Von klein auf im Krieg: Martin Schäubles "Die Geschichte der Israelis und Palästinenser"
Martin Schäuble fächert in seinem Sachbuch differenziert und gut verständlich den Nahost-Konflikt auf. Vor allem lässt er dabei Israelis und Palästinenser zu Wort kommen.
Den grauenvollen Bildern und Nachrichten über den Krieg im Gazastreifen entgeht derzeit niemand. Auch Kinder und Jugendliche werden davon erschüttert und stellen Fragen, auf die es oft keine eindeutigen Antworten geben kann. „Was für Aiyub Fakten sind, sind für mich keine, und umgekehrt“, sagt der 1990 in einem israelischen Kibbutz geborene Elad Schachar nach einem Gespräch mit einem gleichaltrigen Palästinenser. Der Satz stammt aus Martin Schäubles Jugendsachbuch „Die Geschichte der Israelis und Palästinenser“ und erfasst in wenigen Worten das Dilemma einer endlos erscheinenden Auseinandersetzung, für die es heute mehr denn je keine Lösung zu geben scheint.
In persönlichen Aussagen spiegelt Autor Martin Schäuble die Fakten des Nahostkonfliktes
In vielen persönlichen Begegnungen hat der Autor und Journalist mit Menschen auf beiden Seiten der Konfliktlinie gesprochen, in ihren persönlichen Aussagen spiegelt er die Fakten des politischen Konflikts. Da sind die Schwestern Mahera und Manal Ayyad, die viele Umwege nehmen müssen, um sich zu sehen, weil eine Mauer sie trennt und Rachel Saperstein, die vom schönen und glücklichen Leben der israelischen Siedler im Gazastreifen erzählt. Zu Wort kommen Menschen, die schon unter der britischen Besatzung gekämpft haben oder die aus aller Welt nach Palästina kamen, um dort ihren Traum von einem geschützten Leben verwirklichen wollten. Auch Angehörigen von Attentätern, orthodoxen Juden und Geflüchteten in Auffanglagern der Nachbarländer gibt Schäuble eine Stimme und zeichnet damit einen Alltag voller Wut, Hass, Trauer und Terror nach. Es ist ein Leben, das seit Jahrzehnten von gewaltsamen Auseinandersetzungen durchdrungen ist.
„Von klein auf sah ich Kriege. Ich selbst kämpfte im Unabhängigkeitskrieg, im Suezkrieg, im Sechstagekrieg, im Jom-Kippur-Krieg und in vielen weiteren Einsätzen. Mein Sohn kämpfte. Mein Enkel kämpfte. Er liegt verwundet im Krankenhaus. Und ich glaube, der Enkel meines Enkels wird auch kämpfen“, wird der Israeli Abraham Bar-Am zitiert. Es ist eine Chronologie, die seine Familie mit der der Palästinenserin Amelie Dschaqaman teilt: „Meine Mutter kam während der osmanischen Besatzung auf die Welt. Ich wurde während der englischen Besatzung geboren, meine Kinder während der jordanischen, deren Kinder während der israelischen. Es gibt immer jemanden, der dieses Land will, aber nie jemanden, der uns will. Ist das keine Tragödie?“
"Die Geschichte der Israelis und Palästinenser" geht auch auf den Angriff der Hamas am 7. Oktober ein
„Die Geschichte der Israelis und Palästinenser“ ist die überarbeitete Neuauflage einer gleichnamigen Ausgabe aus dem Jahr 2007 und nun ein bemerkenswertes und äußerst differenziertes Buch zu den aktuellen Ereignissen geworden, das nicht nur für junge Menschen eine interessante und anregende Lektüre ist. Denn mit neuen Kapiteln und Stimmen sollte Anfang dieses Jahres eine erweiterte Ausgabe herauskommen, in die auch die Debatten und Unruhen im Zuge der Justizreform der Regierung Netanjahu Eingang finden sollten. Kurz vor Drucklegung ereignete sich am 7. Oktober jedoch der Angriff der Hamas auf Israel und der Verlag stoppte die Produktion, um auch das neueste Kapitel dieser unendlichen Geschichte zu berücksichtigen. Persönliche Begegnungen waren dafür natürlich nicht möglich, bedauert der Autor.
