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„Stiller“ beim Münchner Filmfest: Das Drama der Selbstbestimmung in der Frisch-Verfilmung.

Premiere

„Stiller“ oder Das Drama der Selbstbestimmung

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    Julika (Paula Beer) fragt sich, wer James Larkin White (Albrecht Schuch) wirklich ist.
    Julika (Paula Beer) fragt sich, wer James Larkin White (Albrecht Schuch) wirklich ist. Foto: Studiocanal/Filmfest München

    „Ich bin nicht Stiller.” Damit beginnt Max Frisch 1954 den Roman, der ihn international bekannt machte. Über 70 Jahre später feierte die weltweit erste Verfilmung von „Stiller” Weltpremiere auf dem 42. Münchner Filmfest. Regisseur Stefan Haupt bleibt im Setting der 1950er Jahre und entscheidet sich für einen nüchternen Erzählstil, scheitert aber am Versuch, der Sprache Frischs gerecht zu werden.

    „Stiller” erzählt die Geschichte des rätselhaften US-Amerikaners James Larkin White (Albrecht Schuch), der an der Grenze der Schweiz aufgegriffen wird, weil er bezichtigt wird, in eine dubiose politische Affäre verwickelt zu sein. Doch es ist nicht White, der gesucht wird, sondern der seit sieben Jahren verschollene Bildhauer Anatol Stiller (Sven Schelker), der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht. Selbst Stillers Frau Julika (Paula Beer) scheint ihn als Anatol zu erkennen. Larkin streitet ab, der Mann zu sein, den andere in ihm sehen. Doch wie soll man denn beweisen, dass man jemand nicht ist?, fragt White im Film und baut ein großes Lügengebäude auf.

    Der Film gibt der Affäre mit Sibylle mehr Raum

    Er präsentiert seinem Wärter (Marius Ahrendt) filmreife Abenteuer aus dem fernen Amerika, später auch Julika. Die ehemalige Ballerina beginnt zu zweifeln, ob der Mann, dem sie gegenübersitzt und der sogar eine Katze eingefroren haben soll, wirklich ihr Anatol ist. Sie lässt sich auf ihn ein, um hinter seine harte Fassade blicken zu können. In längeren Rückblenden sieht man auch Stillers Affäre mit Sybille (Marie Leuenberger), die mit Stillers Fall verknüpft ist. Der Film gibt der Affäre mit Sybille mehr Raum, als der Roman es tut.  

    Szenen aus der Vergangenheit setzt Regisseur Stefan Haupt klar ab, indem er für jeden Zeitabschnitt einen anderen Schauspieler wählt. Sven Schelker mimt den egozentrischen, der Welt entrückten Künstler, während Albrecht Schuch mit starker physischer Präsenz den deutlich aggressiveren James Larkin White verkörpert. Schuch und Schelker sehen sich tatsächlich sehr ähnlich, und so funktioniert die Idee des Regisseurs sehr gut. Außerdem macht Haupt klare Abgrenzungen. Prägnante Szenen wie Stillers Hochzeit zeigt er in Schwarzweiß, die Szenen des Kennenlernens in warmen Erdtönen, die Ermittlung in kalten Farben. Nur Julika trägt warmes Rot. Im Laufe des Filmes ändert sich der Farbton wieder und wird wärmer.

    Die Kamera markiert ein Bild der Einsamkeit

    Das Drehbuch von Stefan Haupt und Alex Buresch konzentriert sich auf Stillers Aufzeichnungen im Gefängnis, auf die episch lange Ich-Erzählung von Stiller wird verzichtet. Stattdessen besucht man mit Larkin Orte, die für Stiller wichtige Stationen markierten. Nichts ist heil geblieben. Weder das Sanatorium, wo Julika einst gegen ihre Tuberkulose behandelt wurde, noch Stillers Statue am Seeufer, bei ihr fehlt der Kopf. Das trostloseste Bild: Larkin sitzt mit Julika an einem Seebecken. Kameramann Michael Hammon wählt eine intime Perspektive, die Kamera ist Schuch und Beer ganz nah. Als sie sich voreinander entfernen, entfernt sich auch die Kamera und markiert ein Bild der Einsamkeit. Die Bilder nehmen Larkins Innenperspektive ein. Sieht man Anatols Werkstatt, dann vermischen sich auch bildlich gestern und heute.

    Auch heute noch sind Stillers Fragen aktuell und universell, und das ist wohl der Grund, warum die Worte des Romans immer noch nachhallen. „Entweder verzweifeln wir daran, wir selbst sein zu wollen, oder wir verzweifeln daran, nicht wir selbst sein zu wollen“. Am 30. Oktober startet der Film im Kino.

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