr unter Telefon 09333-268.

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