So werden Sie zum eigenen Sommelier
Einige praktische Weisheiten und ein paar lässige Weine – so bringt man den Zauber, den ein guter Sommelier im Restaurant entfachen kann, an den eigenen Tisch zu Hause.
Im Restaurant kommt das immer federleicht daher: perfekte Kombinationen mit Speisen und Wein, dazu Tropfen, die man nicht erwartet hätte. All das garniert mit kleinen Geschichten zum Inhalt im Glas, über den Winzer oder die Art des Ausbaus. Wie aber bringt man den Zauber, den ein guter Sommelier an einem kostspieligen Abend im Restaurant entfachen kann, an den eigenen Tisch zu Hause? Einige praktische Weisheiten und ein paar lässige Weine helfen.
Schaumwein kann viel mehr
Es ist fast schon eine Pflicht am Beginn des Abends. Perlen muss es im Glas. Und dann hat der Schaumwein in vielen Fällen oft schon seine Schuldigkeit getan als Apéro im Stehen. Verschenkt ist das, denn der Sekt/Cava/Spumante/Champagner kann so viel mehr. Mit seiner Cremigkeit und ebendieser Perlage begleitet er Gerichte elegant, bei denen ein Stillwein ordentlich Alkohol und Körper vorlegen müsste, um mithalten zu können.
Laura Burkhardt und ihr Mann Sebastian Schür widmen sich seit 2012 mit ihrem kleinen „Sekthaus BurkhardtSchür“ im fränkischen Bürgstadt genau diesem Thema. „Unsere Sekte sind keine klassischen Apéro-Schaumweine, sondern viel mehr Essensbegleiter“, sagt Laura Burkhardt. Die beiden legen großen Wert auf „hocharomatische Trauben“. Im Keller gestehen sie ihren Schäumern ein langes Lager auf der Hefe zu. Angefangen bei 36 Monaten bis hin zu 111 Monaten verbringen sie in der zweiten Gärung, ehe sie degorgiert werden. Die Dosage ist mit zwei Gramm pro Liter im extrem trockenen Bereich zu verorten. Kein Wunder, schließlich will man ja den Speisen die Hand reichen mit den gerade mal fünf verschiedenen Schaumweinen aus den klassischen Champagner-Rebsorten. Natürlich liebt dabei der Risotto den Blanc de Blancs Chardonnay mit seiner Cremigkeit. Der filigrane „Blanc de Meuniers“ (aus Schwarzriesling, auch Müller-Rebe genannt) nähert sich perfekt und zurückhaltend einer Peking-Ente oder einem Kartoffelsoufflé mit Comté-Käse aus dem Jura. Keine Frage, dass der „Blanc de Noirs“ (aus Pinot Noir, also Spätburgunder) den Steinbutt mit der Beurre Blanc gekonnt begleitet. Hoch-Küche also.
Laura Burkhardt aber gerät bei einer ganz anderen Speisenkombination zu ihren Schaumweinen in Wallung: „Immer denken die Leute, dass man nur Hummer, Langusten und ganz noble Speisen zu feinen Schaumweinen kombinieren kann. Mein absoluter Favorit dazu sind fränkische Bratwürste.“
„Tradition brut“, € 28, www.burkhardtschuer.de
Trocken oder was?
Es ist sicherlich das meistgebrauchte Wort in der Beschreibung von Wein. Es ist so etwas wie das ABS, das jeden retten kann, wenn man etwas zu Weinen sagen soll, aber in Wirklichkeit keine Ahnung davon hat. Und: Es ist ein Begriff, der fast nichts aussagt und deshalb einem qualitätvollen Tropfen nicht gerecht werden kann.
