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Jazz: Ein König am Tenorsaxofon: Jazz-Urgestein Heinz Sauer wird 90 Jahre alt

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Ein König am Tenorsaxofon: Jazz-Urgestein Heinz Sauer wird 90 Jahre alt

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    Lacht nicht für gestellte Fotos – dafür aber gerne im wahren, echten Leben: Der Jazz-Saxofonist Heinz Sauer wird 90 Jahre alt.
    Lacht nicht für gestellte Fotos – dafür aber gerne im wahren, echten Leben: Der Jazz-Saxofonist Heinz Sauer wird 90 Jahre alt. Foto: Anna Meuer

    Er lacht nicht. Zumindest nicht öffentlich. Wer ihn näher kennt, der weiß aber, dass dies nur Fassade ist, ein Schutzwall, um sich nicht vereinnahmen zu lassen von den ganzen Markt-Mechanismen, bei dem ein lachender Musiker halt immer besser ankommt als ein Miesepeter. Es gibt kein Foto, auf dem Heinz Sauer lacht, obwohl er das im realen Leben durchaus gerne tut. Er mag einfach nicht sein Grinsegesicht auf Kommando anknipsen, sondern lachen, wann er will. Deswegen heißt es oft, er sei "schwierig". Wirklich? Ist einer, der ehrlich ist zu sich und zu anderen, gleich schwierig?

    Heinz Sauer ist ein Jazz-Musiker mit Prinzipien

    Der Tenorsaxofonist würde nie in eine Rolle schlüpfen. Er ist kein eitler Geck, kein versnobter Bohème, kein Showman, der ein bestimmtes Bild transportieren und sich dadurch in eine Schublade der öffentlichen Wahrnehmung setzen will. Der Mann hat sich nie verbiegen lassen, nicht früher und heute schon gar nicht. "Uh, was die alle wollen! Nur weil dieser Geburtstag ansteht!" Mag nicht darüber reden, tut es aber dann trotzdem. "Da gibt es einen, der hat mal geschrieben, dass der Michael Wollny so jung aussieht und ich nicht ganz so alt, wie ich eigentlich bin. Solche Dinge haben doch mit der Musik überhaupt nichts zu tun! Wir beide verfügen über eine gewisse Ästhetik, aber dem fällt nichts anderes ein als Jung und Alt. Das deprimiert mich schon.“

    So war er immer: Einer mit Prinzipien, einer der dem Jazz in Deutschland seinen Stempel aufdrückte, unmerklich aber nachhaltig. Der die Grenzen nach hinten schob, Widerständen zum Trotz, der Moden einfach ignorierte und sein Ding durchzog. Keiner bläst durchs Tenorsaxofon wie Heinz Sauer, nicht einmal die großen Amerikaner. Der Klang seines Hornes ist einzigartig und gleicht der menschlichen Stimme, ja einem ganzen Organismus. Er ist schlicht alles: dicht, weise, vital, schön und unberechenbar; eine geniale Quersumme dieses Instrumentes, zwischen zarten Balladen und schroffer Avantgarde mäandernd. 

    Bekannt wurde Heinz Sauer mit Albert Mangelsdorff

    Egal ob Sauer vor 50 oder vor fünf Zuhörern spielt: Jedes Konzert klingt, als wäre es sein letztes. "Der Heinz" reißt nie etwas bloß herunter, sondern serviert stets sein Herz auf einem Silbertablett. Jeder Ton ein Tropfen Blut. Er konnte nicht anders. "Ich bin Künstler und kein Musikant", proklamiert er. Der aktuelle Jazz ist für ihn allenfalls gehobene Unterhaltungsmusik. "Der Albert wollte früher mindestens einen neuen Ton in jedem Konzert hören. Daran haben wir uns beide stets gehalten."

    "Der Albert" hieß mit Familiennamen Mangelsdorff, spielte Posaune, war der vielleicht größte Jazzmusiker Deutschlands und holte sich diesen schon damals auf- und widerstrebenden Saxofonisten an seine Seite. Von 1960 bis 1978 war Sauer in dessen legendärem Quintett so etwas wie ein saxofonistisches Alter-Ego, ein freundschaftlich gesinnter Kollege, vielleicht auch ein kollegialer Freund (obwohl er dies offiziell immer bestritt), eine Boje im spießigen Sumpf der Nachkriegszeit. Von Mangelsdorff kam auch der Ratschlag, nicht so viele Platten zu hören und lieber sein "eigenes Zeug" zu spielen. "Das war ein ganz entscheidender Punkt in meinem Leben."

    Mit Michael Wollny eroberte Heike Sauer die Jazz-Welt

    Nicht dass Sauer ein kompromissloser Mensch wäre. Er kann witzig sein, generös, gnadenlos ehrlich, manchmal auch launisch. Aber die Musiker, mit denen er spielen mag, sucht er selbst aus. Bunt zusammengewürfelte Combos, Big Names oder andere Kopfgeburten von Plattenbossen passen nicht in sein Musikerbild. "Vielleicht hätte ich dann mehr Geld, aber ob ich dann so spielen würde, wäre höchst unwahrscheinlich. Da bin ich viel zu sensibel." 

    So hält er etwa Bob Degen, einem wunderbaren, in Deutschland lebenden, aber völlig übersehenen US-Pianisten die Stange. Und dann ist da noch der Junge, der ihm zu spätem Ruf verhalf: Michael Wollny, Tasten-Abenteurer, führte der ahnungslosen Musikwelt vor, welch großartiger Musiker Heinz Sauer schon immer war. Ihr Duo: Keine Absprachen, nur Improvisation, 46 Jahre Altersunterschied; eine einzige Herausforderung. Mit einem Mal lag er im Trend, wurde gefeiert, hofiert, analysiert und "wiederentdeckt", obwohl er nie weg war. Das schlagartig erwachte Interesse an einem vermeintlichen Außenseiter, der etwas besitzt, was andere nicht haben: Authentizität, Menschlichkeit, Klasse. Weltklasse.

    Um seinen 90. Geburtstag macht Heinz Sauer kein Aufhebens

    Mittlerweile lodern seine Töne nicht mehr wie brennende Felder. Nach einer schwierigen gesundheitlichen Phase ist Sauer wieder in seinem Haus in Königsstein im Taunus und lässt dort in aller Stille am Ersten Weihnachtsfeiertag seinen 90. Geburtstag über sich ergehen. Es wird keine Feier geben, wie immer. Und spielen wird er auch nicht mehr, das steht inzwischen unverrückbar fest. Auch das hat er selbst entschieden. Bevor es ein anderer tut.

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