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Asha Hedayati über Gewalt gegen Frauen: Ein Aufruf zur Veränderung in Deutschland

Augsburger Friedensfest 2025

Warum Gewalt gegen Frauen System hat: Asha Hedayati liest und diskutiert beim Augsburger Friedensfest

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    Asha Hedayati, Lesung und Diskussion, Die stille Gewalt, Kresslesmühle
    Asha Hedayati, Lesung und Diskussion, Die stille Gewalt, Kresslesmühle Foto: Annette Zoepf

    Wegschauen ist leicht, dabei ist die Brutalität so nah: Der Mord an der Deutschen Nina H. in Haunstetten ist erst wenige Wochen her, ein Bekannter hatte sie offenbar in ihrem Haus erschossen. In Krailling wurde vor wenigen Tagen eine jemenitische Frau mutmaßlich von ihrem Ehemann erstochen. Das kurz zuvor verhängte Kontaktverbot gegen ihren Mann half ihr nicht. Die Sicherheitsbedrohung ist real. Fast jeden Tag wird in Deutschland laut Statistik ein Femizid begangen, alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. Jeden Tag werden mehr als 140 Frauen und Mädchen Opfer einer Sexualstraftat. Im letzten Jahr stiegen die in diesem Bereich aufgenommenen Straftaten laut kürzlich vorgestellter Polizeistatistik um fast zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahlen sprechen von einer tiefgreifenden, geschlechtsabhängigen, tödlichen Dysfunktionalität unserer Gesellschaft. Doch was bedeutet das für die einzelnen Frauen und woher kommt das?

    Asha Hedayati stellt in Augsburg ihr Buch in der Kresslesmühle vor

    Die überlebenden Frauen haben nicht allein die körperliche Gewalt zu verarbeiten, sondern auch die psychischen und wirtschaftlichen Folgen. Wenn sie überleben, Hals über Kopf ins Frauenhaus fliehen, verlieren sie ihr Leben trotzdem: „Der Job war weg, die Wohnung weg, Freunde weg, die Sicherheit weg. Ich hatte 20 Euro in der Tasche“, berichtet Romy Stangl auf dem Podium des Augsburger Friedensbüros zum Thema Gewalt gegen Frauen.

    Asha Hedayati, Anwältin und Autorin, sitzt neben ihr auf der Bühne der Kresslesmühle. Auf Einladung des Friedensbüros liest sie vor etwa 50 Interessierten aus ihrem neuen Buch „Die stille Gewalt“. Sie ist Anwältin für Familienrecht in Berlin, vertritt seit über zehn Jahren gewalterfahrene Frauen. Die Verfahren in solchen Fällen – eine Odyssee, wie sie in ihrer Lesung klarmacht. Das Buch ist persönlich und hochpolitisch, die Sprache nicht trocken-juristisch, sondern erzählend, anteilnehmend und anklagend. Denn das Problem endet nicht mit dem Frauenhaus.

    „Die Scham muss die Seiten wechseln“, sagte Gisèle Pelicot

    Die Gewalt gegen Frauen, vor allem, wenn sie mit Kindern fliehen müssen, setzt sich vor den Familiengerichten fort. Hier wird über das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Kinder entschieden und darüber, ob diese besser bei der Mutter, die sie zwar gerettet, aber zumeist keine Wohnung und kein Einkommen mehr hat, gut aufgehoben sind oder besser beim Täter. Statt den Täter sichtbar zu machen und staatlicherseits Konsequenzen zu zeigen, werde der Mutter, so die Anwältin, von den Richtern meist ein Einlenken nahegelegt. Bestätigendes Nicken im Publikum, dass bis auf wenige Ausnahmen weiblich ist. „Eigentlich unerhört. Denn verantwortlich für die Situation ist ja der Mann.“

    Ein weiteres strukturelles Problem bestehe darin, dass ein solches Verfahren um das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Gerichtsablauf ein Zeitlimit von höchstens zwei Stunden und 22 Minuten habe. „Statt zu ermitteln, wird dann der Effektivität halber dem Kindeswohl Priorität eingeräumt. Stimmt die Mutter nicht zu, werden Gutachten erstellt, die der Mutter unter Umständen Erziehungsunfähigkeit attestieren.“ Damit sei die Täter-Opfer-Umkehr perfekt. Der Ball – Scham und Mitschuld – liegt im Feld der Frau. Hedayati zitiert die Französin Gisele Pelicot, die von ihrem Ehemann über Jahre betäubt und zur Vergewaltigung freigegeben wurde, mit dem berühmten Satz „Die Scham muss die Seiten wechseln“ und ergänzt: „Die Schande gehört auch dem Staat, der den Frauen keinen Schutz bietet und leider die Gewalt fortsetzt.“

    Hedayati fordert eine fundamentale Gesellschafts-, Staats- und Männlichkeitskritik

    Wieso gibt es da keinen Aufschrei? Die Gesellschaft spricht nicht, die Frauen schweigen, halten aus. In Iran, wo Hedayati als Kind inhaftierter Oppositioneller in einem Gefängnis geboren wurde, protestierten vor zwei Jahren Männer gegen die Gewalt, die das islamistische Regime an Frauen verübte. „Sie haben verstanden: Wenn Frauen nicht frei und sicher sind, sind sie es auch nicht.“ Eine fundamentale Gesellschafts-, Staats- und Männlichkeitskritik müsse her, um die bedrohliche Entwicklung auch in Deutschland zu stoppen, so die Anwältin.  

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