Gemäß dem deutschen Weingesetz von 1971 darf sich ein Wein „trocken“ nennen, solange er nicht mehr als neun Gramm Restzucker pro Liter hat. Tatsächlich jedoch kann beispielsweise ein Riesling mit wesentlich mehr als 30 Gramm Restzucker trocken schmecken, wenn er eine dezidierte Säure um die zehn Gramm hat. Es ist also eine Frage der Balance, wie ein Wein empfunden wird. Wenn die Restsüße keine Gegenspieler hat, wie etwa bei Süßweinen aus südlichen Ländern, ist nach einem kleinen Glas schon Schluss mit dem Trinkvergnügen, weil die Angelegenheit dann pappig werden kann. Den Ritt auf der Klinge zwischen Süße und Säure beherrschen die deutschen Winzer wie niemand sonst auf der Welt.
Florian Lauer hat in seinem Weingut in Ayl (mit feinem kleinem Wein-Hotel!) genau eine einzige Rebsorte, nämlich Riesling. Alles in Handarbeit mit spontaner Vergärung. Mit ihr spielt er virtuos die ganze Klaviatur von trocken über feinherb bis süß. Gemäßigte Temperaturen mit einer langen Vegetationsperiode von April bis November ermöglichen an der Saar in den Steillagen die perfekte Ausprägung dieser Stilistik, die durch sehr mäßige Alkohol-Gradationen, meistens um die zehn Prozent, glänzt. Ein weiteres Argument ist das für die „Arbeit“ des Freizeit-Sommeliers, der sich über Gäste freuen kann, die auch nach der zweiten Flasche noch gesprächsfähig sind. Denn Rieslinge von Florian Lauer können richtig was. Angefangen mit dem feinherben „Alt Scheidt“, der mit der diskreten Schärfe von asiatischen Gerichten perfekt umgeht über die gereifte Spätlese aus der Lage „Ayler Kupp“, die einen Rotwein zum leicht süßen Fleisch des Rehrückens zur Überraschung aller Gäste vergessen lässt bis hin zur „Feils“ Spätlese, die den alten Gouda oder einen anderen Hartkäse mit Qualität zum Leuchten bringt. In der englischen Wein-Szene umgeht man die Diskussion um „trocken“ übrigens mit britischem Humor: „Talk dry-drink sweet“, sagt man dort.
2023 Alt Scheidt Riesling feinherb, € 11,90, www.lauer-ayl.de
Ein Wein für alle Gänge
Bei aller Wein-Freude gibt es doch viele Abende, an denen man kein mehrgängiges Menü auftischt und vielleicht auch gar nicht so elaboriert über das feine Getränk aus vergorenen Trauben reden mag. Und sich dennoch freut, eine richtig gute Flasche zu trinken, die sich an fast alle Speisen gekonnt und diskret anschmiegt. Wie schön, dass es diese Rebsorte gibt! Noch schöner: Die besten Exemplare kommen aus dem Freistaat, also aus Franken. Die Rede ist vom Silvaner, der so viel kann: von trocken bis edelsüß, von konventionell bis biodynamisch, von federleicht bis tiefgehend gewichtig, vom Ausbau im Edelstahl für fruchtigere Weine bis hin zur Reife im alten Holzfass oder gar im neuen Barrique-Fass.
Der Silvaner drängt sich dabei mit seinen Aromen nach Birne und Kräutern nie in den Vordergrund. Die Säure, die er mitbringt, bleibt bei aller Präsenz, immer diskret. Je nach Exemplar dieser wunderbaren Rebsorte begleitet sie eine derbe fränkische Brotzeitplatte genauso gekonnt wie einen feinen Fisch, egal, ob es sich um Süß- oder Salzwasser-Exemplare handelt. Bei Huhn und Kalb macht er ohnehin eine gute Figur mit seinen hellen Aromen. Aber er kann, in entsprechend gewichtiger Ausprägung, auch mit rotem Fleisch wie Lamm, Wild und Rind mitgehen.
