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Geratshof: Segelfliegen: Wenn die Welt plötzlich Kopf steht

Geratshof

Segelfliegen: Wenn die Welt plötzlich Kopf steht

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    Wo war noch mal oben? Beim Segelkunstflug müssen die Piloten die Umgebung besonders im Blick haben. Auf den Körper wirken bei den Kurven und Loopings besondere Kräfte. Vinicius Zinkernagel (im Bild) macht beim LSV Geratshof derzeit die Ausbildung für den Segelkunstflug.
    Wo war noch mal oben? Beim Segelkunstflug müssen die Piloten die Umgebung besonders im Blick haben. Auf den Körper wirken bei den Kurven und Loopings besondere Kräfte. Vinicius Zinkernagel (im Bild) macht beim LSV Geratshof derzeit die Ausbildung für den Segelkunstflug. Foto: Jannik Eggler

    So manch ein Besucher mag sich vor Kurzem am Segelflugplatz Geratshof beim Blick in den Hangar gewundert haben. Dort hing kopfüber an einem Deckenkran in einem Fallschirmgeschirr über einem Stapel Matratzen Vinicius Zinkernagel und führte angestrengt Kommandos eines daneben stehenden Ausbilders aus. Nach dem Theorieteil (Landsberger Tagblatt berichtete: Zwei junge Segelflieger aus dem Landkreis wagen sich an den Kunstflug) war dies für den 16-Jährigen aus Prittriching der Start in den praktischen Teil seiner Segelkunstflugausbildung.

    Nach fünf Minuten war die Übung vorbei, und sichtlich froh stand Vinicius wieder mit beiden Füßen auf dem Hangarboden. „Jetzt bist du schon etwas an die ungewohnte Köperlage, die beim ersten Ausbildungsstart auf dich zukommt, gewöhnt und hast die grundlegenden Steuerbewegungen dafür mental trainiert“, erläutert Segelkunstfluglehrer Janik Eggler seinem Schützling. Ende 2017 hatte Vinicius Zinkernagel seinen Segelflugschein am Geratshof gemacht und möchte seine Qualifikation nun um die Segelkunstflugberechtigung erweitern. Schon oft hatte er andere Piloten beim Kunstflug beobachtet, selbst war er dabei aber noch nie mit im Cockpit gesessen – was sich an diesem Tag ändern sollte.

    Das Gehirn muss man austricksen

    Bevor es losgehen konnte, galt es, die besonderen Startvorbereitungen für den anstehenden Kunstflug zu erledigen. Dazu gehört die Aktivierung des speziellen Kunstflug-Luftraumes östlich des Geratshofs sowie das Einholen der Genehmigung des Flugs durch die Deutsche Flugsicherung. Darüber hinaus der Check, dass im Cockpit alles gut befestigt ist und der G-Messer, ein Instrument, das die auf Flugzeug und Besatzung wirkenden Kräfte im Kunstflug dokumentiert, aktiviert ist.

    Nachdem Vinicius im vorderen und Janik Eggler im hinteren Cockpit Platz genommen haben, ziehen Helfer die Sicherheitsgurte der beiden so fest an, dass sie sichtlich in die Sitze gepresst werden. „Das fühlt sich jetzt noch unangenehm an“, kommentiert Eggler. „Spätestens, wenn wir oben loslegen, wirst du merken, dass es genau richtig ist, möglichst eng mit dem Flugzeug verbunden zu sein.“ Dann geht es los: Die Schleppwinde katapultiert die ASK 21, das Trainingsflugzeug für den Kunstflug, zunächst auf eine Höhe von 400 Metern über dem Geratshof. Von dort schraubt es sich in einem Aufwind auf 1500 Meter hinauf – die Ausgangshöhe für den Kunstflug.

    In 1500 Metern Höhe wird es spannend

    Dort angekommen, sieht man das Flugzeug im Sturzflug auf knapp 200 Stundenkilometer beschleunigen, wieder in die Horizontale gehen und dann mit einer halben Rolle in den Rückenflug drehen – allein schon von außen ist das ein ungewohnter Anblick. Noch viel ungewohnter ist es für Vinicius im Cockpit: Plötzlich ist der Lech oben und der Himmel unten, das Blut drückt in den Kopf, und Kurven steuern funktioniert plötzlich genau entgegengesetzt. Dazu noch die Erkenntnis, dass man – nur von den Gurten gehalten und durch eine dünne Plexiglashaube vom außen getrennt – 1500 Meter über dem Boden mit dem Kopf nach unten hängt.

    „Ziel dieses ersten Fluges ist, dass sich Vinicius mit dem Rückenflug vertraut macht und lernt, sich sicher zu orientieren“, so Eggler. „Das klingt banal, ist es aber aufgrund der ungewohnten Perspektive und der wirkenden Kräfte aber nicht. Das Gehirn muss dabei lernen, komplett umzudenken.“

    Nach drei Loopings ist Schluss

    Im Rückenflug stellt Eggler nach kurzer Zeit Vinicius die Frage, wo denn nun der Flugplatz sei und tatsächlich muss der erst ein paar Mal den Kopf drehen, um ihn aus der ungewöhnlichen Fluglage zu entdecken. Fast zehn Minuten vergehen so kopfüberhängend für die beiden mit verschiedenen Manövern wie Kurven, Sink- und Steigflügen, die der Kunstflugaspirant am Ende schon selbst steuert.

    Im Anschluss lernt Vinicius noch eine der bekanntesten Flugfiguren, den Looping, kennen. Nach dem dritten in Folge gibt er dann im Cockpit das Signal, dass es fürs Erste reicht. „Das war für mich sehr wichtig, zu sehen, dass er verantwortungsvoll seine Grenzen bekannt gibt“, bestätigt Eggler „Beim Kunstflug geht es immer um Sicherheit und nicht darum, den starken Mann heraushängen zu lassen.“

    Mit glänzenden Augen steigt Vinicius nach der Landung aus dem Cockpit. „Das war unbeschreiblich schön – die Aussicht im Rückenflug auf die Erde ist unglaublich. Die Kräfte, mit denen man konfrontiert wird, haben mich echt beeindruckt. Es war definitiv gut, die Gurte so fest anzuziehen, und vorher schon mal kopfüber im Hangar gehangen zu haben, hat es mir im Rückenflug oben auf jeden Fall leichter gemacht.“

    Vinicius Zinkernagel hat seine Kunstflugpremiere bereits hinter sich. In Kürze steht sie auch für Leo Krebs an. (lt)

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