Eine Kindheitsgeschichte in Tassenform
44 Werke zeigen, wie RBK-Künstler ihre Heimat sehen. Das mag mal erheitern und mal empören
Nicht zum ersten Mal, so hieß Veranstaltungsleiterin Sabine Kusch das Vernissagenpublikum am Sonntagnachmittag willkommen, sei der Regionalverband Bildender Künstler Oberbayern-West mit einer Ausstellung in der Bayerischen Verwaltungsschule zu Gast. Und so zeigte sich der RBK auch bestens vertraut mit den örtlichen Verhältnissen: N48˚ 0’ 27’’ O11˚ 5’ 46’’ waren die geografischen Koordinaten der BVS am Standort Holzhausen exakt ermittelt und zugleich der Titel gefunden, unter dem insgesamt 36 Künstler ihre Beiträge zum Thema „Schnittstelle Heimat“ der ersten Kreiskulturtage des Landkreises Landsberg präsentierten. Sehr bewusst habe man mit der Beteiligung des US-Amerikaners Baird Cornell, der gebürtigen Polin Magdalena Willems-Pisarek sowie der syrischen Künstlerin Rawan Hassan „über den Tellerrand hinaus“ blicken wollen, wie RBK-Vorsitzende Silvia Großkopf ausdrücklich betonte und damit unterstrich, was in seiner Einführungsrede auch Alois Kramer ausführte. Zwar seien die ersten Prägungen frühkindlicher und kindlicher Zeit die stärksten, doch würde Heimat erst durch die Unterscheidung zum Begriff. In fremder Umgebung gewinne das Vertraute deutlicher Gestalt. „Heimat“, wies der Philosoph und Journalist hin, habe beides, ein „ausgrenzendes und ein verbindendes Moment“.
Mitten hinein in diese Überlegung zielt die raumgreifende Gemeinschaftsinstallation von Baird Cornell und Helmuth Hager, die in einer Anordnung von Stühlen – weshalb aber gerade acht? – rund um einen angedeuteten Tisch – weshalb aber als mehrfach ausgeschnittener, kaum tragfähiger Ring? – die unterschiedlichen Kulturen zum Gespräch bittet und dazu auffordert, am „Open Table“ über „zukunftsfähige gesellschaftliche Lösungen nachzudenken“. Das politische Ritual des Runden Tisches gedanklich neu zu beleben und visuell umzusetzen, sicherlich eine gute Idee, deren Umsetzung jedoch – besprayte Billigstühle aus Kunststoff, rostiges Eisen für den Mitte-losen Tisch und Topfpflanzen als Mahner der Zerbrechlichkeit des Lebens – in Anordnung und Verwendung des Materials und auch der Symbolik nicht vollends überzeugt. Ebenfalls einen politischen Ansatz wählt Johanna Zwerger für ihre vierteilige Serie „Assimilation I - IV“, einer in Motivüberblendungen und Materialverflechtung gleich mehrfach „ge- und verschnittenen Heimat-Vision“ einander offen begegnender Kulturen. In der Gegenüberstellung zweier Tassen, der ihres Vaters und ihrer eigenen aus Kindheitstagen, erinnert Silvia Großkopf in bewusst einfach gehaltener Bildsprache nicht nur Geschichte, sondern, damit eng verknüpft, Familiengeschichte: ein kindlicher Spielmannszug unter wehender Fahne auf der Tasse des Vaters, der mit nur 18 Jahren in den Krieg ziehen musste, und ein fröhlich ausschreitendes Mädchen hinter seinem Puppenwagen auf der Tasse der Tochter, die eine unbeschwerte Kindheit und Jugendzeit erleben durfte.
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