
Über den Wolken ...

Karl „Charly“ Englmair feierte seinen 90. Geburtstag, wie es sich für einen Flieger gehört: in der Luft
Wenn einer 90 Jahre alt geworden ist, hat er viel gesehen im Leben. Und dass Karl Englmair in diesem Alter noch so energisch ist und sich freuen kann liegt sicher auch an seiner Leidenschaft, dem Fliegen. Mit 14 Jahren flog er zum ersten Mal mit einem Segelflugzeug. Beim letzten Flug, bei dem er selbst steuerte war er 84, wie Englmair erzählte.
Als 14-Jähriger nutzte er die Möglichkeit der Flieger-HJ. 1943 durften die Jungs in den einsitzigen Fliegern alleine agieren, um das Starten, Landen und Kurvendrehen und alles weitere zu erlernen, was zum Fliegerhandwerk gehört. Heute finden Flugstunden grundsätzlich in mehrsitzigen Fliegern statt, sodass der Fluglehrer immer eingreifen kann. Englmair war später selbst Ausbilder. Als junger Bursche besuchte er Lehrgänge im Umkreis, in Krumbach, Thannhausen und Memmingen, lernte Theorie und Praxis. Nach dem Krieg war Fliegen in Deutschland verboten und Englmair fuhr mit dem Zug in die Schweiz.
In Grenchen in der Schweiz gab es eine Schule für Motor- und Segelflugzeuge. Dort werden auch heute noch Flieger ausgebildet. Der Wörishofer Walter Dahl vermittelte ihm die nötigen Kontakte. Derselbe Walter Dahl war auch Gründungsmitglied des heutigen Segelflugvereins in Bad Wörishofen, anfangs Erster Vorstand.
Erst 1962 war das Fliegen in Deutschland als Hobbysport wieder erlaubt und Karl Englmair gründete mit ein paar anderen Flugbegeisterten den Motorfliegerclub Bad Wörishofen. Das erste Flugzeug auf dem Platz war seine Jodel Bébé, ein französisches Sportflugzeug mit VW-Motor. Zur Fliegerei kam dann Englmairs zweite Leidenschaf: Die Alpen. Diese zu überfliegen, zu bestaunen und zu fotografieren. Drei Alben hat er im Laufe der Jahre angelegt, die meisten entstanden zwischen 1980 und 1990. Großformatige Farbabzüge kleben in den Alben, das Matterhorn ist ein häufiges Motiv, die Dolomiten mit dem Marmolata-Massiv und den Drei Zinnen, Gletscher und noch viel mehr. Englmair kennt sich auch ohne Karte in den Bergen aus, er weiß genau, wo welcher Berg liegt, welche Route man am besten fliegt, jeden Berg kann er aus dem Stegreif beim Namen nennen. Seine Fotos sind von excellenter Qualität, gestochen scharf, gelungen von der Komposition und alle mit einem Stückchen Flugzeug am Rand, so dass man sofort sieht, von wo aus sie geschossen wurden. Auf die Frage mit welcher Kamera er fotografierte antwortete er „Eine Kodak, nichts Besonderes!“, seine Fotos aber schon. Auch in Italien war er oft, fotografierte Pisa mit dem schiefen Turm von oben, Verona oder Venedig. Ein Foto zeigt die Kanäle, die alten Stadtvillen, Boote und alles ganz klar und scharf. „Davor gab es ein Gewitter mit viel Regen. Sonst ist es immer etwas dunstig über Venedig, aber an diesem Tag gelang mir diese detailklare Aufnahme“, freut sich Englmair. Er war an der Nordsee, auch von dort gibt es Fotos, etwa eine strukturierte Dünenlandschaft bei Ebbe, ein Boot auf dem Meer bei bewegter See.
Tausende von Flugstunden hat „Charly“, wie ihn seine Fliegerfreunde nennen, in der Luft verbracht. Die Flüge in die Schweizer Alpen startete er alle von Bad Wörishofen aus, etwa fünf Stunden Zeit hatte er für einen davon, solange konnte er ohne Tanken unterwegs sein. Im Laufe der Jahre sammelte er zahlreiche Fliegermodelle, Fotos, Unterlagen, Utensilien. Dieser Fundus ging dann an das heutige Fliegermuseum in Bad Wörishofen. Auch hier war er einer der Gründungsmitglieder und Englmair wohnt nicht weit weg. Ist das Fliegermuseum geöffnet kommt er vorbei, trifft Gleichgesinnte und freut sich über den Austausch über das was ihn am meisten begeistert: die Sportfliegerei.
Zum 90. Geburtstag bekam Karl Englmair von seinen Vereinsfreunden einen Rundflug geschenkt in einem Oldtimer-Doppeldecker-Flugzeug, einer Boeing Stearman von 1941. Sie gehört Alois Bader aus Mattsies, der Pilot beim Geburtstagsflug war. Bei traumhaftem Wetter ging es nach Kempten, Isny, über den Bodensee und wieder zurück zum Flugplatz nach Thannheim.
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