Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Museum Brandhorst: Im Namen der blauen, gelben, roten Rose

Museum Brandhorst

Im Namen der blauen, gelben, roten Rose

    • |
    Cy Twombly, „Untitled (Roses)“ Detail, 2008
    Cy Twombly, „Untitled (Roses)“ Detail, 2008 Foto: Museum Brandhorst

    Ein reizvolles Ausstellungsversprechen unter dem Edith-Piaf-Chanson-Titel: "La vie en rose" ("Das Leben in Rosa gesehen"): Brueghel, Monet, Twombly. Da springt das Hirnkasterl an und arbeitet. Was und wie viel wohl diese drei Künstler aus drei Epochen (Frühbarock, Impressionismus, Nachkriegskunst) verbinden mag im Namen der Rose? Die jüngste Schau im Obergeschoss des Münchner Brandhorst-Museums hätte aber ebenso berechtigt auch annoncieren können: "La vie en rose – Arcimboldo, Münter, Twombly. Wäre auch gegangen, weil die Rose und Twombly als zentrale Begriffe erhalten bleiben.

    Denn darum kreist die Ausstellung: um die großformatigen Rosen-Variationen des italophilen US-Künstlers Cy Twombly (*1928–2011), die ja einen Schwerpunkt der herausragenden Brandhorst-Sammlung ausmachen. In Reih' und Glied gehängt, umfangen sie nun Pflanzen-, Früchte- und Blumenansichten früherer Zeiten oder zeitgenössischer Kollegen – eben von Arcimboldo, Jan Brueghel dem Älteren über Nicole Eisenman, Isa Genzken, Georgia O'Keeffe, Elsworth Kelly, Monet, Gabriele Münter bis hin zu Richter und Warhol.

    Twombly eröffnet die Ausstellung mit einem "Sommerwahnsinn"

    Die zitierte Rose ist dabei oftmals keine Rose mehr, sondern eine vergleichbar schöne Blütenpflanze, und so integriert sich die Schau nachweislich in das Münchner "Flower Power Festival 2023", das in anderen Münchner Ausstellungen die Natur im städtischen Raum feiert, etwa im Botanischen Garten, im Biotopia, in der Kunsthalle, im Gasteig. Flower Power: Am dichtesten dran – zeitlich wie emblematisch betrachtet – ist im Brandhorst-Museum sicherlich Andy Warhol mit einer Auswahl kleiner Blumen-Serigraphien von 1965. Damals ging's los mit der friedlichen amerikanischen Hippie-Bewegung.

    Aber noch einmal zurück zu Twombly, der mit einem fulminanten "Sommerwahnsinn" (Mischtechnik auf Papier, 1990) die Ausstellung geradezu wie ein Feuerwerk eröffnet. Aus einem Erdklumpen schießen raketengleich Blumen hervor; das Bild empfiehlt sich als Farbexplosion. Und gleich daneben erhebt sich das gleiche Motiv – nun in grauer Bronze – als Skulptur ("Thermopylae", 1992). Ein beziehungsreiches Entree, dem berückende Beispiele von Twomblys gestischer Krikelkrakelkunst folgen, bei der im Fall der Rosen sich oft genug in den Farbverläufen der Vorder- und Hintergrund überlagern.

    Die Rosenbilder von Twombly werden in neuem Kontext geboten

    Im Mittelpunkt freilich stehen dann besagte Rosenbilder, die – in neuem Kontext geboten – geradezu eine Neubetrachtung erfordern. Aufschlussreich, dass von Ausstellungskurator Achim Hochdörfer, der als Museumsdirektor und Twombly-Spezialist praktisch selbst "kocht", explizit auf die vielen lyrischen Bild-Einschreibungen, Bild-Einritzungen des Künstlers hingewiesen wird. Im Fall der sechs Rosen-Monumentalgemälde sind dies Gedichtzitate von Ingeborg Bachmann (blaue/dunkelrote Rosen), Emily Dickinson (gelbe Rosen), Patricia Waters (rosafarbene Rosen) sowie Rainer Maria Rilke (rote Rosen). Auf dessen Grabstein und auf Twomblys Bild ist zu lesen: "Rose, oh reiner Widerspruch, Lust, Niemandes Schlaf zu sein unter so viel Lidern". 

    In Verbindung mit den Twombly-Rosen schlägt Hochdörfer nun mehrere Kapitel der Vergleichsbetrachtung mit gegenübergestellten Künstlern auf: unter "Lebensfreude und Erlösung" etwa Arcimboldos Frühlingsblumenporträt eines Mannes ("Allegorie des Frühlings, 1563) und die "Heilige Familie" (um 1621) vom sogenannten "Blumen-Brueghel", der die Gottesmutter Maria von einem "M" in Blütengirlandenform überwölbt. Unter der Überschrift "Wahrnehmung und Erinnerung" beispielsweise das mittelgroße "Seerosen"-Gemälde Monets von 1915 aus der Neuen Pinakothek; unter "Sinnlichkeit und Erotik" auch zwei Gemälde Georgia O'Keeffes, was durchaus nachvollziehbar ist, obwohl sich die US-Künstlerin gegen derlei Assoziationen verwahrte; und unter "Tod und Trauer" u. a. ein Stillleben stark verwelkter Lilien Gerhard Richters (1994) sowie eine mit Holzkohle skizzierte Rose ("O.T.") von Jannis Kounellis, die eingefasst ist von Rasierklingen. So ist die Schau auch eine Deklination allgemeiner Blumensymbolik – vom Lebenserwachen bis zum Memento mori. 

    Was "La vie en rose" noch zeigt: zahlreiche Pflanzen-Fotografien Twomblys. Tulpen, Engelstrompeten, Erbsenschoten, Zitronen. In Belichtung, Unschärfe und Zufallsmotivik lassen sich durchaus Verbindungen zu Richter ziehen. Auch hier wird beziehungsreich wieder eine Plastik Twomblys integriert, nämlich ein kleiner bunter Blütenkorb auf Gips, womit die von Twombly fotografierten Pfingstrosen auch aus Papier/Zellstoff materialisiert worden wären ...

    "La vie en rose – Brueghel, Monet, Twombly" im Museum Brandhorst: bis 22. Oktober 2023, Öffnungszeiten: täglich außer montags

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden