Im Erotikthriller „Babygirl“ spielen sie die glücklich verheiratete Geschäftsfrau Romy, die aber eine Affäre mit einem wesentlich jüngeren Praktikanten beginnt. Kannten Sie Halinas Reijns Arbeit als Filmemacherin schon vor „Babygirl“? Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit an diesem Film?
NICOLE KIDMAN : Ja, ich kannte sie durch ihren Film „Instinct“. Dieser Film hat mich damals neugierig gemacht. Ich hatte also schon lange ein Auge auf ihre Arbeit geworfen. Als ich dann in Australien war, während des Streiks, schickte sie mir das Drehbuch zu „Babygirl“. Ich wusste nichts darüber, aber als ich es las, hat es mich direkt gepackt. Ich habe es regelrecht verschlungen. Es war, als würde das Drehbuch zu mir sprechen. Es war schnell klar, dass ich ein Teil dieses Projekts sein wollte. Halina ist jetzt eine dieser heißen Regisseurinnen, und das ist einfach großartig.
Was ist das Besondere an der Zusammenarbeit mit Halina Reijn?
KIDMAN: Sie ist unglaublich physisch in ihrer Regieführung. Halina wirft sich buchstäblich auf den Boden und spielt die Szene vor, so wie sie sie sieht. Das ist faszinierend, weil ich das dann aufnehme, aber in meiner Rolle als Romy umsetze. Ich spüre die Szene, lasse sie durch mich fließen und mache sie zu meiner eigenen.
Klingt intensiv – haben Sie dabei jemals das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren?
KIDMAN : Es könnte leicht passieren, dass man sich von einer so dominanten Vision überwältigt fühlt. Aber ich glaube, meine Erfahrung mit vielen starken Regisseur:innen hilft mir, meine eigene Authentizität und Stimme in eine Performance einzubringen. Es ist wichtig, nicht einfach nur eine Marionette zu sein oder bloße Nachahmung zu betreiben. Das interessiert mich nicht. Mir geht es darum, meine eigenen Erfahrungen, meine Seele und mein Herz in die Rolle einfließen zu lassen. Nur dann wird es lebendig. Wenn das Umfeld am Set sicher ist und Raum bietet, entfaltet sich das wie eine Blüte. Aber wenn ich mich gehemmt fühle, dann ziehe ich mich zurück, und das merkt man mir an. Wenn man mich nicht ermutigt, mein volles Potenzial auszuschöpfen, kann die Magie verloren gehen.
Sie bleiben stets in Ihrer Rolle – wie haben Sie das gelernt, und wie hat es Ihre Arbeit geprägt?
KIDMAN: Das wurde mir regelrecht antrainiert. Als Schauspieler rufe ich niemals „Cut“. Das ist die Aufgabe des Regisseurs, weil so viele magische Momente durch Fehler oder Improvisation entstehen. Wenn ich „Cut“ rufen würde, würde ich mich selbst zensieren. Es sei denn, es passiert etwas wirklich Gefährliches – aber selbst dann warte ich meistens, bis der Regisseur entscheidet.
Apropos Magie – Sie haben während einer Szene im Regen tatsächlich ein Taxi gerufen. Was ist da passiert?
KIDMAN : (lacht) Ja, das war während der Dreharbeiten in New York. Es hat geregnet, wir hatten eine Handkamera, und ich war total in meiner Rolle als Romy, und da habe ich ein echtes Taxi gerufen. Es hielt tatsächlich an, und ich stieg ein, immer noch in Charakter. Doch der Kameramann stieg nicht mit ein. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich gecheckt habe, dass ich jetzt ganz alleine im Taxi sitze und der Taxifahrer gar nicht wusste, was passiert ist, bis ich es ihm erklärt hatte und ihn bat umzudrehen und mich wieder am Set abzusetzen. Das Problem war nur: Ich hatte kein Geld dabei, um den Fahrer zu bezahlen! Ich fragte das Team am Set und alle haben ihre Taschen durchwühlt, um das Geld zusammenzukratzen. Es war total chaotisch, aber genau das liebe ich an dieser Art von Dreharbeiten – es ist spontan, direkt und voller Überraschungen. Ich hätte mir gewünscht, dass der Kameramann mit ins Taxi springt, weil das sicher großartige Bilder gewesen wären. Aber solche Momente machen das Filmemachen für mich so besonders.
