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Damals: Der Al Capone vom Donausmoos

Damals

Der Al Capone vom Donausmoos

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    Auch mit seinem Tod war damit nicht Schluss. Alle Besucherrekorde für die kleine Kulturstadt wurden gebrochen, als das Stadttheater Neuburg im Oktober und November 2006 in einer Eigenproduktion mit dem aus Neuburg stammenden Winfried Frey als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller den "Räuberhauptmann" in dem trotz großer schauspielerischer Leistungen umstrittenen Psychogramm "Theo Berger - Bruchstücke" auf die Bühne brachte. Und schon ein Jahr später war auf Grund der großen Nachfrage die Wiederaufnahme in den Spielplan schier unvermeidlich. Seitdem sind die Diskussionen um den auf dem Alten Friedhof im Herzen Neuburgs beigesetzten Verbrecher an den Stammtischen nie mehr ganz abgerissen. Bei jedem V erbrechen, bei jedem großen Prozess werden Vergleiche gezogen etwa in der Art "Der Berger Theo wäre damals nicht so gut weggekommen…" "Schuld" daran hat das Bühnenstück, das für die einen "dem so unglücklich auf die schiefe Bahn geschobenen Theo Berger" endlich mehr gerecht wird und für die anderen seine schweren Verbrechen zu wenig geißelt.

    Bis heute ist es auch umstritten geblieben, inwieweit es zumindest "übertriebene" Darstellungen vor allem in den Boulevardblättern waren, wenn behauptet wurde, dass viele Menschen im und um das Donaumoos den Rebellen gegen die Obrigkeit und gut aussehenden Frauenhelden Theo Berger nahezu verehrt und auf seinen Fluchten entsprechend auch oft unterstützt und versteckt hätten. In einem Interview mit der "Neuburger Rundschau" ( unter der Überschrift "Theo Berger verspielte seine Chancen") kurz nach dem Tode des "Al Capone vom Donaumoos" nahm der heute betagte Schrobenhausener Polizeibeamte Josef Paulus, 1969 bei einer spektakulären Aktion als einer der "Berger-Fänger" bekannt geworden, die Bevölkerung im Donaumoos in Schutz. Natürlich habe ihm der eine oder andere geholfen. Aber grundsätzlich müsse man schon differenzieren zwischen Zustimmung zu seinen Straftaten, wie sie, zumindest nach den Schüssen 1969 auf den Schrobenhausener Polizeibeamten Fritz Roithmeier, einem beliebten jungen Sportler, kaum noch bei jemandem vorhanden gewesen sei, und der vor allem anfänglich großen Schadenfreude über die Art, wie der Theo ("Er war nicht intelligent, aber raffiniert") die Polizei halt immer wieder boshaft an der Nase herumzuführen verstand. So erinnerte sich Paulus etwa daran, wie Theo Berger direkt vor der Schrobenhausener Polizei-Inspektion die Reifen zweier Polizeiautos zerstach oder wie er bei den Ordnungshütern in der Lenbachstadt telefonisch den Diebstahl eines Luxusautos in einem Autohaus anmeldete und dann auch wieder selber Vollzugsmeldung machte, ohne erwischt worden zu sein.

