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Foto: Patrick Pleul, dpa
Foto: Patrick Pleul, dpa

Nobelpreisträgerin Herta Müller hat den Gegenaufruf an Kanzler Scholz mitunterzeichnet.

Ukraine-Krieg
05.05.2022

Offener Brief an Olaf Scholz: Plädoyer für Waffenlieferungen an die Ukraine

Von Richard Mayr

Die Debatte unter Intellektuellen in Deutschland geht weiter – wieder mit einem offenen Brief an den Kanzler. Der nuklearen Drohung soll mit Abschreckung begegnet werden.

Offene Briefe an Bundeskanzler Olaf Scholz sind gerade zu der Form für Intellektuelle geworden, öffentlich über Deutschlands militärische Unterstützung für die Ukraine zu debattieren. Erst hat eine Gruppe von 28 Prominenten um Alice Schwarzer im Online-Portal der Frauenzeitschrift Emma den Kanzler dazu aufgefordert, weiterhin besonnen zu bleiben und keine schweren Waffen an die Ukraine zu liefern – auch um eine nukleare Eskalation zu verhindern. Mittlerweile haben diesen Brief im Netz mehr als 220.000 weitere Menschen unterzeichnet. Nun gibt es im Online-Portal der Zeit einen Gegenaufruf, der vom grünen Politiker und Publizisten Ralf Fücks angestoßen worden ist und den ebenfalls viele Prominente unterzeichnet haben.

Beteiligt haben sich neben Fücks unter anderem die Schriftstellerinnen und Schriftsteller Eva Menasse, Herta Müller, Maxim Biller und Daniel Kehlmann, der Pianist Igor Levit, der Vorstandsvorsitzender der Springer AG Mathias Döpfner und der Soziologe Armin Nassehi.

Sie alle signalisieren dem Kanzler Unterstützung dabei, nun schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. „Es bedarf keiner besonderen Militärexpertise, um zu erkennen, dass der Unterschied zwischen ,defensiven’ und ,offensiven’ Rüstungsgütern keine Frage des Materials ist: In den Händen der Angegriffenen sind auch Panzer und Haubitzen Defensivwaffen, weil sie der Selbstverteidigung dienen“, heißt es in dem Gegenaufruf.

Weiter steht dort, dass es im Interesse Deutschlands liege, einen russischen Erfolg des Kriegs zu verhindern. Die russische Führung fürchte nicht die fiktive Bedrohung der Nato, sondern vielmehr den demokratischen Aufbruch in ihrer direkten Nachbarschaft.

Der Gefahr einer atomaren Eskalation muss durch glaubwürdige Abschreckung begegnet werden

Im Gegenaufruf wird auch die Gefahr eines Nuklearkriegs anders bewertet. Sie sei nicht durch Konzessionen an den Kreml zu bannen, die ihn zu weiteren militärischen Abenteuern ermutigen. „Würde der Westen von der Lieferung konventioneller Waffen an die Ukraine zurückscheuen und sich damit den russischen Drohungen beugen, würde das den Kreml zu weiteren Aggressionen ermutigen. Der Gefahr einer atomaren Eskalation muss durch glaubwürdige Abschreckung begegnet werden.“ Dieser Aufruf wurde im Netz bislang innerhalb von einem Tag von mehr als 37.000 Menschen unterzeichnet.

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Mittlerweile taucht bei dem urprünglichen Brief der 28 Prominenten ein Name nicht mehr auf: Die Schriftstellerin Katja Lange-Müller hat in einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung erklärt, warum sie den offenen Brief in der Emma besser nicht unterzeichnet hätte.

Die Angst vor dem Krieg und einer weiteren Eskalation habe sie dazu gebracht. „Aber musste der von mir mitunterzeichnete Brief die grund- und schuldlos Angegriffenen, also die Ukraine, quasi zur Kapitulation auffordern, sie darüber belehren, dass die Verantwortung für die Gefahr einer Eskalation zum atomaren Konflikt nicht ,allein den ursprünglichen Aggressor angehe’, sondern ,auch diejenigen, die ihm sehenden Auges ein Motiv zu einem gegebenenfalls verbrecherischen Handeln liefern’?!“, so Lange-Müller.

Ein Besuch in Estland habe ihr die Augen geöffnet. Ein älterer Mann erklärte ihr dort, dass Estland die Ukraine unterstütze, obwohl oder gerade weil sie die Russen fürchteten.

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