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Interview: John Malkovich spielt den Papst und glaubt nicht an Gott

Interview

John Malkovich spielt den Papst und glaubt nicht an Gott

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    John Malkovich bei den Dreharbeiten zu der Serie "The New Pope" von Regisseur Sorrentino.
    John Malkovich bei den Dreharbeiten zu der Serie "The New Pope" von Regisseur Sorrentino. Foto: Andrew Medichini, dpa

    In Ihrer aktuellenTV-Serie "The New Pope" (auf  Sky)  sind Sie als Papst zu sehen. Aber Sie selbst glauben angeblich nicht an Gott.

    John Malkovich: Das ist richtig. Ich habe diesen Glauben nie gebraucht.

    Wirklich nicht?

    Malkovich: Ich hoffe natürlich manchmal auf Wunder wie andere auch. Wobei ich zugegebenermaßen auch sehr viel Glück hatte, sodass ich ohne diesen Glauben ausgekommen bin. Aber ich wurde so erzogen, dass ich immer für mich selbst Verantwortung ergreifen soll. Ich bin die einzige Person, auf die es ankommt. Ich bin sozusagen mit diesem Gepäck an Bord gegangen. Wobei ich nichts dagegen habe, wenn andere Leute anders denken. Das hat alles seine Berechtigung.

    Was haben Sie sonst noch für ein Gespräch wie dieses aus Ihrer Kindheit mitgenommen?

    Malkovich: Die Fähigkeit zu spielen, Illusionen zu erzeugen. Die hatte ich schon als kleiner Junge.

    Können Sie sich noch an spezifische Dinge von damals erinnern?

    Malkovich: Ich habe viel Zeit in der Natur verbracht, auch weil mein Vater Leiter der Naturschutzbehörde von Illinois war. Aber die meisten Erinnerungen sind verwischt. Es ist ja auch schon so lange her.

    Wenn Sie sich die junge Generation von heute anschauen, gibt es etwas, was Sie nicht verstehen können?

    Malkovich: Diese Besessenheit mit sozialen Medien. Ich selber halte mich fern davon, und meine Kinder machen das inzwischen auch weitgehend. Ich glaube, sie haben eine gewisse Überdosis abbekommen. Ich beneide die jungen Menschen jedenfalls nicht, dass sie in dieser Welt leben. Denn das ist pure Ablenkung, es zieht dich aus der Realität in ein virtuelles Universum hinein.

    Wann nehmen Sie das wahr?

    Malkovich: Es fiel mir schon vor mehreren Jahren auf, als ich häufig auf Flughäfen unterwegs war: Plötzlich schaute niemand mehr um sich, alle starrten in ihre Smartphones. Und früher hat man mich um Autogramme gebeten, was dann meist mit einer kleinen Unterhaltung verbunden war. Jetzt wollen alle ein Foto, was ich nicht verstehen kann.

    Warum nicht?

    John Malkovich ist einer der herausragendsten Schauspieler Hollywoods.
    John Malkovich ist einer der herausragendsten Schauspieler Hollywoods. Foto: Armandox Gallox,www.imago-images.de

    Malkovich: Warum soll ich mich mit jemand fotografieren lassen, den ich nicht kenne? Ich persönlich würde das doch auch nicht wollen. Das ist völlige Zeitverschwendung. Wobei ich nichts dagegen tun kann, wenn sie mich dann trotzdem fotografieren. Die Gesetze sind völlig idiotisch; die stammen aus dem Mittelalter, als es noch keine Kameras gab.

    Wie kann man sich das genau vorstellen, wenn Sie diese Anfragen ablehnen?

    Malkovich: Ich sage einfach „Nein, danke. Ich bin nicht interessiert. So etwas mache ich nicht.“ Ich bleibe dabei völlig höflich, während ich solche Anfragen als höchst ungezogen empfinde.

    Glauben Sie, das Pendel schwingt wieder zurück und die Menschen konzentrieren sich wieder auf die Realität?

    Malkovich: Das denke ich schon, aber wissen kann man das nicht. Ich würde nichts darauf verwetten. Auf jeden Fall kann ich das alles nicht kontrollieren, deshalb versuche ich mir nicht den Kopf darüber zu zerbrechen.

