Startseite
Icon Pfeil nach unten
alfa unplatziert
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Seenotrettung: Wegschauen ist keine Lösung

Kommentar

Seenotrettung: Wegschauen ist keine Lösung

    • |
    Flüchtlinge schwimmen mit Rettungswesten im Meer, bevor sie vom Rettungsschiff «Ocean Viking» aufgenommen werden.
    Flüchtlinge schwimmen mit Rettungswesten im Meer, bevor sie vom Rettungsschiff «Ocean Viking» aufgenommen werden. Foto: Hannah Wallace Bowman/MSF/Sos Méditerranée (dpa)

    Die Innenminister der EU wollten nicht das Flüchtlingsproblem lösen. Es ging ihnen nicht um die Frage, was mit den Hilfesuchenden in der Türkei, auf den griechischen Inseln oder in Spanien geschieht – obwohl auch da eine Lösung wahrlich überfällig wäre. Nein, es ging in Luxemburg lediglich um jene 6000 Menschen, die ohne private Rettungsschiffe nicht überlebt hätten. Deutschland öffnet keine Schleusen, um Tausende ins Land zu lassen. Das ist alles.

    Innenminister Horst Seehofer hat die Debatte, die sich daran entzündet hat, in Luxemburg zu Recht als „beschämend“ bezeichnet. Weil die Alternative darin bestehen würde, diese Menschen in den sicheren Tod zu schicken. Und weil es zynisch wäre, ein paar tausend Tote in Kauf zu nehmen, um andere Flüchtlinge davon abzuschrecken, in die Schiffe der Schlepper zu steigen. Eine EU, die nicht mehr als solche Menschenverachtung zu bieten hat, verliert jedes Recht, sich auf hehre Werte zu berufen.

    Die EU braucht eine Neuregelung

    Das Luxemburger Treffen war so gesehen eine Enttäuschung. Eine gute Vereinbarung, die viele Klauseln gegen Missbrauch, gegen eine dauerhafte Belastung einzelner Staaten und gegen Aushöhlung durch Nicht-Asylberechtigte bietet, reicht noch nicht aus, um die Regierungen dieser Gemeinschaft zu einem entschlossenen Einschreiten zu bewegen? Es stimmt zwar, dass der Moment ungünstig ist, weil zahlreiche Mitgliedstaaten wie Österreich, Portugal oder Spanien noch keine amtierende Regierung oder Wahlen vor sich haben. Aber um die Vorschläge von Seehofer und seinen Verbündeten aus Italien, Frankreich und Malta zurückzuweisen, reichte es trotzdem?

    Das ist nicht minder beschämend, zumal alle Beteiligten ja wissen: Die Europäische Union braucht eine neue, gemeinsame Regelung für den Umgang mit Flüchtlingen und Asylberechtigten, aber auch mit jenen, die kommen und zurückgeschickt werden müssen. Denn alles gehört zusammen. Bisher wurde nichts erreicht und das vergleichsweise behutsame Vorgehen Deutschlands, Frankreichs, Maltas und Italiens noch zerredet. Nein, es ist nicht Europa, das da gerade versagt, sondern eine große Zahl von Mitgliedstaaten, die die europäische Solidarität offenbar vor allem dann in den Mund nehmen, wenn es um Fördermilliarden geht, die andere für sie bereitgestellt haben.

    Eine Koalition der Willigen?

    Die viel zu kleine „Koalition der Willigen“, die noch auf den Beistand von einer Handvoll weiterer Länder hoffen darf, sollte ihren Plan dennoch weiterverfolgen. Und wenn die östlichen Mitgliedstaaten zwar keinen Geretteten aufnehmen, aber in anderer Weise Unterstützung leisten, mag auch das ein Einstieg in eine gesamteuropäische Aufgabenteilung sein – vorausgesetzt, es hilft, Fluchtgründe zu beseitigen, Schlepper zu bekämpfen, unmenschliche Auffanglager zu verhindern und den nassen Tod im Mittelmeer zu stoppen.

    Nur eines sollte allen klar sein: Die Zeit des Redens, des Abwägens und Blockierens muss zu Ende sein. Weder das Outsourcen der Seenotrettung noch das Wegschauen sind eine Lösung. Europa wird immer für alles mitverantwortlich sein, was in den Meeren vor seiner Haustüre passiert. Man würde sich wünschen, dass bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in der nächsten Woche jemand aufsteht und den Kollegen ins Gewissen redet.

    Es mag ja gut und richtig sein, wenn jeden Freitag für mehr Klimaschutz demonstriert wird, damit künftige Generationen einen gesunden Planeten zum Leben haben. Aber manchmal würde man sich auch wünschen, dass die Demonstranten mit gleicher Inbrunst für eine humane Europäische Union eintreten, die die Einhaltung der Menschenrechte nicht auf die eigenen Bewohner begrenzt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden