Bekanntlich kann man Zeit nicht stehlen. Und einfach an der Uhr drehen, das führt nicht weiter. Angeblich vergeht die Zeit immer gleich schnell, auch wenn Einsteins Relativitätstheorie da ein Fragezeichen gesetzt hat. Aber wer schafft es schon, sich auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, um die Zeit zu dehnen? Mehr von ihr wäre trotzdem schön, es gibt ja so viel zu tun: neue Serien, neue Bücher, neue Musik. Und das Fernsehen gibt es auch noch. Und wenn man sich dann auch noch auf Social-Media-Kanälen bewegt, ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Die großen Tech-Riesen wissen, wie man die Leute bei der Stange hält. Oder anders gesagt, sie gehen mit ihrer Kundschaft wie Dealer um: Mach‘ sie süchtig, dann konsumieren sie alles.
Wie reagieren die Zeitlosen? Ganz einfach, sie spielen mit der Geschwindigkeit. Den Podcast kann man schneller hören, die Vorlesegeschwindigkeit des Buchs lässt sich erhöhen. Auf TikTok werden musikalisch Sped-up-Versionen verwendet, beschleunigte Fassungen. Dann dauert so ein Song nicht mehr vier Minuten, sondern etwas unter drei. Das mag anfangs schrill, hochgeknautscht und infantil klingen, aber egal, der Zweck heiligt die Mittel. Und der Markt irrt bekanntlich nie. Also trimmen Musikerinnen und Musiker ihr Material auch auf schnell - Lana Del Reys „Sommertime Sadness“ mit Fiepse-Stimme ist schon mehr als 500.000 Mal gehört worden. Die Anwendungsgebiete für „In doppelter Geschwindigkeit“ sind allerdings noch viel größer: in der Schlange beim Arzt, während der Endlospräsentation beim nächsten Meeting und natürlich bei verspäteten Zugfahrten aller Art. Insgeheim wächst jedoch die Hoffnung, dass die Pause-Taste wieder in Mode kommt.
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