    Aber eigentlich sollte ein Schauspieler es ja genießen, im Mittelpunkt zu stehen. Ist das nicht Teil des Berufs?

    Malkovich: Das war nicht so, als ich diesen Beruf ergriffen habe. Kein Schauspieler – mit Ausnahme von ein paar Größen wie Marlon Brando vielleicht – hat sich über seinen Beruf beschwert. Aber alle beklagen sich über das Leben in der Öffentlichkeit, das damit verbunden ist. Und das hat mit der Schauspielerei streng genommen nichts zu tun. Die Vorstellung, dass wir das Rampenlicht suchen, ist völlig irrig. Die einzigen Gelegenheiten, wo ich diese Fokussierung auf meine Person brauche, ist, wenn ich drehe und auf der Bühne stehe. Welcher Schauspieler genießt es schon, eine Pressetour zu absolvieren? Aber ich akzeptiere es zumindest, es ist halt Teil meines Berufslebens.

    Sie leben ja nicht in den großen Metropolen, sondern in der Provence und in Massachusetts. Hat das auch damit zu tun, dass Sie sich dem modernen Medienwahnsinn entziehen wollen?

    Malkovich: Wahrscheinlich. Wobei ich die heutige Zeit nicht schlecht machen möchte. Einige Philosophen vertreten die Meinung, dass es viel besser und einfacher ist, heute zu leben. Immerhin ist unsere Zeit weniger gewalttätig als jede vorangegangene Epoche. Dem muss ich tendenziell auch zustimmen. Indes werden wir ständig mit Informationen und Nachrichten bombardiert, die uns einreden wollen, dass alles furchtbar ist.

    Vielleicht finden wir ja alle Ruhe, wenn wir uns in Ihren Kopf zurückziehen – so wie in „Being John Malkovich“. Was für Erinnerungen verbinden Sie selbst mit diesem Filmklassiker?

    Malkovich: Ich weiß noch, dass die frühere Schnittfassung noch nicht so komisch war – eher wie ein Ingmar-Bergman-Drama. Aber ich hätte mir etwas mehr im Stil des jüdischen Vaudeville-Theaters gewünscht. Dann schnitt Regisseur Spike Jonze das Ganze noch einmal um, entfernte einiges, und das Timing und das Tempo veränderten sich. Darüber war ich sehr glücklich. Ich kann mich noch an die Wellen von Gelächter erinnern, als sich Charlie Sheen als mein bester Freund entpuppte. Für mich war das eine so köstliche Vorstellung, dass er und ich so eine Beziehung haben sollten. Ich kriege mich jetzt noch kaum ein vor Lachen, wenn ich daran denke.

    Dabei wirken Sie ja immer sehr ernsthaft. Es gibt ja die Vorstellung, dass Schauspieler eher gequälte Naturen sein müssen, um Kunst schaffen zu können...

    Malkovich: Dem würde ich nicht zustimmen wollen.

    Das heißt, Sie sind glücklich?

    Malkovich: Ich weiß nicht genau, was „glücklich“ bedeutet. Aber ich denke, dass viele kreative Menschen mehr oder weniger mit ihrem Leben zufrieden sind und ein relativ harmonisches Dasein führen. Natürlich kannst du innere Verletzungen in deinem Beruf nutzen, wenn du die entsprechende Disziplin hast. Aber Künstler tragen nicht mehr solcher Verwundungen in sich als andere Menschen. Ich würde behaupten, dass Ihnen jeden Tag auf Straße Menschen begegnen, die viel gequälter sind als jeder Künstler, den ich kenne.

    Wie empfinden Sie Ihr Dasein?

    Malkovich: Ich führe ein unglaublich gesegnetes Leben. Jahrzehntelang habe ich außerordentliche Chancen bekommen, die ich oft gar nicht verdiente. Ich habe hochinteressante Menschen kennengelernt, darunter einige der begabtesten Regisseure auf der ganzen Welt. Deshalb möchte ich auch möglichst nicht in den Ruhestand gehen. Jedenfalls nicht von mir aus. Man muss mich schon in die Rente schicken.

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