Auf die Qualitäten dieser wunderbaren Rebsorte hat man im Weingut Rainer Sauer in Escherndorf schon immer gesetzt. Sohn Daniel hat mittlerweile übernommen und setzt auf den Silvaner, der seiner Meinung nach „mit der Klimaveränderung viel besser umgehen kann als der Riesling, weil die Beeren deutlich weniger Sonnenbrand bekommen“. Gegenwärtig haben die Sauers 61 Prozent Silvaner im Weinberg stehen. „Tendenz steigend“, sagt Daniel, der sich mit zwei Silvanern schon früh verewigt hat: mit dem „Freiraum“, der mit einer längeren Maische-Standzeit exotische Aromen einbringt, und dem „Ab Ovo“ („Aus dem Ei“), der im Beton-Ei ausgebaut ist mit einer reduzierten Frucht, feiner Salzigkeit und großem Reifepotenzial.
Basis für all die Silvaner aus dem Hause Sauer ist die berühmte Lage „Escherndorfer Lump“. Von dort kommen insgesamt acht Silvaner, vom trinkigen Gutswein bis hin zum Großen Gewächs. Seit dem Jahr 2022 sind die Weine bio-zertifiziert („Naturland“). Fast müßig zu erwähnen, dass der Silvaner auch Bio mit aller Konsequenz kann.
2022 Freiraum Silvaner, € 14, www.weingut-rainer-sauer.de
Und zum Käse?
Das Klischee ist klar und direkt vor Augen: Der Franzose hat ein Baguette unter dem Arm, einen Käse im Korb und dazu, na klar, eine Flasche Rotwein. Finden Sie den Fehler! Wenn es denn ein Camembert ist oder ein Hartkäse wie Pecorino oder Manchego, dann geht der rote Tropfen gerade noch durch. Doch auch schon in diesen Fällen wird es schwierig mit der Salzigkeit des Käses und den Gerbstoffen im Rotwein. Diese Kombination führt gerne in die Bitternis am Gaumen. Also Weißwein. Natürlich kann man sich ausgefeilt spielen mit Sauvignon blanc zum Ziegenkäse und einem edelsüßen Riesling zum Blauschimmelkäse.
Der immer funktionierende Käse-Begleiter kommt aus Baden und heißt Gutedel. Nicht gerade ein Name, der Begeisterung weckt. Eleganter klingt das schon in der Schweiz und Frankreich, wo er auf die Namen „Fendant“ oder „Chasselas“ hört und als die perfekte Begleitung zum Käse-Fondue und zum Raclette gilt. „Er nimmt sich in den Hintergrund“, sagt Christoph Schneider, der mit seinem Bruder Johannes das Weingut Claus Schneider in Weil am Rhein führt. Der ehemaligen Butter-und-Brot-Rebsorte widmen die beiden größte Aufmerksamkeit mit gleich vier verschiedenen Weinen aus dieser Traube.
„Früher wollte man diese Rebsorte immer fetter machen, weil sie vergleichsweise wenig Alkohol bildet. Aber das hat den Charakter verfälscht. Wir reduzieren den Gutedel im Weinberg stark, geben ihm dann ein langes Hefelager und bauen ihn im großen Holzfass aus. Der hat dann gerne mal nur zehn Prozent Alkohol und ist dabei dennoch völlig durchgegoren“. Christoph Schneider hat Freude an diesen Weinen mit ihrer leisen, aber sehr wohl vorhandenen Säure, gepaart mit zurückhaltender Fruchtigkeit. Genau dieser Umstand lässt den Gutedel zum perfekten Begleiter für Käse werden, dem er eine Bühne bester Art bietet. Natürlich gibt es in Baden auch sehr schlichte Vertreter dieser Rebsorte. Umso mehr lohnt es sich, das Quartett (von zwölf bis 22 Euro) des Weingutes Schneiders an der Lage „Weiler Schlipf“ zu spielen.
2020 El Fayoum Gutedel, € 22, www.weingut-am-schlipf.de
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