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Musik: Hommage an Paul McCartney: Ein Stehaufmännchen wird 80

Musik

Hommage an Paul McCartney: Ein Stehaufmännchen wird 80

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    Sir Paul McCartney ist auch mit 80 Jahren noch ein Alleskönner. Gerade befindet er sich wieder mit einer exzellenten Band auf großer USA-Tournee.
    Sir Paul McCartney ist auch mit 80 Jahren noch ein Alleskönner. Gerade befindet er sich wieder mit einer exzellenten Band auf großer USA-Tournee. Foto: Robert Vos, dpa (Archiv)

    Hier geht es nicht um die Beatles. Doch, vielleicht ein bisschen. Aber in erster Linie soll er im Mittelpunkt stehen: ein Stehaufmännchen, seit über 60 Jahren. Ein Unkaputtbarer in einer Welt, in der Erfolg und Misserfolg nicht mehr von Platten, sondern Klicks oder Followern abhängig sind. Ein Alleskönner, der zwar offiziell den Bass bedient, aber schon eine Reihe von Alben völlig im Alleingang eingespielt hat. Natürlich ein Dinosaurier, mitnichten zeitlos, sondern bewusst retro, immer mit einem offenen Fenster in Richtung Vergangenheit, in der nicht alles, aber möglicherweise wenigstens die Musik besser war. Das Phänomen ist nicht neu, wir kennen es von den Rolling Stones, Carlos Santana, Eric Clapton, Elton John … In die Jahre gekommene Stars, die auch 2022 noch Massen anziehen und für Konzerte Höchstpreise aufrufen können. Was machen sie anders als die Jungen?

    „Yesterday“, „Let It Be“, „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ - alles Hits von McCartney

    Am Beispiel von Sir James Paul McCartney, der vor 80 Jahren - am 18. Juni 1942 - in Liverpool als Sohn des Kaufmanns James McCartney und der Krankenschwester Mary Patricia McCartney zur Welt kam, lässt sich das Mysterium vielleicht entschlüsseln. Ihn gibt es gefühlt schon genauso lange wie die Chinesische Mauer, das Taj Mahal, den Mount Everest. Den Mann heute noch auf der Bühne zu erleben, fühlt sich irgendwie seltsam an. Ein Wesen aus einer anderen Zeit. Als hätte er ein unglaubliches Abenteuer überstanden. Reise zum Mittelpunkt der Erde, 20.000 Meilen unter dem Meer, von der Erde zum Mond.

    Ein Leben ohne die Songs des charmanten Genies, das man auf eine Stufe mit Mozart, Beethoven, Bach stellen kann – undenkbar! Seit Generationen findet jeder garantiert wenigstens eine McCartney-Komposition in seiner musikalischen DNA. „Yesterday“ zum Beispiel, „Let It Be“, „Ob-La-Di, Ob-La-Da“, die Kracher seiner 1970er-Band Wings „Live And Let Die“, „Jet“ und „Band On The Run“, die 1980er-Hits „Say Say Say“ oder „Ebony And Ivory“ sowie „Hope Of Deliverance“ aus den 1990ern.

    Paul McCartney hat auch mit Kanye West und Rihanna gearbeitet

    Das Publikum liebt nun mal Konventionen, es braucht Helden, die es ein Leben lang begleiten, auch wenn sie am Schluss als Halbtote auf die Bühne gerollt werden. Bei „Macca“ (so nennen ihn seine Fans) hat bislang zum Glück nur die Stimme gelitten, nicht aber sein Elan, seine beneidenswerte Neugier, sein verblüffender Geschmack und sein Sensor für aktuelle Trends. Bestes Beispiel: die Kollaboration mit Kanye West und Rihanna 2015 für „FourFiveSeconds“. Ein Rapper, eine R’n’B-Sängerin und ein Ex-Beatle – was für eine Kombination!

