
Der „Historiker in Uniform“ verabschiedet sich


Oberstleutnant Gerhard Roletscheck prägte den Aufbau der Militärgeschichtlichen Sammlung in der Welfenkaserne in Landsberg. Jetzt geht er in Pension.
Es kommt nicht oft vor, dass ein Offizier innerhalb der Kaserne alleine durch Gebüsch, Geröll, alte Parkplätze und Hallen streift. Oberstleutnant Gerhard Roletscheck tat dies hin und wieder in der Welfenkaserne, immer auf der Suche nach stummen Zeugen längst vergangener Zeiten. Das hat nicht unbedingt nur mit seinem militärischen Aufgabengebiet zu tun, wenngleich sich der Landsberger in den letzten Jahren seiner Soldatenlaufbahn beinahe ausschließlich darum kümmern konnte: um den Aufbau und die Weiterentwicklung der Militärgeschichtlichen Sammlung „Erinnerungsort Weingut II“. Mit dem gestrigen Tag endete dieses Kapitel für ihn, Oberstleutnant Roletscheck geht in den Ruhestand.
„Niemals geht man so ganz“
Doch wie schon die Sängerin Trude Herr einst in einem ihrer Lieder feststellte: „Niemals geht man so ganz.“ Das gilt auch für den 61-jährigen Gerhard Roletscheck. Der Standortälteste Oberstleutnant Thomas Sandlein hat dafür gesorgt, dass Roletscheck in den kommenden drei Jahren als Wehrübender in der Welfenkaserne eine Verwendung findet. In dieser Zeit wird er sich allerdings kaum mehr um seine bisherigen Aufgaben kümmern, bis auf wenige Ausnahmen keine Gruppen oder Schulklassen mehr durch den Bunker, die Untertageanlage, führen, bei deren Bau in den Jahren 1944/45 so viele Zwangsarbeiter ihr Leben lassen mussten. Gerhard Roletscheck, so Sandleins Plan, soll all sein Wissen, dass er sich in Jahren der Geschichtsforschung angeeignet hat, aufschreiben und in einem Buch zusammenfassen.
Auch sein langjähriger Weggefährte Manfred Deiler, Präsident der Europäischen Holocaustgedenkstätte Stiftung, weiß um die Verdienste des scheidenden Oberstleutnants: „Gerhard Roletscheck prägte die Erinnerungskultur der Bundeswehr am Standort Landsberg in den letzten Jahren entscheidend mit.“ Seine historischen Kenntnisse, so Deiler weiter, und sein großes Engagement seien Garant gewesen für eine Ära gelungener Gedenkarbeit von hohem Niveau in der Welfenkaserne. Die Messelatte, die er gesetzt habe, sei hoch. „Dafür verdient er Respekt und Anerkennung!“
Der Bunkerbau wurde seine Passion
Nun ist historisches Wissen und Arbeiten niemandem von Anfang an in die Wiege gelegt. Gerhard Roletscheck auch nicht, als er 1985 an der Universität der Bundeswehr in München zu studieren begann. Doch das Interesse war immer latent vorhanden: Seine Diplomarbeit war irgendwie doch eine Geschichtsarbeit für den Luft- und Raumfahrttechniker. „Das Thema war die Do 335 und deren Aerodynamik.“ Dazu durfte Roletscheck dieses außergewöhnliche Kampfflugzeug des Zweiten Weltkriegs im Deutschen Museum vermessen und dokumentieren. Und Roletscheck sollte beim Thema bleiben. Im Freiburger Militärarchiv fand er Dokumente über den Landsberger Bunkerbau und damit seine Passion. Egal, wohin in der Folgezeit die dienstlichen Verwendungen den gebürtigen Villacher, der in Mittenwald zur Schule ging und 1970 nach Landsberg kam, führten, das Thema Holocaust und Nationalsozialismus nahm immer breiteren Raum in seinem Leben ein. Im Sommer 2009 endete sein Einsatz bei der NATO in München und Gerhard Roletscheck kam als Systemingenieur NH 90 und Tiger zurück in die Welfenkaserne.
Die Nachfolge ist geregelt
Seinen damaligen Kommandeur Oberst Klaus Schuster sieht er als großen Förderer. „Ohne ihn wären wir niemals so weit gekommen.“ Schuster genehmigte den Aufbau der Militärgeschichtlichen Sammlung, deren Existenz nur noch einmal gefährdet war. Im Zuge der Bundeswehrreform drohten Versetzungen, doch da schaltete sich Dr. Thomas Goppel, der einen Vortrag Roletschecks gehört hatte, persönlich ein. Er schrieb an den damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière und setzte sich für die Dienstposten ein. Oberstabsfeldwebel Helmut Müller, engster Mitstreiter von Roletscheck, durfte bleiben, obwohl bereits eine neue Verwendung in Fürstenfeldbruck auf ihn wartete. Für Gerhard Roletscheck wurde eine ZbV-Stelle (Zur besonderen Verwendung) geschaffen, die er bis jetzt innehatte. Seine Nachfolge ist geregelt, auf Gerhard Roletscheck wartet zum einen eine „schöne Herausforderung“, aber auch ein großes Problem: „Ich muss unbedingt Loslassen lernen.“
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