
Der Ammersee ist seit 45 Jahren Feuchtgebiet: Die Auswirkungen

Plus Vor 45 Jahren wird der Ammersee nach der Ramsar-Konvention zum Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung ernannt - eine folgenreiche Entscheidung.
Vor 45 Jahren, im Jahr 1976, wurde der Ammersee gemäß der Ramsar-Konvention als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung ausgewiesen. Am 2. Februar feiert die Konvention ihr 50-jähriges Bestehen. Welche Auswirkungen hatte diese Ausweisung für die Region? Das Landsberger Tagblatt sprach darüber mit Gebietsbetreuer Christian Niederbichler und mit dem Vogelzähler Josef Willy.
Aus seiner Sicht, so Niederbichler, habe sich das Prädikat „Ramsar-Gebiet“ für den Ammersee durchweg positiv ausgewirkt. „Die Ausweisung ist Ausdruck der internationalen Wertschätzung, die der Ammerseeregion in Fachkreisen entgegengebracht wird. Sie belegt die herausragende Stellung dieses Feuchtgebietes zum Schutz der biologischen Vielfalt und ist Ansporn und Motivation für ehrenamtlich engagierte Naturschützer.“
Landschafts- und Naturschutzgebiete am Ammersee ausgewiesen
Auch regional habe die Gebietsausweisung Konsequenzen gehabt: 1972 wurde das Landschaftsschutzgebiet Ammersee-West festgelegt. 1979 wurden das Ammer-Delta und die Raistinger Wiesen als Naturschutzgebiet „Vogelfreistätte Ammersee-Süd“ ausgewiesen, 1982 folgte das Naturschutzgebiet Ampermoos. Im Februar 1997 konnte eine freiwillige Vereinbarung mit dem Bayerischen Seglerverband und dem Bayerischen Ruderverband geschlossen werden, die besagt, dass auf dem Ammersee von Anfang November bis Ende März weder gerudert noch gesegelt wird.
Seit 20 Jahren gehören die Naturschutzgebiete Ampermoos und Ammersee-Süd außerdem zum europäischen Schutzgebiets-Netz Natura 2000. Anders als das Prädikat „Ramsar-Gebiet“ bringen die genannten Schutzkategorien rechtlich verbindliche Regelungen mit sich.

An einen weiteren großen Erfolg erinnert sich der langjährige ehrenamtliche Vogelzähler Josef Willy aus Schondorf gerne: Das sei 1997 die Anstellung von Christian Niederbichler als bayernweit erstem hauptamtlichem Ramsar-Gebietsbetreuer beim Landesbund für Vogelschutz gewesen. „Um dieses Pilotprojekt haben ehrenamtliche Naturschützer und Naturschutzverbände lange gekämpft.“
Der 83-jährige Hobby-Ornithologe war 1966 einer der ersten Vogelzähler am Ammersee. „Bereits seit 1965 war der Ammersee Teil der internationalen Wasservogelzählung. Wir konnten kontinuierliche Zählungen über fünf Jahre hinweg mit großartigen Ergebnissen aufweisen. Die Zahlen waren eine wichtige Grundlage für die Ausweisung als Ramsar-Gebiet.“
Ramsar-Ausweisung für Ammersee wurde erst nicht wahrgenommen
Als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung sei der Ammersee von weiten Teilen der Bevölkerung aber erst Jahrzehnte später wirklich wahrgenommen worden, erinnert sich Willy. „Das begann eigentlich erst 1996, zum 20. Jubiläum der Ramsar-Ausweisung. Da haben Vogelschützer und Naturschutzverbände intensiv Öffentlichkeitsarbeit betrieben und die Medien haben fleißig berichtet.“
Große Fortschritte habe, nicht zuletzt nach den Richtlinien der Ramsar-Konvention, das Monitoring am Ammersee gemacht. Nach wie vor werden jeden Monat die Wasservögel gezählt. Neben der Fauna mit Vögeln und Insekten steht dabei auch die Bestandsaufnahme und der Schutz seltener Pflanzen wie dem Torfglanzkraut im Fokus. „Im Sommer mache ich immer ein Monitoring für diese sehr seltene Moororchidee, die empfindlich auf Wasserabsenkung reagiert.“