    Es ist schlechterdings unmöglich, McCartneys Einfluss auf die Musikgeschichte adäquat zu erfassen. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Alles, was nach 1966 in der U-Musik geschrieben wurde, wäre ohne sein Schaffen so nicht möglich gewesen. Selbst der Heavy Metal, der Bands wie Deep Purple oder Metallica nach oben spülte, geht auf ihn zurück. 1968 las Paul, dass ein Musikkritiker die Who-Nummer „I Can See For Miles“ als den „lautesten, unerträglichsten und obszönsten Song aller Zeiten“ niedermachte. Das reizte ihn. Also schreib er „das lauteste und härteste Lied aller Zeiten“: Es trug den Titel „Helter Skelter“, erschien 1968 auf dem „Weißen Album“ und wurde kurz darauf von Charles Manson für seine morbiden Weltveränderungsfantasien zweckentfremdet.

    „Maccas“ wohl größter Coup war der Beatles-Hit "Hey Jude"

    Dabei galt Paul McCartney eher als Weichspüler, lange nannten sie ihn „Haferschleimbubi“, „Schnulzenheini“ oder „Kitschbeauftragter“. Und er war schon immer Jazzfan, was sich früher in einigen Songs („When I’m 64“) und 2012 in einem ganzen Album („Kisses On The Bottom“) niederschlug.

    Aber nun müssen wir uns doch mit den Beatles beschäftigen. Und mit „Maccas“ wohl größtem Coup. Es geht um „Hey Jude“, jenen Song, den Paul am 29. Juli 1968 für Julian Lennon, Sohn seines Mitstreiters John, geschrieben hatte. Der litt – wie Paul selbst – unter der neuen Liebe von John zur Aktionskünstlerin Yoko Ono. Damals gab es Singles; kleine, schwarze Vinylscheiben mit 45 Umdrehungen. „Hey Jude“ galt als längste Single der Musikgeschichte und zugleich größter finanzieller Erfolg der Beatles. Der Höhepunkt eines Musikwunders und zugleich der Anfang vom Ende.

    Auch mit 80 steht Paul McCartney noch auf der Bühne

    Mit „Hey Jude“ stieg McCartney zum Alleinherrscher über die erfolgreichste Band des Planeten auf. In dem Song trafen Sentiment auf Monomanie, Kitsch auf Kunst, und alles mündete darin, dass 19 Mal, wie ein Mantra, das die Welt retten soll, der „na-na-na“-Unsinnsvers wiederholt wurde. Der weitaus bessere, instinktbewusstere, kommerzorientiertere Musiker hatte über sein charismatisches Alter Ego John Lennon gesiegt. Die Band spielte den Song nie wieder, und McCartney, erbost darüber, dass John, George und Ringo das Beatles-Imperium nach dem Tod von Brian Epstein dem zwielichtigen Manager Allen Klein in den Rachen geworfen hatten, verkündete schließlich am 9. April 1970 das Aus der „Fab Four“.

    Nun wird er also 80. Aber – ist er es überhaupt noch? Eines der vielen Gerüchte, das sich hartnäckig seit Ende der 60er Jahre hält, behauptet, McCartney sei bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt und durch einen Doppelgänger ersetzt worden. Vertreter der These verweisen auf das Cover von „Abbey Road“: Paul ist darauf mit halbgeschlossenen Augen abgebildet, barfuß (in England werden Tote ohne Schuhe beerdigt) und trägt die Zigarette als Linkshänder in der rechten Hand. Krude Verschwörungstheorien. Mit Lennon und Harrison hat sich der Doppelgänger – oder vielleicht doch Paul? – noch vor deren Tod versöhnt. Ringo Starr bezeichnet ihn heute als einen seiner besten Freunde und „treuesten Menschen, die ich kenne“. Gerade befindet sich Paul McCartney wieder mit einer exzellenten Band auf großer USA-Tournee. Dabei beschließt er seine Shows mit „Hey Jude“, dem Lied, das die Beatles, sein Leben und die Musikgeschichte verändert hat. Er lässt das Publikum statt seiner singen.

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