    Über eines ist man sich im und um das oberbayerische Donaumoos herum freilich weitgehend einig: Fachleute wie einfache Bürger glauben, dass Theo Berger irgendwie zum Scheitern vorverurteilt gewesen sei. Von Großfamilie und Schule in schwieriger Nachkriegszeit vernachlässigt und nicht verstanden, sei er für verhältnismäßig noch relativ harmlose Straftaten als 20-Jähriger mit drei Jahren Jugendstrafe viel zu hart angepackt worden, wodurch er sich in einen totalen Hass gegen die Obrigkeit hinein steigerte, aus dem er keinen Weg mehr herausfand. Er kämpfte nur noch gegen Zwang jeder Art, gegen alle Versuche, ihn zu "brechen". Das musste letztlich bei der Justiz zu der Auffassung führen, dass "der Berger Verbrechen begeht, solange er noch kriechen kann". Die 2001 an Krebs verstorbene ehemalige Karlshulder Lehrerin, die den Theo 1991 im Gefängnis heiratete, scheiterte mit vier Gnadengesuchen. Wie sie 1996 erzählte, vertrieb sich ihr Mann die meiste Zeit in seiner Zelle mit Lesen, so nicht zuletzt der "Neuburger Rundschau", und mit Fernsehen. Nie abreißen ließ er den Kontakt zu seinen drei unbescholtenen unehelichen Töchtern (zwei seiner insgesamt fünf unehelichen Kinder von drei unterschiedlichen Frauen starben ganz klein). Eine in Neuburg bürgerlich verheiratete Tochter glaubt noch heute, dass ihr Vater ein gutes Herz hatte und dass vieles von all den schrecklichen Dingen nicht geschehen wäre, wenn er in seiner Kinder- und Jugendzeit eine starke Führung gehabt hätte. Der schon erwähnte Polizeibeamte Josef Paulus spielte unter anderem eine wichtige Rolle, als am 11. April 1969 die 115 Tage dauernde große Jagd auf Theo Berger nach dessen ersten Ausbruch in der so genannten Scharnitz, einem Waldstück zwischen Schrobenhausen und Kühbach, endete. Im Dezember 1968 hatte Berger, erst im März desselben Jahres zu seinen ersten 15 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt, in einer Münchner Zwischenstation (Schubgefängnis), wo er nach einer Zeugenaussage in Augsburg befand, mit einer in der Schuhsohle eingearbeiteten Feile die Gitter durchsägt und sich mit Bettlaken abgeseilt. Daraufhin wurde er ohne Unterlass von großen Polizeiaufgeboten gejagt, zumal er in dieser Zeit in Ludwigsmoos auf den dabei lebensgefährlich verletzten Fritz Roithmeier schoss , der ihn in der Nähe des Elternhauses in Ludwigsmoos festnehmen wollte, und die Filiale Pöttmes der Neuburger Volksbank überfiel.

    Am Abend der Festnahme am 11. April 1969 hatte der Schreiber dieser Zeilen inmitten einer Kollegenschar eine persönliche Begegnung mit dem "Al Capone des Donaumoos". Aus Anlass des Freitodes veröffentlichte die Neuburger Rundschau" am 24. November 2003 unter der Überschrift "Al Capone" fürs Foto gekämmt." seine Erinnerungen von damals. "Von mir aus kennt`s de ganze Nacht steh`!" gab der damals 28-jährige Theo Berger den zahlreichen, auch aus Augsburg und München herbeigeeilten Journalisten und Fotografen zu verstehen. Sie drängelten sich im Vorraum der Arrestzelle der damaligen Schrobenhausener Landpolizei-Inspektion, um durch die Gitterstäbe einen Blick auf ihn zu erhaschen. Mit diesem Satz wollte der "schöne Theo" klar machen, dass er sich nicht "umdrehen" wird. Er lag mit Handschellen gefesselt bäuchlings auf einer Pritsche, das Gesicht ganz versteckend. Nachdem ihnen in einer Pressekonferenz der große Festnahme-Erfolg umfassend dargestellt worden war, wurde den Medienvertretern eine Begegnung mit Berger gewährt. Die bei einem Umbau vorbildlich gesicherte Zelle ermöglichte dieses Entgegenkommen. Man spürte, dass es selbst für abgebrühte Großstadtjournalisten in damaliger Zeit ein erregender Moment war, dem gefährlichen Mann, über den man so viel geschrieben hat, plötzlich gegenüberzustehen. Die trennenden Gitterstäbe konnten die Erregung kaum dämpfen. Eher schon, dass sich der berüchtigte Bandenchef zunächst völlig apathisch gab, so als ob die Welt für ihn endgültig zusammengebrochen wäre. Alles Zureden der Fotografen und von Kriminalrat Kremhelmer, dem damaligen Leiter der Kriminalabteilung der Landpolizei-Direktion Oberbayern ("Sie waren doch bislang so stolz auf ihr Konterfei in der Zeitung") schien nichts zu nützen. Doch bald wurde klar, dass der "Theo" nur den "toten Mann" spielte, weil er nicht wollte, , dass Fotos von ihm an die Öffentlichkeit kommen, die ihn, den eitlen Frauenhelden mit zersausten Haaren zeigen würden. "Mit dene wuid`n Hoar dreh`i mi nia um", brummelte er schließlich ungut. So ließ sich der Kriminalrat aus dem Journalistenkreis überreden, den "Al Capone" zu "verschönern". Kramhelmer "opferte" seinen eigenen Kamm und wies den jungen Polizeimeister Ludwig Heinl an , den Gefangenen damit zu kämmen. Damit dem Gangster diese demütigende Prozedur leichter fiel, verließen die Presseleute solange den Raum. Dass zu diesem Zeitpunkt Polizeimeister Heinl als Bewacher innerhalb der Gitter eingeteilt war und nun dem Räuberhauptmann die Haare kämmte, bekam für den noch eine besondere Note, der darum wusste, das Theo Berger ausgerechnet an diesen Beamten (und den Kollegen Josef Paulus) einen Brief mit einer Morddrohung geschrieben hatte.

