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Oper: Diana Damrau und der Krieg um die Krone

Oper

Diana Damrau und der Krieg um die Krone

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    Diana Damrau als Maria Stuarda (l.) und Serena Farnocchia als Elisabeth I. in Donizettis Belcanto-Oper Maria Stuarda.
    Diana Damrau als Maria Stuarda (l.) und Serena Farnocchia als Elisabeth I. in Donizettis Belcanto-Oper Maria Stuarda. Foto: Monika Rittershaus

    Diesmal also: Köpfen. Diesmal Schafott, Richtbeil. Auf offener Bühne.

    Einige Operntode ist Diana Damrau schon gestorben. Letal endete sie mit der Berufskrankheit einer Hure (Moll Hackabout), letal endete sie wahnsinnsumflort (Lucia) oder ausgezehrt (Violetta/Manon). Auch wurde erstochen (Gilda) und als Antonia sang sie sich regelrecht ins Grab hinab. Aber jetzt Hinrichtung. Coram publico. So blutig, so dramatisch war es noch nie.

    Wahrscheinlich, dass es mit fortschreitender Bühnenlaufbahn immer öfter tragisch wird bei den letzten ausgehauchten Atemzügen und Melodiephrasen der Diana Damrau. Das bringen halt die altersspezifischen Opernrollen im Belcanto-Fach so mit sich. Einen großen Schritt dahin hat sie nun getan am Opernhaus Zürich. Dort gab sie soeben ihr Rollendebüt als Maria Stuarda – und damit als eine erste Königin aus Donizettis Operntrias zu den drei Tudor-Herrscherinnen Elisabeth I. („Roberto Devereux“), Anna Boleyn („Anna Bolena“) und eben Maria Stuarda.

    Im Herrschaftsgebiet der größten aller Opern-Königinnen

    Und damit ist Diana Damrau auch ins Zentrum jenes tragischen Belcanto vorgedrungen, das zum Herrschaftsgebiet der größten aller Opern-Königinnen zählt: von der Callas über die Sutherland und Beverly Sills bis hin zur Gruberova. Um nur ein paar Hausnummern oder royale Schuhgrößen zu nennen.

    Jetzt also schickt sich die Günzburgerin an, in diese Wahnsinnserbfolge zu treten. Das ist kühn, aber nicht tollkühn. Dass ihr enorme Höhenleichtigkeit, stimmliche Flexibilität, hinreißendes Legato und ein ganz eigener Vokalglanz zu Gebote stehen, hat sie als Bühnentier und Queen der Nuance ja längst belegt. Nun in Zürich musste sie dies alles – nach ihrer Lucia di Lammermoor – nur noch ins gesteigert Dramatische, ins Kämpferische wenden. Dass die Züricher Inszenierung sie darin wirkungsvoll unterstützt hätte, kann guten Gewissens nicht behauptet werden: Nach der spannungsgeladenen stummen Szene zur Ouvertüre, da sich Elisabeth I. und Maria Stuarda umkreisen wie zwei Alpha-Rüden, die beide den Knochen, die englische Krone an sich reißen wollen, geht der Inszenierung schnell die Luft aus.

    Das gezauberte Pianissimo in der Höhe füllt das Haus

    Zweimal an diesem Abend legt Diana Damrau den Hebel zu einer anderen Gefühlslage, zu einer anderen Gestimmtheit der Maria Stuarda um. Erst, wenn sie – Gefängnisausgang – unglücklich-glücklich die Natur, eine schwerelose Wolke und ihre Jugend in Frankreich besingt, aber dann in Stolz verfällt und in Rage und Zorn gerät über ein absichtsvoll anberaumtes Treffen mit ihrer Widersacherin Elisabeth. Das hat eine blitzende innere Wucht und eine Entschiedenheit, die die Damrau so noch nicht entwickelte.

