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Sachbuch: Einstein und Co: Was uns die Revolution der Physik gerade heute lehrt

Sachbuch

Einstein und Co: Was uns die Revolution der Physik gerade heute lehrt

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    Albert Einstein erhielt 1921 den Nobelpreis und trug dazu bei, dass sie unser Verständnis von Welt und Wirklichkeit.
    Albert Einstein erhielt 1921 den Nobelpreis und trug dazu bei, dass sie unser Verständnis von Welt und Wirklichkeit. Foto: stock.adobe.com

    Das kann doch überraschen: Auch nach dem Tod und abseits aller nun auch noch veröffentlichten Hinterlassenschaften von Superstar Steven Hawking bleibt die Physik bestsellertauglich. Zwar hat es sein designierter Welterklärungsnachfolger Michio Kaku noch nicht in diese Sphären geschafft – aber das kulturgeschichtliche Erfolgsrezept der vergangenen Jahre schlägt auch in der Naturwissenschaft durch.

    Wie etwa Florian Illies bereits wiederholt literarisch und aktuell in „Liebe in Zeiten des Hasses“, wie Wolfram Eilenberger philosophisch etwa in „Zeit der Zauberer“, so findet nun Tobias Hürter mit der Physik sein Publikum, indem er auf ziemlich charmante, weitgehend voraussetzungsfreie und sehr menschelnde Weise von einer in der Disziplin besonders spannenden und zudem weltgeschichtlich bewegten Zeit erzählt (wenn auch nicht ganz so stilistisch fein wie Illies oder Eilenberger). Und wenn es dann eben um höchste Fachprominenz wie Albert Einstein geht, von dem man aber auch erfährt, wie problematisch etwa sein Verhältnis zu Frauen war (chauvinistisch eskalierend in erster Ehe, danach dann zugleich eine Beziehung und dazu eine Affäre mit der Tochter der Partnerin); und wenn während des beschriebenen halben Jahrhunderts zwischen 1895 und 1945 die Welt von der Physik ausgehend gleich doppelt revolutioniert wurde: Dann ist es eben gar keine so große Überraschung mehr, dass „Das Zeitalter der Unschärfe“ schnell zum Bestseller geworden ist.

    Atombombe und Weltformel: Die dunkle und die helle Seite der Macht der Physik

    Was bei Hürter mit Marie Curie beginnt und ihrer Entdeckung einer Strahlung, die sie „radioaktiv“ nennt, das endet bei ihm damit, dass die deutsche Physikerprominenz in englischer Kriegsgefangenschaft in Farm Hall von der ersten Atombombe der Amerikaner auf Hiroshima erfährt – und ein Werner Heisenberg etwa reagiert „tief getroffen in seinem Wissenschaftlerstolz“. Denn auch der gebürtige Würzburger hatte ja daran geforscht, war aber an der Berechnung dessen gescheitert, was hier nun die Welt ganz faktisch zu einer anderen machte. Das ist die dunkle Seite der Macht der Physik.

    Die helle Seite ist nicht weniger mächtig, aber auf ganz anderer Ebene. Denn wenn die großen Fragen, was wirklich ist und was die Welt im Innersten zusammenhält, bis dahin das Feld der Philosophie als Mutter der Wissenschaften waren – in diesem Zeitalter ändert sich das Verständnis von Sein und Seiendem durch die Physik so grundlegend, dass sie bestimmend für das Verstehen überhaupt wird. Einstein mit seiner Relativitätstheorie, Heisenberg mit der Quantenmechanik – hier geriet vom Größten bis ins Kleinste alles in Bewegung. Natürlich kann der Publizist Hürter in diesem Rahmen kaum leisten, dass auch für den Laien genau begreifbar wird, was Quanten sind und warum das dazugehörige Bild der Welt unvereinbar mit dem Einsteins erscheint. Aber für ein Verständnis, was da ins Rutschen kommt, wenn Licht plötzlich als Welle und Materie erscheint und wenn die Bewegungen und damit auch der Aufenthaltsort von Elektronen nicht mehr durch Gesetze eindeutig begründbar sind – das vermittelt sich durchaus. Und auch, warum nicht Einsteins berühmtes e=mc2 als die schönste aller Formeln, womöglich als Weltgleichung gelten sollte, sondern die sogenannte Dirac-Gleichung, mit der Brite Paul Dirac in jener Zeit das Elektron beschreibt.

    Aber vor allem sind es die Begegnungen mit Menschen wie Erwin Schrödinger (samt Katze) und Niels Bohr (samt dem regelrecht in ihn verliebten Einstein) mit ihrem gleichzeitigen Gegen- und Miteinander, die in diesem Buch strahlen – bei aller Düsterkeit des zeithistorischen Horizonts (samt Weltkriegen). Bitte noch mehr Bücher dieser Art also, aus noch mehr Disziplinen.

    In diesem Fall lässt daraus etwas gerade für die Unschärfen unserer Zeit lernen: Wissenschaft schreitet in nie in absoluter Gewissheit voran – und zwingt dabei teils selbst die Klügsten, ihre Überzeugungen, ihre Weltbilder zu überdenken.

    Das Buch: Tobias Hürter: Das Zeitalter der Unschärfe. Klett-Cotta, 400 S., 25 Euro.

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