
Musik – tiefsinnig und voller Poesie seit 50 Jahren

Seit 50 Jahren ist der Norweger Ketil Bjornstad nicht aus der Jazz- und Musikszene wegzudenken. Im Landsberger Stadttheater zeigte er, warum.
Wenn man über Ketil Bjornstad schreibt, kommt man an den Begriffen Emanzipation und Respekt nicht vorbei. Egal, ob es sich um die Emanzipation des europäischen Jazz gegenüber der amerikanischen Urvariante handelt, oder um den Schritt von der Klassik hin zur zeitgenössischen Improvisation (und umgekehrt natürlich), oder die sich gegenseitig befruchtende Verbindung zwischen Instrumental- und Vokalmusik. Ketil Bjornstad lebt zwischen all diesen künstlerischen Strömungen, hat sich in diesem Zwischenreich souverän eingerichtet und ist zudem extrem erfolgreich. Ein Künstler durch und durch, der nicht sucht, sondern findet, der mit offenem Geist der Welt begegnet und diese um etliche Facetten bereichert.
Pianistische Bravourstücke, die man feiern muss
Seit fünfzig Jahren lässt der Norweger die Öffentlichkeit an seinen pianistischen Bravourstücken teilhaben. Ein Jubiläum, das es natürlich zu feiern gilt. Aber wenn, dann bitte auf Bjornstads unnachahmlich zurückhaltende, dafür musikalisch großzügige Art. Am Samstag war der 1952 in Oslo geborene Pianist, Komponist, Lyriker und Romancier im Stadttheater Landsberg zu Gast und gab eines seiner großartigen Solokonzerte.

Und in diesem war der Respekt zu spüren, mit dem er der Welt der Musik und ihren Schöpfern begegnet. Denn Bjornstad entfaltet den Klang-Kosmos eines Mozart, Rachmaninow oder Beethovens mit der gleichen Wertschätzung, wie er sich lustvoll am Rande des Boogie-Woogie bewegt, den Beatles huldigt, Filmmelodien in seine freien Passagen mit einbaut oder Kinderweisen wie das Sandmann-Lied interpretiert. Manches von ihm klingt gar wie ein Popsong und anderes wie ein bearbeitetes Volkslied. Natürlich stehen im Mittelpunkt eines solchen Abends überwiegend Kompositionen aus der Feder Bjornstads – wobei es ihm seltener um die Virtuosität eines Stückes geht, als vielmehr um deren Wirkung, wie schon allein sein Ohrwurm "If Only" verdeutlicht. Dabei ist er aber auch in der Lage, für gewaltigen Theaterdonner zu sorgen, das Dramatische der Kunst herauszustellen – letztendlich mit Kontrasten und Gegensätzen zu arbeiten.
Mit viel Hingabe improvisiert
Mit aller ihm zur Verfügung stehenden Hingabe improvisiert er, verlässt mit Freuden den vorgezeichneten Weg der Komposition, nimmt Abkürzungen oder verlängert die Strecken, verwischt Akkordflächen, stellt Beiläufigkeiten ins Zentrum eines Songs, reagiert spontan und ausgelassen. Aber immer umspielen diese Monologe die Gipfel der Intimität, wobei der Pianist dem Publikum das Gefühl vermittelt, ganz nah und damit authentisch an ihm "dran" zu sein. Und dieses Authentischsein ist ebenfalls eine Begrifflichkeit, die neben Emanzipation und Respekt zu Ketil Bjoprnstad gehört und seinen Erfolg ausmacht. Denn ansonsten wäre es ihm wohl auch kaum vergönnt, sowohl in den renommierten Rainbow Studios in Oslo als auch in den legendären Abbey Road Studios in London aufzunehmen.
Hier, in Landsberg, hatte man das Gefühl, dass er eine Art Bilanz seines bisherigen Schaffens zieht. Und diese klang tiefsinnig und voller Poesie, vielfarbig wie abwechslungsreich, melancholisch und wiederum Funken sprühend, klar und rauschend wie ein belebendes Gewässer im Frühjahr.
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