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Pfingstfestspiele: Wenn Cecilia Bartoli und Rolando Villazón sich herzen

Pfingstfestspiele

Wenn Cecilia Bartoli und Rolando Villazón sich herzen

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    Thomas Hampson (von links), Cecilia Bartoli, Rolando Villazón, Mélissa Petit und Gianluca Capuano brachten "L'anima del filosofo" konzertant für die Salzburger Pfingstfestspiele heraus.
    Thomas Hampson (von links), Cecilia Bartoli, Rolando Villazón, Mélissa Petit und Gianluca Capuano brachten "L'anima del filosofo" konzertant für die Salzburger Pfingstfestspiele heraus. Foto: Marco Borrelli, Salzburger Festspiele

    Er war ja wohl der erste Star-Musiker der Menschheitsgeschichte: Orpheus, im 6. Jahrhundert v. Chr. in Thrakien geboren, Sohn der schönstimmigen Dichtkunst-Muse Kalliope und – laut Ovid – des Instrumentalisten Apoll. Als Halbgott übertrumpfte er mit Belcanto die Vokalkunst der Sirenen, erweichte Steine, ja bezwang prinzipiell die Unterwelt, indem er seine verblichene Frau Eurydike von dort hätte zurückholen können. 

    So einen konnte man brauchen, als im Oberitalien Ende des 16. Jahrhunderts der jungen Oper das Laufen beizubringen war, einen, der durch Gesang alle(s) bezwingt.

    Auch weitere Wendungen der Musikhistorie hatte der Star fürderhin zu beglaubigen: Glucks Opernreform mit "Orfeo ed Euridice", die erste Operette "Orpheus in der Unterwelt" (Offenbach) – jeweils Ausweise der Macht der Musik. Mit ihr war es jetzt jedoch erheblich schwankend bestellt, als sich zu den Salzburger Pfingstfestspielen alles um Orpheus/Orfeo/Orfée drehte. Die singende Intendantin Cecilia Bartoli hatte wieder eines ihrer Konzeptprogramme ausgerufen und die künstlerische Kraft eben des Halbgotts zum Thema gemacht – vor allem mit Reform-Opern von Gluck sowie mit Haydns Opernfragment "L’anima del filosofo". 

    Salzburger Pfingstfestspiele: Diesmal enttäuschte Cecilia Bartoli

    Aber leider, leider, diesmal enttäuschte Cecilia Bartoli, diese an sich seit Jahren sichere Bank. Jedenfalls in Glucks italienischem "Orfeo", der in einer modifizierten Fassung gegeben wurde, nämlich in einer für eine Fürstenhochzeit umgearbeiteten (Parma 1769). Aber den angesagten glücklichen Schluss dieser "theatralischen Aktion" verweigerte Christof Loy als Regisseur und Choreograph – sich damit dem tragischen Ende des Orpheus-Mythos nähernd: Loy machte aus dem Werk gleichsam eine Endlos-Schleife und Orfeo zu einer Art Sisyphus. Die Regie mündet in die gleiche Szene, wie sie zu Beginn des Abends zu sehen war: Orfeo trauert und beschließt, Euridice aus dem Totenreich zurückzuholen. Eine never ending story. 

    Cecilia Bartoli ist Orfeo. Im schwarzen Hosenanzug, in einer modernen Gesellschaft, will sie viel mehr als Gluck mit seinem Opernreform-Streben nach dem Einfachen und Natürlichen. Sie will Wahrhaftigkeit im Sinne auch von Realismus. Sie ist in ihrem Zorn über Euridices Verlust entschlossen bis zum Äußersten, bis zum tatsächlichen Schmerzensschrei. Sie zetert, bebt, verzweifelt – mit Pathos, großer Geste, voller Hochdruck. Das tut ihrem Gesang nicht gut. Er flackert, klingt fahl, rau bis rabiat. Das mag in Teilen Ernst Kreneks düster-expressionistischen Orfeo-Deutung (1923) angemessen sein, nicht aber Glucks klassisch empfindsamer Komposition. Und weil auch Loys szenische Deutung im Eindimensionalen, Konventionellen, Statischen steckenblieb, geriet dieser Salzburger Auftakt befremdlich, enttäuschend. Letztlich überzeugten nur der Chor und die feinnervigen "Les Musiciens du Prince" unter der Leitung von Gianluca Capuano. 

    Nun rückte Bartolis Mezzo in günstigeres Licht

    18 Stunden später, nachmittags, stand die Bartoli wieder auf der Bühne, diesmal als Euridice in Haydns konzertant gegebener "L’anima des filosofo" mit doppelter Tragik: Orfeo tot, Euridice tot. Nun rückte Bartolis Mezzo in entschieden günstigeres Licht. Sie kann noch zaubern, zumal zum Sterben, aber sie kann nicht mehr zaubern mit links. Ihre Koloraturen bedürfen der Konzentration; im Aussingen mindert sich ihr betörender Stimmglanz. Glasklar tönten aber die namhaften Kollegen auch nicht: Thomas Hampson (Creonte) und Rolando Villazón (Orfeo). Gerade Villazons nachgedunkelter Tenor blieb belegt; in seinen Koloraturen kaute er regelrecht. Dass er dennoch Ovationen erhielt, schien eher Frucht seiner Bühnenpräsenz zu sein denn seines vokalen Parts: Er kommt aus der Haut des Komikers offenbar nicht mehr heraus, nicht einmal mehr in tragischen Stoffen. Dieses Missverständnis goutierte das Publikum ebenso, wie es mit Begeisterung goutierte, als Bartoli und Villazón sich auf offener Bühne zweimal herzten. Wieder hinterließen Gianluca Capuano und die monegassischen "Les Musiciens du Prince" besten Eindruck. 

    Dann Orpheus zum Dritten: Glucks Pariser Tragédie-Opera mit viel Ballett in einer General-Produktion von John Neumeier (Regie, Choreografie, Bühne, Kostüme, Licht). Auch er lässt den Stoff – nach einem tödlichen Verkehrsunfall Eurydices – tragisch enden: Sie lebt im Herzen und in der Kunst Orfeos weiter, der hier ein moderner Ballett-Choreograf ist. "Alles, was lebt, dient im Reich der Schönheit" heißt es einmal bei Gluck, und dies war wohl auch Neumeiers Motto zu dieser 2017-Produktion voller Edel-Eleganz, Hochästhetik, Haute Couture. Eine Spur zu schön, um wahr zu sein; doch vortrefflich getanzt vom vielköpfigen Hamburg-Ballett.

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