Für solche Aufgaben würde sich Niederbichler eigene Mittel wünschen, um sie an Biologen vergeben zu können. „Das gilt auch für Zählungen von seltenen Tagfaltern oder Libellen“, erklärt der Diplom-Geograf und Ornithologe. Nicht ganz zufrieden ist Niederbichler mit der Wasservogeljagd auf dem Ammersee. Grundsätzlich sei der Ammersee ein „ganz normales Jagdrevier“, das der Freistaat an Jäger verpachtet habe, die jagdbare Wasservögel wie Stockenten, Gänse oder Kormorane (nach einer eigenen Verordnung) bis 15. Januar bejagen dürfen – ausgenommen in Ruhezonen, wie zum Beispiel dem Naturschutzgebiet Ammersee-Süd.
„Fast in allen deutschen Ramsar-Gebieten ist die Wasservogeljagd komplett eingestellt oder eingeschränkt, vor über zehn Jahren waren es bereits 85 Prozent der Gebiete, heute sind es noch mehr“, betont Niederbichler. Bevor das vor rund zehn Jahren auch am Ammersee eingeführt wurde, sei es der Öffentlichkeit, zum Beispiel bei Führungen, nur schwer zu vermitteln gewesen, dass selbst im Naturschutzgebiet Ammersee-Süd Wasservögel geschossen werden durften und das sogar vom Boot aus. Dadurch sei den Wasservögeln signalisiert worden, dass von jedem Boot, das im Herbst oder Winter über den See fährt, eine Gefahr ausgehen könnte, was eine verheerende Störwirkung auf ruhebedürftige Zugvögel hatte.
Ammersee: Vögel werden durch Paddler aufgeschreckt
Etwas Ähnliches wie die freiwillige Vereinbarung für Ruderer und Segler würde sich Niederbichler angesichts des zunehmenden Freizeitdrucks auch für Surfer, Stand-up-Paddler, Kanu- und Kajakfahrer sowie für sonstige Wassersportler wünschen, die im Neoprenanzug gerne auch ganzjährig auf dem See unterwegs sind. „Erste Gespräche in den Wassersport-Communitys haben stattgefunden und es liegen auch positive Signale vor“, berichtet Niederbichler. Schließlich betrage die Fluchtdistanz der Wasservögel ungefähr 400 Meter. „Bei jedem plötzlichen Start verbrauchen die Tiere große Energiereserven, was durchaus tödlich sein kann.“
Als positiven Effekt der Ramsar-Ausweisung sieht Christian Niederbichler auch die Wiederanhebung des Wasserstands der Amper durch die Sohlschwelle in Grafrath im Jahr 2013 und die damit verbundene Wiedervernässung des Ampermooses an. Dass die Ausweisung des Ammersees als Ramsar-Gebiet auch zu etwas mehr Fingerspitzengefühl bei der kommunalen Bauleitplanung geführt haben könnte, können sich Niederbichler und Willy durchaus vorstellen.
Keine neuen Freizeitgrundstücke am Ammersee mehr
So wurden zum Beispiel seit Jahrzehnten keine weiteren privaten Freizeitgrundstücke am See ausgewiesen und in Dießen wurde eine Überplanung aus den 1970er-Jahren, die den Bau eines Seglerhafens beim Röthelmoos vorsah, 1992 endgültig verworfen.
Währenddessen haben Christian Niederbichler und ehrenamtliche Zähler Flora und Fauna im Blick: Bei der jüngsten Vogelzählung fiel auf, dass die Kornweihen sich derzeit an ihrem sonst geliebten Schlafplatz im Ampermoos rarmachen. Das könne am erhöhten Besucheraufkommen liegen.
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