Der Film ist tief verwoben mit Themen wie sexuellen Fantasien und verborgenen Wünschen. Wie haben Sie und Halina diese intime Ebene gemeinsam entwickelt?
KIDMAN : Es war ein intensiver Austausch zwischen Halina und mir. Wir haben viel geredet, Geheimnisse geteilt, intimste Wünsche und Fantasien ausgetauscht. Es fühlte sich an wie ein Gespräch mit der besten Freundin, bei dem man Dinge ausspricht, die man sonst nie laut sagen würde – und dann merkt: „Oh mein Gott, fühlst du das genauso?“ Das passierte nicht nur tagsüber am Set. Oft habe ich Halina spätabends angerufen, um ihr noch eine Idee oder einen Gedanken mitzuteilen. Wir waren beide regelrecht besessen von dieser Geschichte. Diese Offenheit war unglaublich befreiend und hat uns einander sehr nahegebracht.
Das erotische Thriller-Genre war in den 90ern ein Phänomen. Erlebt es gerade ein Comeback?
KIDMAN : Ich bin mit diesen Filmen aufgewachsen, sie waren ein wesentlicher Teil dessen, warum ich ins Kino gegangen bin. Natürlich habe ich auch Kunstfilme gesehen, aber ich war genauso fasziniert von „9½ Wochen“, Adrian Lynes Filme wie „Ein unmoralisches Angebot“ oder Paul Verhoevens „Basic Instinct“ – das waren für mich Highlights. Filme wie „Untreu“ haben eine unglaubliche Dichte, so viele Schichten, und die Szenen sind einfach atemberaubend. Aber was fehlte, war eine Geschichte, bei der eine Frau im Zentrum steht – aus der Perspektive einer Regisseurin erzählt. Genau da hat Halina angesetzt: „Das ist mein Bereich, und ich werde es tun.“ Und so entstand „Babygirl“. Es fühlt sich an, als ob das Genre neu erfunden wurde, durch die Augen einer Frau.
„Babygirl“ enthält laut Ihrer Aussage die intensivsten und erotischsten Szenen Ihrer Karriere. Was hat diese Szenen für Sie so einzigartig gemacht?
KIDMAN : Es war eine Kombination aus so vielem – der Regie von Halina, der Art und Weise, wie sie Erotik und Macht in Szene setzt, und der Freiheit, die ich als Schauspielerin hatte. Ich habe schon einige freizügige und aufwühlende Filme gemacht, aber keiner war so wie dieser. In „Babygirl“ ging es nicht nur um die körperliche Darstellung, sondern auch um die Emotionen dahinter. Die Szenen sind intensiv, weil sie ehrlich sind – sie zeigen Sehnsucht, Macht und Verwundbarkeit. Und das alles aus einer weiblichen Perspektive, was es für mich als Schauspielerin unglaublich befreiend und spannend gemacht hat. Halina versteht es einfach, Erotik auf eine mutige und gleichzeitig spielerische Weise zu inszenieren. Sie ist bereit, Grenzen zu verschieben und dabei immer neue Ideen einzubringen.
Wie lief das konkret ab, zum Beispiel bei der Szene, in der Sie nur einen Bademantel tragen?