    Und wenn sie sich dann später, im Finale, zu einer Schmerzensfrau, ja Passionsfigur wandelt und ätherisch, abgeklärt, entrückt mit sich und ihrem hohen Sopran ins absolut Reine kommt, dann bewegt sie sich schlafwandlerisch sicher auf ihrem ureigensten Terrain. Kein Ton, keine Phrase hat irgendwelche Erdenschwere. Das gezauberte Pianissimo in der Höhe füllt das Haus. Attacke, Volumen gefährlich knurrende Tiefe hier, Seelenflügel, Innigkeit dort: Das ist es, was nicht bange werden lässt bei Damraus Weg vom hohen Koloratursopran zur tragischen Belcanto-Königin. Nach ihrem letzten Gebet: Ovationen.

    Kurz vor der Premiere mit dem Sohn noch im Spital

    Hernach, bei der Premierenfeier auf der Hauptbühne, dort wo zuvor ihr Kopf noch rollte, bekennt sich Diana Damrau im Gespräch zum Wunsch, künftig auch die Anna Bolena und die Elisabeth aus „Roberto Devereux“ singen zu wollen: „Ich hoffe“. Zusammen mit den gewichtigeren Strauss-Rollen, die sie in Aussicht hat, wäre das eine ganz spezielle Mischung. Und die Damrau lässt im Gespräch auch erahnen, warum sie wohl ihren letzten Ton im Leben der Maria Stuarda nicht oktavierte, was man ja – triumphierend über alle Todesangst – tun könnte. Doch zu dem Zeitpunkt, da sie sich für den Abend in Ruhe hätte einsingen, einkleiden, schminken können, musste sie den Sohn wegen einer akuten Entzündung im Spital untersuchen lassen. Kurz vor knapp seien ihr Mann und sie selbst im Opernhaus eingetroffen. Soviel zum Spannungsgefüge zwischen Alltagswidrigkeiten und Rollendebüt, Nervenstärke und höchster Sangeskunst. Kein Ding für jedermann.

    Bleiben die künstlerischen Widrigkeiten der Regie. Regisseur David Alden erklärt im Programmheft, dass er zwischen verschiedenen Realitäten schwanke, wenn er inszeniere. Nun, in Zürich schwankt er zu häufig zwischen Opern-Kintopp, Klischee, Rampensteherei, unfreiwilliger Opern-Parodie.

    Ein Erzbösewicht mit Hackebeil 

    Als Pars pro toto sei auf die lächerliche Typisierung von Lord Cecil (Andrzej Filonczyk) verwiesen, der als Erzbösewicht und Rächer über die Bühne zu geistern hat: lange Haare, bösartig emporgereckter Spitzbart, dunkler Mafia-Nadelstreifenanzug, bedrohlich-große Schatten werfend – und regelmäßig ein Hackebeil schwingend. O sancta simlicitas.

    Und wenn klar ist, dass Maria Stuarda gerichtet wird, dann senkt sich ein mächtiges Gerippe kopfüber in die Szene hinein. Für wie begriffsstutzig, ja doof hält uns der Regisseur, wenn er glaubt, zu solcher Symbolik greifen zu müssen?

    Vokal betrachtet, ist Serena Farnocchia (Elisabeth) keine Konkurrentin für die DD: Töne und Silben werden von ihr mehr verschliffen als artikuliert und gebunden. Da ist wenig gestochen. Ebenbürtig aber Pavol Breslik mit festem metallischem Tenor (Leicester), auch wenn er zur Premiere krankheitsüberwindend nicht in valeurreicher Topform war. Nicolas Testé, im wahren Leben Ehemann der DD, besticht mit mächtig schwarzem Bassbariton, doch muss er sich als Talbot laut verantwortungsloser Regie einen Abend lang an einer Aktentasche festhalten.

    Enrique Mazzola hielt die Philharmonia und den Opernchor Zürich tendenziell zu agitato und brio an; das trug zunehmend Früchte. Der anfangs etwas pauschale Orchesterklang differenzierte und dramatisierte sich immer stärker – bis hin zu einem musikalisch fulminanten Finale.

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