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Mode: Zeigt her Eure Beine

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Zeigt her Eure Beine

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    Fachverkäuferinnen für Mode rund ums Bein: Tanja Widitz und Irene Küppers beraten im „Nylons & Socks“ in der Schlossergasse Herren und Damen bei der Auswahl von „Beinkleidern“.
    Fachverkäuferinnen für Mode rund ums Bein: Tanja Widitz und Irene Küppers beraten im „Nylons & Socks“ in der Schlossergasse Herren und Damen bei der Auswahl von „Beinkleidern“. Foto: Thorsten Jordan

    Mieder, Strapse und hochhackige Schuhe: Dr. Frank N. Furter, Hausherr in der Rocky Horror Picture Show, liebte seine Nylonstrümpfe, gehalten von schwarzen Strumpfbändern. Männer in Strumpfhosen, ein Skandal Mitte der 70er-Jahre. Heute ist das immer noch nicht „normal“, doch durchaus nicht mehr ungewöhnlich, weiß Tanja Widitz zu erzählen. Sie ist Fachverkäuferin für Mode rund ums Bein. Auch in Landsberg, sagt sie, liebe der eine oder andere Mann Seidenstrümpfe, meist werden sie unter der Hose getragen. Die kleine, quirlige Frau, nach eigenen Angaben „schon länger 29 Jahre alt“, berät seit 15 Jahren in Asams drei Modeläden Herren und Damen bei der Auswahl ihrer „Beinkleider“. Schöne Strümpfe, das sei wie schöne Unterwäsche und Dessous, „man tut es für sich“ sagt Tanja Widitz, und eine Nylonstrumpfhose sei eben ein schönes Gefühl auf der Haut, „man fühlt sich“.

    Nylons & Socks heißt der winzige Laden in der Schlossergasse, mit zehn Quadratmetern das zweitkleinste Geschäft Landsbergs. Annemarie Asam, die Gründerin, ließ im Jahr 1977 das spätmittelalterliche Haus in der Schlossergasse 376 komplett renovieren. Das Farbenfachgeschäft verschwand und ein Plattenladen zog in den größeren Raum im Erdgeschoss. „Wir könnten uns ein wenig in der Innenstadt präsentieren“, überlegte Asam, die seit 1968 ein Modegeschäft in der Von-Eichendorff-Straße hat. Sie beauftragte ihre Tochter Marion Asam-Weber im wöchentlichen Wechsel ausgewählte Mode aus dem Hauptgeschäft auch in der Altstadt anzubieten. Ende der 80er zog der Modeladen in den großen Nachbarraum und das kleine, feine Strumpfgeschäft entstand. Hier gibt es, erzählt Asam-Weber, ein großes Sortiment von klassischen Damen- und Herrenstrümpfen über Sneakersocken, Füßlinge, Stulpen, Funktionssocken, Leggings und Overknees. Von farbenfroh, gepunktet, geringelt und kariert, über klassisch businesslike bis zu Netz- und Stützstrümpfen. Jeder Strumpf, meint Mitarbeiterin Tanja Widitz, könne das eigene Outfit modisch aufwerten, das sei die Kunst oder, um in der Modesprache zu bleiben, das sei eben Stil. Wenn das Gesamtbild stimme, gehen zum Sportoutfit auch weiße Socken, so Widitz weiter. Männer trauen sich in der Regel weniger als die Damen. Nach wie vor gelte, Herrenstrümpfe sollen dunkler sein als der Schuh und gerne auch ein wenig länger. Schon Karl Lagerfeld bemängelte die bleiche, haarige Männerwade, die unter der Anzughose hervorlugt, wenn Mann die Beine übereinanderschlägt.

    Überraschenderweise ist die Geschichte der Strumpfhose zu einem großen Teil eine Geschichte der männlichen Mode. Ein Strumpf, man kann es ganz unerotisch formulieren, ist ein Kleidungsstück für den Fuß, „ein textiler, zum Bein hin offener, am Zehenende geschlossener Schlauch, dem Winkel zwischen Fuß und Unterschenkel entsprechend vorgeformt“.

    Bis zum Mittelalter trugen Männer und Frauen weit geschnittene, lange Kleider. Dann schrumpfte innerhalb weniger Jahrzehnte das Beinkleid des Mannes und die Strümpfe wurden sichtbar. Eng und körperbetont war angesagt. Das Deutsche Strumpfmuseum berichtet von regelmäßigen Verfügungen der Obrigkeit gegen zu kurze Hosen. Ende des 14. Jahrhunderts ging „die Torheit der Menschen so weit, dass die jüngeren Männer so kurze Röcke trugen, dass sie weder die Schamteile noch den Hintern bedeckten“.

    Beine und Füße der Frauen dagegen zählten lange zum Intimbereich und waren ein ängstlich verhülltes Geheimnis. Doch spätestens seit Marlene Dietrich im Jahr 1930 als „Blauer Engel“ ihre Beine in feinsten Seidenstrümpfen erotisch in Pose brachte, ist ein weiblicher Traum geboren: makellose, verführerische und schön geformte Beine. Doch Seidenstrümpfe waren teuer. Erst mit der Erfindung der vollsynthetischen Kunstfaser Mitte der 30er-Jahre rückte das eigene Paar sexy Strümpfe in greifbare Nähe. 1940 wurden der amerikanischen Frauenwelt vier Millionen Paar braune Nylonstrümpfe angeboten, die innerhalb von zwei Tagen ausverkauft waren.

    Fortan entwickelte sich die weibliche Beinmode rasant: Zum „skandalösen“ Minirock der späten 60er-Jahre trug Frau noch farblose Nylons. In den 1970ern, inspiriert von Vivienne Westwood, zerrissen sich Mädchen die schwarzen Netzstrümpfe und hielten sie mit Sicherheitsnadeln zusammen: die Geburt der Punk- und Wavemode. In den 1990ern holte Madonna Netzstrümpfe dann wieder an die glamouröse Oberfläche. Heutzutage gehe modemäßig alles, sagt Tanja Widitz, die Passformen, Muster und Farben von Damenstrümpfen sind unendlich. Und die Männer dürfen nach ihrem Geschmack ruhig etwas mutiger werden. Die Nylons mit der Männerpassform kamen in ihrem Laden übrigens nicht an. Da quetscht der Mann von Welt sich anscheinend lieber in das Damenmodell.

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