KIDMAN : Die haben wir im „Luxus“-Hotel gedreht – wobei „Luxus“ in Anführungszeichen steht, weil das Budget begrenzt und die Zeit knapp war. Alles musste schnell gehen. Wir hatten nur ein paar Stunden, um die Szenen aufzunehmen, also herrschte ständig Eile. Bei dieser Szene standen vor der Frage: „Was soll ich tragen?“ Und Halina meinte spontan: „Zieh einfach den weißen Bademantel an.“ Normalerweise wäre es in einem anderen Film so gewesen: „Sie muss in heißen Dessous dasitzen, Strapse und alles.“ Aber hier war es völlig anders. Ich sitze in diesem weißen Bademantel und schaue Harris beim Tanzen zu – was normalerweise eher die Rolle der Frau wäre. Das hat mir gefallen, es hat die Machtverhältnisse komplett umgedreht.
Und dann gab es die Szene mit der Milch, in der Sie auf allen Vieren am Boden waren und wie eine Katze Milch aus einer Untertasse geleckt haben …
KIDMAN : Genau. Ich bleibe in diesem Bademantel, lecke Milch aus einer Untertasse, lasse mich von Harris aufheben wie ein Baby – das war alles Teil der Inszenierung, und es hat einfach funktioniert. Es war so erfrischend und ehrlich. Halina hat diesen Ansatz, der nicht darauf abzielt, die Frau durch Äußerlichkeiten zu objektivieren, sondern sie in ihrer Sinnlichkeit und Macht darzustellen.
Wie viele von diesen intensiven und körperlichen Szenen waren eigentlich im Drehbuch vorgesehen?
KIDMAN : Vieles davon stand tatsächlich gar nicht im Drehbuch. Es war eher so, dass wir es am Drehtag gefunden haben. Es hatte diesen spielerischen Geist, und das war das Schöne daran.
Und wie ist es, über diese Szenen zu sprechen oder sie sich anzusehen?
KIDMAN : Ich erröte, wirklich! Es ist verrückt. Aber vielleicht ist das ja auch etwas Gutes. Ich finde es unglaublich spannend, solche Themen zu erforschen, aber ich bin nicht der extrovertierte Typ. Während der Dreharbeiten war ich vollkommen in meiner Rolle. Immerhin ist es ja ‚nur‘ eine Rolle, aber alles bis ins Detail zu entmystifizieren, fühlt sich fast an, als würde man etwas Heiliges preisgeben.
Das scheinen jedenfalls intensive Drehtage gewesen zu sein.
KIDMAN : Absolut. Es war körperlich und emotional herausfordernd. Wir mussten alles in kürzester Zeit schaffen, was das ganze Team auf Trab gehalten hat. Ich hatte ständig die Sorge: „Was, wenn ich krank werde? Was, wenn ich COVID bekomme oder die Grippe?“ Es fühlte sich manchmal wirklich wie Russisch-Roulette an, aber wir haben es geschafft – und das Ergebnis spricht für sich.
Sie hatten sechs Projekte im Jahr 2024. Glauben Sie, dass Sie gerade Ihren Moment haben?
KIDMAN : Ich sehe das nicht so. Ich empfinde immer noch eine große Neugier und Aufregung darüber, was noch kommen wird. Es gibt so viel, was ich noch entdecken und ausprobieren möchte …
Zur Person Nicole Kidman, geboren 1967 in Honolulu auf Hawaii, aufgewachsen in Australien, blickt auf eine lange Karriere zurück: Schon als 16-Jährige stand sie vor der Kamera, Filme wie die Actionkomödie „BMX-Bandits“ machten sie in Australien zum Star. In die oberste Liga in Hollywood rückte die erfolgreiche Kidman nach ihrer Scheidung 2001 von Superstar Tom Cruise auf, gewann unter anderem den Oscar für ihre Rolle in „The Hours – von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Kidman ist im Kino ab kommender Woche an der Seite von Harris Dickinson und Antonio Banderas im Erotikdrama „Babygirl“ zu sehen. Verheiratet ist die Australierin mit dem Countrysänger Keith Urban, sie lebt mit ihrer Familie auf einer Ranch nahe Sydney.
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