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Ein Phänomen namens Herbert

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Ein Phänomen namens Herbert

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    Ein Phänomen namens Herbert
    Ein Phänomen namens Herbert

    Es beginnt mit „Sekundenglück“. Tatsächlich aber währt das Freudenfest für über 12000 Zuschauer an diesem Dienstagabend in der ausverkauften Münchner Olympiahalle mal wieder fast drei Stunden. Und wiederholt sich exakt so am Tag danach beim Zusatzkonzert. Aber bevor man sich nun fragt, was ihn 40 Jahre nach seinem Debütalbum, 35 Jahre nach dem Durchbruch mit „Bochum“ noch immer zu einem deutschen Pop-Phänomen macht: Herbert Grönemeyer beschreibt es auf seine unnachahmliche Art ganz einfach selbst.

    „Wir haben über lange Jahre untersucht, warum die Menschen zu meinen Konzerten kommen. Das Ergebnis ist ernüchternd“, erzählt er mitten hinein in dieses Konzert. Und zwar: Zwei Prozent nur kämen wegen der Musik, vier Prozent wegen der Texte, 12,5 Prozent wegen seines ausgefeilten Tanzstils – und 36 Prozent wegen seiner Optik, seines Aussehens. Weil die Leute es einfach nicht fassen könnten, was sie da zu sehen bekämen. Und damit ist tatsächlich alles gesagt über diesen Normalo-Superstar, diesen bei großem Mitteilungsdrang alles zu Klang-Dada vernuschelnden Dichter, diesen leichtfüßigen Bären und faustballenden Softie, der da in schwarzem Anzug und weißen Turnschuhen und mit Acht-Mann-Band auf die Bühne tritt.

    Bloß eben in all seiner Herberthaftigkeit. Ironisch, sich seiner eigenen Verschrobenheit und des Wundersamen am Erfolg bewusst. Denn es ist ja auch in München wieder erstaunlich: Grönemeyer, bald 63, hat ein Publikum, das im Durchschnitt einfach nicht älter wird, weil jüngere Fans immer neu hinzukommen. Der absolute Höhepunkt mag mit dem bis heute meistverkauften Album in Deutschland überhaupt, „Mensch“, erreicht gewesen, als Grönemeyer auch Riesenarenen wie das Olympiastadien nebenan mühelos füllte – aber auch jetzt, 17 Jahre später und mit dem 15. Album, „Tumult“, bleibt: Die Millionen bekommen in allen Generationen nicht genug von ihm.

    Und Herbert nicht von den Fans. Das führt inzwischen zu einer fast schon absurden Konzert-Gestaltung. Nach exakt 96 Minuten geht Grönemeyer mit allem Abschieds-Brimborium erstmals von der Bühne – um dann zu ganzen drei Zugabenblöcken mit insgesamt elf Songs immer wieder zurückzukehren. Was noch einmal fast genauso lange dauert. Da kann man sich schon mal mit einem auch an diesem Abend selbstverständlich wieder gespielten Klassiker fragen: „Was soll das?“ oder viel eher „Wssllds?“

    Will der Star so sicherstellen, dass sie ihn nach dem allerletzten, beseelten Solostück „Immerfort“ dann auch wirklich gehen lassen? Will er – es läuft ja überall auf der Tour exakt so ab – einfach in Serie das Gefühl produzieren, einem ganz besonderen, nicht enden dürfenden Abend beizuwohnen? Oder ist das sogar ein hintersinniges Konzept, weil das Zugaben-Verhältnis seinem Karriere-Status entspricht: Die Hälfte ist schon Zugabe?

    Was natürlich nicht heißt, dass der rackernde Feingeist Grönemeyer weniger als alles aufböte. Er spielt fast das ganze neue Album, darunter auch „Taufrisch“ und „Fall der Fälle“, die er zu Bekenntnissen gegen rechts und die Spaltung der Gesellschaft nutzt. Dazwischen serviert er immer wieder Klassikern, von „Bochum“ über „Männer bis „Vollmond“, auch „Halt mich“ und „Alkohol“, „Musik nur, wenn sie laut ist“ und „Kinder an die Macht“. Alles wird gefeiert, wenn die Kombinationen auch mal befremdet: Warum etwa nach der Trauerstück „Der Weg“ den Entliebenssong „Flugzeuge im Bauch“? Hauptsache wirkt? Herberthaftigkeit halt. Und der sagt ja eh über sich: „Ich habe eine merkwürdige Selbstwahrnehmung. Ich mag mich am liebsten, wenn andere denken, der hat sie nicht mehr alle.“ Aber hier denkt das keiner, hier hat er sie alle.

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