    Als die Zeitungsvertreter wieder an das Gitter heran durften, taute Berger auf. Er setzte sich zunächst auf die Pritsche und stand dann auch auf, um sich in verschiedenen Positionen den minutenlang auf-flammenden Blitzlichtern zu stellen. Erstaunt erkannte man, dass der Bandenchef doch um einiges anderes ausah als auf den Verbrecher-Fotos der Polizei, nach denen er in der Fremde wohl schwerlich erkannt worden ist. Der Ludwigsmooser war viel schlanker geworden und wirkte hübscher, als man sich das vorgestellt hatte. Das gepflegte Äußere, der modische braune Anzug im kleinen Glenscheck-Muster und dazu ein weißer Rolkragenpulli taten ein Übriges. Unter den Blitzlichtern bekam der Räuberhauptmann sein Selbstbewusstsein wieder restlos zurück. Er weidete sich in der Rolle des "Stars" und beantwortete gern harmlose Fragen, wie sie der pressefreundliche Kriminalrat entgegen der ursprünglichen Abmachung schließlich doch duldete. Plötzlich lachte er sogar richtig auf, protzte sich "I war immer da, wenn`s mi net vermutet hab`n", und behauptete, oft bei Aktionen gegen ihn zugeschaut zu haben. Dem Schreiber dieser Erinnerungen antwortete er auf die Frage nach seinem letzten Tun in Freiheit, am Mittag noch in einem Kahn weit draußen auf dem Starnberger See geschaukelt zu sein, einsam mit sich allein. Ergänzend schnauzte er durch das Gitter: !I glaub, di kenn i, schreib anständig…"

    Als man im Juni 1985 glaubte, Theo Berger wäre aufgrund seiner Leukämie-Erkrankung schon dem Tode geweiht, wurde der Strafvollzug gegen ihn ausgesetzt. Dadurch hätte er noch eine große Chance gehabt, lange Zeit in Freiheit verbringen zu können., denn seine gesundheitliche Verfassung sollte sich in Freiheit bald bessern. Zunächst schien auch alles gut zu gehen. Manche Schrobenhausener haben damals im Hotel Grieser am Bahnhof mit dem Freigelassenen gesprochen und einen guten Eindruck gewonnen. Selbst sein großer Gegenspieler Josef Paulus traf ihn zufällig in dieser Wirtschaft und führte nach seinen eigenen Angaben ein vernünftiges sachliches Gespräch mit ihm. Im November/Dezember 1985 nahm Berger selber an den Dreharbeiten zu dem Dokumentarfilm "Der Al Capone vom Donaumoos" teil, .der im Fernsehen und sogar bei den Filmfestspielen in Hof gezeigt wurde. Obwohl nicht ausgewogen, ein interessantes Zeitdokument, das Theo Berger eine Plattform bot, seine eigene Sichtweise darzustellen und seine zwiespältige Persönlichkeit so richtig erhellt. Doch was passierte dann: Nicht nur die Gesundheit besserte sich, sondern auch die kriminelle Energie kehrte zurück: Im März 1986 wurde Berger beim Auskundschaften eines neuerlichen Banküberfalls in Garching überrascht und schoss, so das Gerichtsurteil, zusammen mit einem neuen Komplizen auf die sie verfolgenden Beamten. Das brachte ihm nach zuvor schon zweimal 15 Jahren jetzt wegen versuchten Mordes nochmals weitere zwölf Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung.ein. 1989 erschienen im AV-Verlag Franz Fischer in Augsburg die Memoiren des Räuberhauptmanns unter dem Titel "Ausbruch (Erinnerungen des Al Capone vom Donaumoos)". Doch die Gefängnistore sollten sich für ihn nie mehr öffnen. Endgültig todkrank, konnte Theo Berger am 21. November 2003 als insgesamt fünften "Ausbruch" nur noch jenen in den Freitod wählen…

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