Martin Schäuble, 1978 in Lörrach geboren, war Anfang der 2000er-Jahre im Rahmen seines Politikstudiums erstmals nach Israel, nach Jerusalem gereist, um den Holocaust-Überlebenden Noach Flug für einen Zeitzeugenbericht zu befragen. Hautnah erlebte er in dieser Stadt, die für Israelis wie Palästinenser Herzstück ihrer Identität ist, den Konflikt der beiden Völker – seine Komplexität, die Ungerechtigkeiten, die Verletzungen auf beiden Seiten. Sein Interesse, ein tieferes Verständnis für das Thema zu bekommen, war geweckt. Das Studium verlegte er deshalb von Berlin nach Jerusalem, lebte einige Jahre dort wie auch in Ramallah im Westjordanland, arbeitete zeitweise in der Entwicklungshilfe und reiste durchs Land, um zu erfahren, wie die Menschen mit der verfahrenen Situation umgehen.
Wer lebte zuerst im Heiligen Land, Israelis oder Palästinenser?
Martin Schäuble kombiniert diese Augenzeugenberichte mit einer chronologischen Darstellung der Ereignisse im 20. Jahrhundert, ausgehend von der kontroversen Frage „Wer lebte zuerst im Heiligen Land, Israelis oder Palästinenser?“ Ergänzend finden sich Ausschnitte aus offiziellen Dokumenten wie der Erklärung Theodor Herzls über den „Judenstaat“, dem Teilungsbeschluss der UN oder den Reden Jitzchak Rabins und Yassir Arafats zum Oslo-Friedensabkommen. Schäuble beschreibt, wie es zur ersten und zweiten Intifada, den Aufständen der Palästinenser in den Jahren 1987 und 2000, kam und zum Bau der von der israelischen Regierung unter Ariel Scharon beauftragen Sperranlage um das Westjordanland. „Befürworter dieses Projektes sprachen von einem Zaun, Gegner von einer Mauer – die Realität liegt dazwischen“, schreibt er. Das Bemühen, beiden Konfliktparteien gerecht zu werden, prägt sein Buch ebenso wie seine Neutralität. „Wir müssen allen zuhören, immer und immer wieder. So lässt sich der Konflikt zwar nicht lösen, doch ein bisschen mehr verstehen. Das kann ein Anfang sein“, sagt Martin Schäuble.
Martin Schäuble: Die Geschichte der Israelis und Palästinenser, Hanser, 240 Seiten, 22 Euro – ab 14.
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Nach dem II.WK fing das Unrecht an. Der Nahe Osten: 75 Jahre Lügen, Menschenrechtsverletzung und falsche Politik.
„Wer lebte zuerst im Heiligen Land, Israelis oder Palästinenser?“
Und schon braucht man dieses Buch nicht mehr. Diese Frage ist so absurd falsch, dass, wer die ernsthaft stellt, sich aus jeder Sachdiskussion verabschiedet. Der will nur noch Populismus, der knietief im moralinsauren Sumpf watet.
Menschen lebten schon in der Gegend, bevor daraus das „heilige Land“ wurde.
Und seid man das Land „Palästina“ nennt, sind alle die dort leben „Palästinenser“. Egal ab Christen, Juden oder Araber. Den Begriff „Palästinenser“ auf die Araber zu reduzieren, ist rassistischer Populismus, wie Arafat in wollte.
Die Osmanen haben Palästina nicht „besetzt“. Für das osmanische Reich war Palästina über Jahrhunderte Kernland. Die Engländer haben das Land auch nicht „besetzt“. Sie übten ein Völkerbund-Mandat aus, dass 1949 mit der Umsetzung des Mandats-Beschlusses endete.
Der „Teilungsbeschluss“ der UN wurde von arabischer Seite abgelehnt. Man hätte es hier erwähnen können. Vielleicht auch, dass der Staat Israel am Tag seiner Gründung angegriffen wurde.
Vielleicht hätte man auch erwähnen können, dass es einen eigenständigen Staat „Palästina“ in den letzten 4000 Jahren menschlicher Geschichte nicht gegeben hat. Somit gibt es nichts, was sich über Jahrhunderte als „palästinensisches“ Staatsvolk mit einender Kultur hätte entwickeln können.
Es ist also völlig absurd, solche Sätze in die Landschaft zu stellen: „ Es gibt immer jemanden, der dieses Land will, aber nie jemanden, der uns will.“
Vielleicht kann man mit dem Buch einen Tisch am Kippeln hindern, einen anderen Mehrwert kann ich nicht erkennen.